Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.09.2019

(Ron) #1
NR. 205·SEITE N 1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Natur und Wissenschaft MITTWOCH, 4. SEPTEMBER 2019


Ab 2022 sollen Apotheker die Ausgabe von Biologika


auf die preisgünstigeren Biosimilars umstellen. Was


aber heißt das für den Patienten?Seite N2


Und ist das da nicht Marcel Proust? Der Venedig-


Besuch des Schriftstellers im Mai 1900 hinterließ eine


Spur in einem Brief an Hugo von Hofmannsthal.Seite N3


Die Universitäten sind das Zentrum des Wissenschafts-


systems. Deshalb sollte ihnen auch das Promotions-


recht vorbehalten bleiben.Seite N4


W

enn der Genter Altar in der Ka-
thedrale Sankt Bavo seine Flügel
öffnet, zeigt er dem Betrachter zwar
sein prachtvolles Innenleben; viele sei-
ner Geheimnisse bleiben aber bis heute
ungelüftet. Beispielsweise ist immer
noch nicht geklärt, ob Jan van Eyck das
Gemälde allein oder zusammen mit sei-
nem Bruder Hubert schuf. Eine wichti-
ge Rolle bei der Entschlüsselung sol-
cher Rätsel spielen Röntgenbilder, die
verwendete Materialien, die Struktur
der Pinselstriche und innere Schichten
der Gemälde offenlegen. Das Problem:
Die dreidimensionale Struktur der Farb-
schichten wird dabei als zweidimensio-
nales Bild gezeigt. Sind, wie bei den Flü-
geln des Genter Polyptychons, zudem
beide Seiten der Leinwand bemalt, ent-
steht ein äußerst komplexes Röntgen-
bild. Um dieses Wirrwarr zu ergrün-
den, entwickelten Wissenschaftler des
University College London nun eine
Künstliche Intelligenz (KI), die überla-
gerte Röntgenbilder voneinander zu
trennen lernte. Hierzu fütterten sie ein
„Convolutional Neural Network“ mit
hochaufgelösten Fotografien der zwei
Seiten des Flügelaltars und dem ent-
sprechenden Röntgenbild. Wie „Sci-
ence Advances“ berichtet, war es Auf-
gabe der KI, zwei einzelne Röntgenbil-
der der jeweiligen Seiten zu generieren.
Indem sie ihre Ergebnisse immer wie-
der summierte und mit dem ursprüngli-
chen überlagerten Röntgenbild ab-
glich, verbesserte sie sich selbständig.
Überraschenderweise wurde die Seite
der Leinwand, deren Fotografie die KI
zuerst als Input bekam, besser als die
zweite. Ohne dies erklären zu können,
kombinierten die Forscher kurzerhand
zwei Systeme, die jeweils eine andere
Flügelseite zuerst berechneten, und gli-
chen so die Defizite geschickt aus. Die
KI soll bei der Erforschung alter Gemäl-
de helfen. Ob sie aber den Ursprüngen
des Genter Altars auf die Spur kommen
kann, muss sich noch zeigen. jomi

KLUG VERDRAHTET


Der minimale Unterschied Links der Dogenpalast, rechts die Markussäule Die Vermittlung des Neuen


In der Batterieforschung breit auf-
gestellt hat man sich auch am
Standort München mit seinen vie-
len Instituten. Hier wird die gesam-
te Entwicklungskette einer Lithi-
um-Ionen-Zelle – von der Materi-
al- und Elektrodenentwicklung bis
zu Herstellung und Tests großfor-
matiger Zellen – abgedeckt. Ein
wichtiger Aspekt sind Alterungs-
prozesse, die die Lebensdauer ei-
ner Batterie limitieren. Welche
Faktoren hier eine Rolle spielen,
untersucht zum Beispiel die Ar-
beitsgruppe von Hubert Gasteiger
am Lehrstuhl für Technische Elek-
trochemie der TU München. Eine
Batterie altert, weil sich durch häu-
figes Auf- und Entladen die Aktiv-
materialien und der Elektrolyt der
Batterie zersetzen. Kapazität und
Energiedichte nehmen dadurch all-
mählich ab, während der innere
Widerstand steigt. Aufgrund der
hohen Stromstärken beim Schnell-
laden von Lithium-Ionen-Batte-
rien kann zudem eine unerwünsch-
te Lithiummetallabscheidung auf
der negativen Elektrode stattfin-
den, die zu unerwünschten chemi-
schen Reaktionen führt, die den
Elektrolyten irreversibel schädi-
gen. Mit einer Reihe spektroskopi-
scher und analytischer Verfahren
untersuchen Gasteiger und seine
Kollegen Andreas Jossen vom
Lehrstuhl Elektrische Energiespei-
chertechnik und Ralph Gilles von
der Neutronenforschungsquelle
FRM II, welche Parameter die Alte-
rung und die Lade-Entlade-Ge-
schwindigkeit in welchem Maße
beeinflussen. Dabei analysieren
sie eigens gebaute Versuchszellen,
basierend auf Lithium-Ionen-Tech-
nologie, sowie großformatige Bat-
teriezellen auf Basis noch in der
Entwicklung befindlicher Materia-
lien, die am Institut für Werkzeug-
maschinen und Betriebswissen-
schaften (IWB) der TUM produ-
ziert werden. Die Hauptziele: ein
besseres Verständnis der Alte-
rungsvorgänge in kommerziellen
Batterien wie auch in Batterien
mit neuen Materialien, verlässli-
che Prognosen über die zu erwar-
tende Lebensdauer einer Batterie
und Strategien für die Second-
Life-Nutzung. Ausgediente Auto-
batterien beispielsweise lassen
sich häufig noch als stationäre
Speicher verwenden.

