Handelsblatt - 22.08.2019

(ff) #1

PSD2-Richtlinie


Schonfrist für Onlinehändler


Auch deutsche Onlineshops


erhalten Aufschub bei der


Umsetzung der


Zahlungsrichtlinie PSD2.


Andere EU-Länder hatten den


Start bereits verschoben.


Elisabeth Atzler Frankfurt


K


napp drei Wochen vor dem
geplanten Start strengerer
Vorgaben bei Onlinezahlun-
gen zieht die deutsche Finanzaufsicht
Bafin die Notbremse. Sie gewährt On-
lineshops Aufschub für die Umsetzung
von Teilen der EU-Zahlungsdienste-
richtlinie PSD2. „Zahlungsdienstleister
mit Sitz in Deutschland dürften Kredit-
kartenzahlungen im Internet weiter-
hin auch ohne die sogenannte starke
Kundenauthentifizierung ausführen,
teilte die Bafin am Mittwochvormittag
mit. „Die Bafin wird dies zunächst
nicht beanstanden.“ Eigentlich greift
die PSD2, die das Bezahlen beim On-
lineshopping sicherer machen soll, ab
dem 14. September.
Die starke Kundenauthentifizie-
rung (auf Englisch „Strong Customer
Authentication”, kurz SCA) gilt unter
anderem bei bestimmten Onlinebe-
zahlverfahren. Sie schreibt vor, dass
Kunden zusätzlich zu Benutzerna-
men und Passwort in vielen Fällen ei-
ne Tan-Nummer eingeben – so wie
heute schon bei Onlineüberweisun-
gen – oder eine Zahlung per Finger-
abdruck bestätigen. Das wird auch
„Zwei-Faktor-Authentifizierung“ ge-
nannt.


Viele Onlinehändler, vor allem klei-
nere, sind darauf aber noch nicht
vorbereitet. Die Bafin wolle mit ihrer
Entscheidung „Störungen bei Inter-
netzahlungen verhindern und einen
reibungslosen Übergang auf die neu-
en Anforderungen der PSD2 ermögli-
chen“, so die Aufsicht weiter. Beson-
ders bei Onlinezahlungen per Kredit-
karte war mit Verunsicherung,
schlimmstenfalls sogar Chaos gerech-
net worden. Während nach Einschät-
zung der Bafin die Kartenausgeber,
also meist die Banken, auf die neuen
Anforderungen vorbereitet sind,
sieht sie Mängel bei Onlinehändlern.
Es bestehe „nach wie vor erheblicher
Anpassungsbedarf “, erklärte die Ba-
fin.
Lobbyisten des Handels kämpfen
seit Langem für eine Verschiebung
oder Übergangsfristen beim Start der
PSD2. So hatte der europäische Han-
delsverband Euro Commerce bereits
Anfang Juni in einem Brief an die eu-
ropäische Bankenaufsicht Eba gefor-
dert, nationale Aufsichtsbehörden


sollten eine „schrittweise Durchset-
zung“ zulassen. Es gebe „starke Be-
denken“, dass alle Akteure im Zah-
lungsverkehr rechtzeitig fertig seien.
Der Verband befürchtet unter Um-
ständen „erhebliche Störungen“ im
E-Commerce, hieß es in dem Brief.
Tatsächlich gab die Eba wenig spä-
ter grünes Licht dafür, dass nationale
Behörden Marktteilnehmern unter
bestimmten Umständen mehr Zeit
für die Umsetzung der neuen Vorga-
ben gewähren. Darauf verweist nun
auch die Bafin. Die Erleichterungen
seien zeitlich befristet. „Wann sie aus-
laufen, wird die Bafin festlegen, nach-
dem sie die Marktteilnehmer konsul-
tiert und sich mit der Eba und den
nationalen europäischen Aufsichtsbe-
hörden abgestimmt hat.“
Nach Handelsblatt-Recherchen ha-
ben bereits Aufseher in etlichen EU-
Ländern für die SCA im Onlinehan-
del Übergangsfristen erlaubt. Das gilt
für Dänemark, Großbritannien,
Frankreich, Irland, Italien und die
Niederlande. Sie suchen nun meist
den Schulterschluss mit der Eba, um
eine einheitliche europäische Lösung
zu schaffen – und übten so indirekt
auch Druck auf die Bafin aus, sich
hier anzuschließen. Verschiedene
Starttermine in unterschiedlichen
EU-Ländern wären auch problema-
tisch für große Onlinehändler, die
grenzüberschreitend tätig sind.

Rechnung statt Kreditkarte
Teils gewähren die nationalen Behör-
den sogar einen langen Aufschub. So
hat die britische Finanzaufsicht FCA
gerade eine 18-monatige Übergangs-
frist beschlossen. Auch die Banque
de France ließ bereits im Juli eine
Frist von 18 Monaten zu, in bestimm-
ten Fällen sogar von drei Jahren. Eini-
ge andere Aufseher haben indes bis-
her wie die Bafin nicht gesagt, wie
viel mehr Zeit Handel, Kreditkarten-
anbieter und Banken, die die Karten
herausgeben, haben.
Dass etliche andere nationale Auf-
seher früher als die Bafin reagiert ha-
ben, dürfte am stärkeren Einsatz von
Kreditkarten in diesen Ländern lie-
gen. Die deutschen Verbraucher ha-
ben im vergangenen Jahr nur knapp
elf Prozent ihrer Onlineeinkäufe, ge-
messen am Umsatz, per Kreditkarte
bezahlt, wie aus einer Erhebung des
Handelsforschungsinstituts EHI her-
vorgeht. Das war sogar ein Tick weni-
ger als 2017. Am beliebtesten ist die
Zahlung per Rechnung, ihr Anteil
liegt bei knapp 28 Prozent – und sie
ist nicht von der SCA betroffen. Der
Anteil von Zahlungen per Lastschrift


  • für die es ebenfalls keine Änderun-
    gen gibt – liegt bei knapp 20 Prozent.
    Paypal kommt auf einen Umsatzan-
    teil von 21 Prozent.
    Auch bei Paypal müssen sich die
    meisten deutschen Kunden nicht auf
    Änderungen einstellen. Die SCA er-
    fordert nur dann einen zweiten Fak-
    tor, wenn man bei Paypal die Kredit-
    karte hinterlegt hat. „Für Zahlungen
    mit Lastschrift als Zahlungsquelle gilt
    SCA nicht“, teilte Paypal auf Anfrage
    mit. Der Bezahldienst der deutschen
    Banken, Paydirekt, erklärte auf An-
    frage lediglich, dass er auf die neuen
    Vorgaben vorbereitet sei. „Für Händ-
    ler wird sich kein technischer Anpas-
    sungsbedarf ergeben“, so Paydirekt.
    Was die SCA für private Paydirekt-
    Nutzer bedeutet, gab das Unterneh-
    men nicht an.


Onlineshopping:
Händler sind nicht auf
die neuen Anforde-
rungen vorbereitet.
Colourbox.com

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PROZENT
der deutschen Verbraucher haben
ihre Onlineeinkäufe im vergange-
nen Jahr per Kreditkarte bezahlt.

Quelle: Handelsforschungsinstitut EHI

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Finanzen & Börsen
DONNERSTAG, 22. AUGUST 2019, NR. 161
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