Handelsblatt - 22.08.2019

(ff) #1

T


im Albrecht gibt sich unverblümt,
wenn er die unübersichtliche Lage an
den Aktienmärkten beschreibt. Mehr
als ärgerlich findet es der 46-jährige
Aktienchef Deutschland, Österreich
und Schweiz der Deutsche-Bank-Fondstochter
DWS, dass die von US-Präsident Donald Trump
ausgelösten politischen Querelen die Weltkonjunk-
tur bremsen. Und der leidenschaftliche Verfechter
des aktiven, also von Menschenhand gelenkten
Fondsmanagements schont sich selbst dabei nicht,
wenn er geradeheraus erzählt, dass er und sein
Team Ende 2018 die Börsen falsch eingeschätzt ha-
ben und sich nun anstrengen müssen, um die ver-
schenkte Rendite aufzuholen.

Herr Albrecht, die Investoren sind nervös, wenn-
gleich die Aktienmärkte wieder stabiler wirken
nach dem heftigen Kursrutsch Anfang August. Wo
stehen wir bei Dax und Co.?
Die Ruhe trügt. Die Unsicherheit ist groß an den
Märkten. Eigentlich hat sich die Situation seit dem
Jahresanfang nur verschlimmert – und schon da-
mals sah es düster aus, was die großen politischen
Konfliktherde rund um den Handelskrieg zwischen
den USA und China, um Italien und um den Brexit
angeht. Es ist im Grunde erstaunlich, dass der
deutsche Leitindex Dax überhaupt gut 2000 Punk-
te gestiegen ist, bevor er fast die Hälfte dann wie-
der abgab, und noch immer gut zehn Prozent im
Plus liegt. Denn die Hoffnungen auf eine baldige
Lösung im Handelsstreit und darauf, dass dieser
nur eine kleine Konjunkturdelle auslöst und sich
die Aktienmärkte im zweiten Halbjahr erholen, ha-
ben sich ja zerschlagen. Der Handelsstreit ist eher
weiter eskaliert, diese Unsicherheit belastet die Re-
alwirtschaft.

Rechnen Sie mit einer Rezession in Deutschland?
Ja, wir erwarten wie viele eine leichte technische
Rezession, also dass das Bruttoinlandsprodukt
nach dem zweiten Quartal auch im laufenden
Quartal schrumpft. Im verarbeitenden Gewerbe er-
leben wir definitiv rezessive Tendenzen, auch eine
Gewinnrezession. Der Arbeitsmarkt hält sich noch
recht stabil, auch wenn schon erste Unternehmen
berichten, dass Leiharbeiter entlassen werden
müssen.

Und das alles hängt an dem von Donald Trump an-
gezettelten Handelskonflikt?
Die berühmten kurzen Beine politischer Börsen
sind länger geworden: Allen voran belastet der
Handelskonflikt zwischen den USA und China – die
Wirtschaft der wichtigsten Absatzmärkte für die ex-
portstarken deutschen Unternehmen schwächelt.
Nach Einschätzung der Firmen stottert die Welt-
konjunktur inzwischen auf allen Zylindern. Es fehlt
ein echter positiver Impuls für die Weltwirtschaft.

Wie stark belasten die Probleme Europas?
Der Stress in Europa nimmt zu: Die Chancen, stabi-
le Wahlergebnisse zu bekommen, schwinden offen-
bar – der Brexit und die Regierungskrise in Italien
dokumentieren die Destabilisierung. Das sind meh-
rere Tropfen, die das Fass zum Überlaufen bringen.

Anleger hoffen weiter auf die Notenbanken.
Auf die Geldpolitik kann man nicht mehr setzen:
Deren Munition ist so gut wie aufgebraucht. In
Europa ist der Einlagenzins seit Jahren negativ,
Banken geben es an ihre Firmenkunden und teil-
weise an private Kunden weiter. Und auch weitere
Maßnahmen des billigen Geldes wie Staatsanleihe-
käufe helfen nicht mehr viel. Firmen leiden in der
Euro-Zone nicht unter Kapazitätsknappheit, die
durch günstiges Geld entschärft werden könnte. Es
schadet inzwischen sogar eher.

Inwiefern?
Sparer werden real, also nach Abzug von Inflation,
enteignet. Pensionskassen bekommen Schwierig-
keiten durch den Niedrigzins. Und Firmen berich-

„Es kann noch


schlimmer


werden“


Der bekannte Fondsmanager und Aktienchef


Deutschland der DWS über extrem anfällige


Aktienmärkte, verschossenes Pulver der Notenbanken


und eine vorsichtige Anlagestrategie.


Christof Mattes/WirtschaftsWoche

Der Manager Der
46-jährige Diplom-
Kaufmann und Bank-
kaufmann, der seit
Ende seines Studiums
im Jahr 2000 bei der
DWS arbeitet, verant-
wortet als Aktienchef
Deutschland, Öster-
reich und Schweiz
Kundengeld von gut
14 Milliarden Euro. Er
managt den vielfach
prämierten deutschen
Aktienfonds „DWS
Deutschland“ mit
einem Vermögen von
5,3 Milliarden Euro,
der 2018 allerdings
schwächer als die
Konkurrenz abschnitt.
Der Hesse aus Langen
bei Frankfurt und Ein-
tracht-Frankfurt-Fan
ist verheiratet und hat
drei Kinder.

Das Unternehmen
Die Deutsche-Bank-
Fondstochter DWS ist
der größte deutsche
Fondsanbieter für pri-
vate Anleger und
managt 719 Milliarden
Euro Vermögen. Der
im vergangenen
Herbst angetretene
Chef Asoka Wöhr-
mann strukturiert das
seit März 2018 bör-
sennotierte Unterneh-
men um, um es effi-
zienter aufzustellen.

Vita Tim Albrecht

Tim Albrecht


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DONNERSTAG, 22. AUGUST 2019, NR. 161
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