Die Entwicklung von Lithium-Io-
nen-Akkumulatoren mit für die je-
weilige Anwendung maßgeschnei-
derten Eigenschaften haben sich
die Batterieforscher in Itzehoe auf
die Fahne geschrieben. „Dazu be-
dienen wir uns eines Baukastens
unterschiedlichster Materialien
und elektrochemischer Systeme,
die wir je nach Anforderung mit-
einander kombinieren“, sagt An-
dreas Würsig vom Fraunhofer-In-
stitut für Siliziumtechnologie Isit.
Eine Spezialität der Forscher am
Isit: Hochleistungsspeicher, die in-
nerhalb kurzer Zeit – der Instituts-
rekord liegt bei einer Minute –
ihre gespeicherte Energie auf ei-
nen Schlag abgeben, etwa für die
Start-Stopp-Automatik in Pkws.
Aber auch elektrochemische Lang-
zeitspeichersysteme mit 15 000
und mehr Lade- und Entladezy-
klen, die sich mindestens 20 Jahre
lang ohne Alterungserscheinun-
gen sicher betreiben lassen, stehen
auf der Agenda. Wegen ihrer gerin-
geren Energiedichte kommen sie
aber nicht unbedingt als Strom-
quelle für E-Fahrzeuge in Frage.
„Es gibt nicht die Batterie, die al-
les kann.“ Beim Design, der Ent-
wicklung und Fertigung stehen
Energieeffizienz, Wirtschaftlich-
keit und Umweltverträglichkeit
auch in Itzehoe an oberster Stelle.
Das beginnt bereits bei der Ent-
wicklung von Separatoren, die in
jeder Lithium-Batterie die Anode
von der Kathode trennen, um
Kurzschlüsse zu vermeiden. Diese
Materialien müssen gut mit dem
Elektrolyten benetzbar und für Li-
thium-Ionen durchlässig sein, er-
klärt Würsig. Die Forscher setzen
auf eine Kombination aus einem
Polymer und einer für Lithium-Io-
nen leitfähigen Keramik. „Da-
durch können wir den Separator
schon während der Fertigung als
hauchdünne Schicht auf die Elek-
troden aufbringen.“ Das reduziere
den Anteil an nichtaktiven Mate-
rialien, was sich wiederum positiv
auf die Energiedichte der fertigen
Batterie auswirke, Arbeitschritte
und Kosten spare. „Die dürfen wir
neben der Qualität nicht verges-
sen, wollen wir eines Tages kon-
kurrenzfähige Batterien bauen.“
Eine Vision des Forschers: Batte-
rien, vollständig gefertigt mit Ener-
gie aus erneuerbaren Quellen.

Die Entwicklung von Elektroden-
materialien und Elektrolyten, die
Fertigung von Batteriezellen in al-
len Größen und Formen, einschlä-
gige Sicherheits- und Alterungs-
tests bis hin zum schonenden Re-
cycling alter Batterien mit überkri-
tischem Kohlendioxid und die
möglichst lückenlose Wiederge-
winnung wertvoller Materialien –
kein Bereich der Batteriefor-
schung, der am Standort Münster
nicht angegangen wird. Die Aktivi-
täten in NRW werden unter ande-
rem von Instituten der Universitä-
ten Münster und Aachen sowie des
Forschungsinstituts Jülich getra-
gen, die das Helmholtz-Institut
Münster gegründet haben. Jeder
Partner hat sein Spezialgebiet. So
treibt man in Jülich unter anderem
die Festkörper-Batterie voran und
entwickelt dafür – gemeinsam mit
Münster – Lithiummetall-Elektro-
den und solide, nicht brennbare
Elektrolyten. An der RWTH Aa-
chen liegt die Expertise an Batte-
riesystemen, in Produktionsverfah-
ren und deren Umsetzung in die
Praxis. Münster setzt den Schwer-
punkt auf die Material- und Zell-
entwicklung. Mehr als 50 Prozent
aller Aktivitäten drehen sich am
Standort Münster um die Lithium-
Ionen-Batterie. „Wir können Lithi-
um-Ionen-Akkus nicht ersetzen.
Es gibt derzeit nichts Besseres und
eine Batterie der Zukunft wird der
Lithium-Akku bleiben“, sagt Mar-
tin Winter von der Universität
Münster und Leiter des dort ange-
siedelten Forschungszentrums
Meet und des Helmholtz–Instituts.
Doch es gibt noch viele Stellschrau-
ben für die Forscher, um Kapazi-
tät, Energiedichte, Lebensdauer,
Sicherheit und Ladezeit zu optimie-
ren und günstigere Komponenten
herzustellen. Winter sieht Deutsch-
land in der Batterieforschung im
internationalen Vergleich recht
gut aufgestellt. Woran es hapere,
sei die industrielle Umsetzung.
Noch immer ist es hierzulande
schwierig, Forschungsergebnisse
als Innovationen schnell an die In-
dustrie bringen. Doch es gibt
Grund zur Hoffnung: Die For-
schungsfabrik zur Batterieferti-
gung, die in Münster errichtet
wird, könnte den Weg für die indus-
trielle Serienproduktion von Batte-
rien made in Germany ebnen.

Energiespeicher der Zukunft


Intensive Laborarbeit:
Das Karlsruher Institut für
Technologie kooperiert
mit dem Standort Ulm.
Foto KIT

Am Standort Dresden arbeitet ein
Forschungscluster der TU Dres-
den gemeinsam mit mehreren
Fraunhofer- und Leibniz-Institu-
ten an Batterien der nächsten Ge-
neration. Das Ziel: den Anteil an
wertvollen Materialien in den Li-
thium-Ionen-Akkus möglichst ver-
ringern, ohne dass die Energie-
dichte Einbußen erleidet. „Wir ver-
folgen zwei Ansätze: die Redukti-
on des Kobaltanteils zugunsten
des Nickelanteils in den Kathoden
und die Verwendung neuer günsti-
ger Materialien“, erklärt der Ver-
bundkoordinator Stefan Kaskel
vom Institut für Chemie an der TU
Dresden die Arbeiten vor Ort. Gro-
ßes Potential sieht man in der Ver-
wendung von Schwefel als Katho-
de. Die Lithium-Schwefel-Batterie
wäre nach Ansicht von Kaskel
eine echt innovative Anwendung.
Dieser Batterietyp besitzt eine hö-
here Kapazität, vor allem eine hö-
here spezifische Energiedichte als
Lithium-Ionen-Akkus. In Kaskels
Labor am Faunhofer-Institut IWS
wurden bereits Werte von bis zu
400 Kilowattstunden gemessen.
Kopfzerbrechen bereitet noch die
Langzeitstabilität. Von rund 200
Zyklen an nimmt die Leistungsfä-
higkeit ab. „Unser Ziel sind bis zu
3000 Zyklen.“ Dann könnte der Li-
thium-Schwefel-Akku in die An-
wendung. Diese sieht Kaskel aber
eher in der stationären Stromspei-
cherung, bei Drohnen und Satelli-
ten – weniger bei E-Autos. Schwe-
fel-Akkus benötigen derzeit noch
vergleichsweise viel Platz, und der
ist im Pkw begrenzt. Auf der Ano-
denseite setzen die Dresdner For-
scher auf Silizium. In die Halblei-
terelektrode können mehr von der
Kathode kommende Lithium-Io-
nen eingelagert werden als in eine
gewöhnliche Graphitelektrode.
Dadurch würde sich die Kapazität
eines Lithium-Ionen-Akkus, aber
auch einer Festkörper-Batterie,
mehr als verdoppeln. Die Elektro-
de lässt sich zudem viel dünner fer-
tigen, wodurch man Volumen und
Gewicht spart. Probleme bereiten
Atmungseffekte und Reaktionen
mit dem Elektrolyt, was die Le-
bensdauer des Akkus beeinflusst.
„Mit besonderen Schutzschichten
und weniger aggressiven Elektroly-
ten versuchen wir hier weiterzu-
kommen.“

A


merikanische Biologen schlagen
Alarm: Krähen, die in urbanen Re-
gionen leben, weisen deutlich erhöhte
Blutcholesterinwerte auf.Schuld daran
sind offenbar die ungesunden Ernäh-
rungsgewohnheiten des Menschen. So
kann man es den Vögeln freilich nicht
verdenken, wenn sie sich lieber über
herumliegende Pommes und Hambur-
gerreste hermachen, als flüchtigem Ge-
tier hinterherzujagen. Menschliche Es-
sensreste laufen schließlich nicht weg
und leisten auch keine erbitterte Gegen-
wehr. Da Krähen zudem weit oben in
der Nahrungskette stehen, können sie
sich überall ungehindert vordrängen
und sich dabei die fettesten Brocken si-
chern. In städtischen Gebieten kom-
men sie diesbezüglich mehr auf ihre
Kosten als auf dem Land. Denn dort,
wo viele Vertreter der Gattung Homo
leben, gibt es meist auch große Mengen
an leicht verzehrbarer Kost. Die Biolo-
gen wollten ursprünglich herausfin-
den, ob zwischen dem Lebensraum
von Krähen und dem Cholesterinspie-
gel dieser Rabenvögel ein Zusammen-
hang besteht. Dies war tatsächlich der
Fall. Je näher die Krähen zudem an
städtischen Wohngebieten nisteten,
desto höher waren die Blutcholesterin-
spiegel ihrer Nachkommen.Mit die-
sem Ergebnis gaben sich die Forscher
allerdings nicht zufrieden. Denn Korre-
lationen sagen bekanntlich nichts dar-
über aus, was Ursache und was Wir-
kung ist. Beispielsweise wäre es auch
möglich, dass es Krähen mit hohem
Blutfettgehalt in die Stadt zieht. Um
mehr Klarheit zu erhalten, versorgten
die Biologen mehrere Kräheneltern
während der Brutzeit mit Cheesebur-
gern. Einige Tiere brachten die Beute
daraufhin sofort zu ihren Küken, wäh-
rend sich andere, ihrem Ruf als Raben-
eltern alle Ehre erweisend, erst einmal
satt fraßen. Alle Vogelkinder, auch
jene der scheinbar weniger fürsorgli-
chen Eltern, hatten in der Folge deut-
lich höhere Cholesterinwerte als die
Nachkommen von Krähen, die ohne
menschliche Hilfe ihre Kinder ernäh-
ren mussten. Der hohe Blutfettspiegel
schien den Küken allerdings nicht zu
schaden, zumindest nicht auf kurze
Sicht. Vielmehr sollen sich die Klei-
nen prächtig entwickelt haben. Den-
noch raten die amerikanischen Wis-
senschaftler im Journal „The Condor“
davon ab, wilde Krähen mit Cheese-
burgern zu füttern. Schließlich wisse
man nicht, wie sich die Kost langfris-
tig auf die Tiere auswirkt. Im Zweifel
kommen die Krähen damit besser zu-
recht als wir. Denn viele lebensstilbe-
dingte Krankheiten, darunter Gefäß-
verkalkung und Krebs, sollen bei den
Rabenvögeln nicht vorkommen. NvL

Von der Materialherstellung, der
Verfahrens- und Fertigungstech-
nik zur Produktion elektrochemi-
scher Batteriezellen bis hin zum
Recycling – am Standort Braun-
schweig hat man den gesamten Le-
benszyklus einer Lithium-Ionen-
Batterie im Blick. Bei allen Produk-
tionsschritten stünden neben Wirt-
schaftlichkeit vor allem Nachhal-
tigkeit und Energieeffizienz im
Vordergrund, sagt Arno Kwade
vom Institut für Partikeltechnik
der TU Braunschweig. Aus diesem
Grund werden die einzelnen
Schritte bei der Elektroden- und
Batteriezellproduktion mit Hilfe
von Data-Mining und Simulatio-
nen modelliert, optimiert und
dann in die Praxis übertragen. „So
können wir schon im Vorfeld se-
hen, wie wir die komplizierten Pro-
zesse, die etwa zur Herstellung der
Elektroden erforderlich sind, so
steuern müssen, dass sie möglichst
ökonomisch und ressourcenscho-
nend ablaufen und Elektroden
und Batteriezellen mit optimaler
innerer Struktur sowie bestmögli-
cher Performance entstehen.“ Pro-
duziert werden die Batteriesyste-
me, darunter auch Lithium-Schwe-
fel- und Feststoff-Akkus, in einer
Pilotanlage der Batterie-For-
schungsfabrik, die auf dem Cam-
pus der TU angesiedelt ist. Hier
fließen auch die Expertisen von
Forschergruppen der Universitä-
ten Clausthal und Hannover, der
Physikalisch-Technischen Bundes-
anstalt (PTB) und des Fraunhofer-
Instituts IST zusammen. In Braun-
schweig sind auch das Recycling
von Batterien, die Wiedergewin-
nung und -verwertung wichtiger
Materialien ein Forschungsschwer-
punkt. Genutzt wird dabei das rein
mechanisch-hydrometallurgische
Recycling. Die aktiven Komponen-
ten einer zerlegten Batterie wer-
den zerkleinert und zermahlen
und dann mit Säuren und Laugen
behandelt. Die Metalle, einschließ-
lich des Lithiums, fallen als Salze
aus. Auf den Import wertvoller Me-
talle wie Kobalt und Nickel sind
die Braunschweiger Batteriefor-
scher nicht angewiesen. Was im
Labormaßstab funktioniert, könn-
te für Kwade Vorbild sein, sollten
eines Tages in Deutschland Batte-
riezellen im industriellen Maßstab
gefertigt werden.


Noch bevor die Elektromobilität
so richtig an Fahrt aufgenommen
hat, sorgen sich viele Batteriebau-
er um die Verfügbarkeit von Lithi-
um und Kobalt. Um einem Versor-
gungsengpass und damit einher-
gehenden steigenden Weltmarkt-
preisen zuvorzukommen, wird
vielerorts bereits an Post-Lithi-
um-Systemen getüftelt, die weni-
ger oder keine kritischen Rohstof-
fe enthalten, aber auch höhere
Kapazitäten und Energiedichten
versprechen. Die Hoffnungsträ-
ger heißen – entsprechend der Io-
nen, die zwischen Plus- und Mi-
nuspol hin und her wandern – Na-
trium-, Magnesium- oder Kalzi-
um-Batterien. „Der Natrium-
Akku wird in zwei bis drei Jahren
auf den Markt kommen, etwa als
stationärer Energiespeicher“, sagt
Maximilian Fichtner vom Helm-
holtz-Institut Ulm, einem der füh-
renden Batterieforschungszentren
Europas. Etwas länger dauern
wird es seiner Ansicht nach bei
den anderen Batterietypen. „Hier
haben wir noch einige Probleme
zu lösen.“ So sucht man nach
Elektrolyten, die nicht mit den
Erdalkalimetallen reagieren und
auf den Elektroden keine passi-
vierenden Schichten bilden. Zu-
dem dürfen die Ionenleiter die
Mobilität der Magnesium-Ionen
wegen der höheren Ladung nicht
einschränken. „Wir brauchen
hier neue Ansätze für die Post-Li-
thium-Batterien.“ An ihnen arbei-
ten in Ulm und Karlsruhe 200 For-
scher in der gemeinsamen For-
schungsplattform Celest. Großes
Potential sieht Fichtner auch in
Feststoffbatterien, deren Entwick-
lung das HIU ebenfalls voran-
treibt. Sie versprechen höhere
Speicherkapazitäten als klassi-
sche Lithium-Ionen-Akkus und
hätten wegen des nicht brennba-
ren festen Elektrolyten auch kein
Sicherheitsproblem. „Was aber
jetzt vor allem passieren muss, ist
der Aufbau von Produktionskapa-
zität für Lithium-Ionen-Batterien
in Deutschland, wollen wir mit
China konkurrieren. Wir wissen
mittlerweile sehr gut, wie man
Batteriezellen in hoher Qualität
und auch kostengünstig her-
stellt.“ Nun muss die Zellferti-
gung in Großserie kommen.

Braunschweig


Perfekte Akkus


auf Knopfdruck


Itzehoe


Die Vision einer


grünen Batterie


Ulm


Lithium-Akkus



  • und dann?


Münster


Batterien made


in Germany


Arno Kwade Foto Frank Bierstedt


Dresden


Zellen aus dem


Baukasten


München


Wenn Batterien


älter werden


Burgerkrähen


Deutsche Forschungszentren nehmen eine entscheidende Rolle in der innovativen Entwicklung der Batterietechnik ein.


Welche Strategien und Visionen haben die Leiter der sechs größten Standorte?Von Manfred Lindinger


Stefan Kaskel Foto Martin Förster Andreas Würsig Foto ISIT Hubert Gasteiger Foto Eric de Vries Maximilian Fichtner Foto HIU Martin Winter Foto Judith Kraft, FZ Jülich
Free download pdf