Süddeutsche Zeitung - 09.08.2019

(Frankie) #1
„Das Leiden der Nummer 38 540“, 9. Juli:

Verbrechen an Mitgeschöpfen


Vielen Dank für Ihre umfangreiche Bericht-
erstattung über die barbarischen Tierquä-
lereien, begangen an Kühen im Milchvieh-
betrieb Endres in Bad Grönenbach, Unter-
allgäu. In meiner nun mehr als 40 jährigen
Tätigkeit im Tierschutz sind diese Filmauf-
nahmen, ausgestrahlt von „Report Mainz“
und „Fakt“, einige der schlimmsten Dinge,
die ich zu sehen bekommen habe. Der Be-
griff des „Nutz“tieres als solches entbehrt
schon jeder Logik. Das Tier ist Mitge-
schöpf, es hat einen im Grundgesetz festge-
schriebenen Anspruch auf Schutz.
Das Staatsziel Tierschutz wird aber da
mit Füßen getreten, wo finanzielle Interes-
sen der Fleisch-, Milch- und Landwirt-
schaftslobby das Sagen haben. Politik
spielt mit oder wird vorgeführt. Recht wird
gebeugt. Und das unter den Augen der Öf-
fentlichkeit. Ich weiß nicht, was noch ge-
schehen muss, damit wir Menschen end-
lich den Tieren ihre Würde und ihr Recht
auf Leben ohne Wenn und Aber zugeste-
hen, aber ich bin sicher, dass der Tag
kommt, an dem wir für die Verbrechen an
der Mitgeschöpflichkeit zur Rechenschaft
gezogen werden. Um diesem Recht ein we-
nig nachzuhelfen, habe ich eine Dienstauf-
sichtsbeschwerde gegen Landrat Weirat-
her verfasst. Marianne Rautenberg, Lage

Das kostet Vertrauen


Die geschilderten Missstände auf dem
Großbetrieb im Allgäu schreien zum Him-
mel. Wer als Tierhalter derart ausbeute-
risch und unwürdig mit seinen Tieren um-
geht, verhält sich im Zweifelsfall auch ge-
genüber Menschen so. Das gleiche gilt für
das ausführende Personal. Es ist ein Skan-
dal von Bauern und Behörden, der auf die
gesamte Landwirtschaft und Politik zu-
rückfällt. Was nützen da die schönsten Bil-
der vom Erhalt der Kulturlandschaft und
den damit verbundenen Segnungen gesun-
der Ernährung? Das Verbrauchervertrau-
en wird mit Füßen getreten. Es ist aber
auch ein Problem massiver Agrarlobby in
unseren Parlamenten. Die schuldigen Tier-
halter, übrigens auch in der Schweine-
zucht und Geflügelhaltung, sollten mit al-
ler Härte zur Rechenschaft gezogen wer-
den. Wenn das nicht ausreicht, müssen
Tierschutzgesetze umgehend verschärft
werden. Jochen Freihold, Berlin

„Nutztiere“ sind Opfer


Massentierhaltung ist Tierquälerei – nicht
nur im Kuhstall. Tierquälerei ist im Grund-
gesetz verboten. Wo bleibt die klare Positi-
on der Regierenden? Die Kuh, eines der sen-
sibelsten Säugetiere, wird über das gesam-
te kurze Leben von uns gequält. Eine Kuh
könnte problemlos 20 Jahre alt werden. In
der Massentierhaltung wird sie bereits
nach drei bis vier Jahren getötet, weil sie
nicht mehr wirtschaftlich ist. In den etwa
drei bis fünf „Nutzungsjahren“ ist sie dau-
erschwanger – wegen der Milchprodukti-
on, permanent unglücklich – weil ihr so-
fort nach der Geburt ihr Kalb weggenom-
men wird, jährlich vergewaltigt in Form
der künstlichen Besamung – wegen der
verlangten abartigen Milchleistung, voll
gestopft mit Antibiotika – weil sie funktio-
nieren muss, und dann der Horrortrip
durch Europa zu einem Schlachthof. Die
Frage, die stehen bleibt: Muss und darf das
eigentlich heute noch geschehen? Die bäu-
erliche und biologische Landwirtschaft wä-
re für mich der Königsweg. Aber das bleibt
in unserem System wohl ein Traum.
Jürgen Schmoll, München

Söders grüner Daumen


Ob er mit einer venezianischen Gondel
über den Nymphenburger Kanal gleitet
oder drei Stationen mit einer S-Bahn
durch München gondelt, Markus Söder ist
immer für einen PR-Gag zu haben. Wahr-
scheinlich als Beleg dafür, dass er im Kli-
maschutz locker mit Greta mithalten kann
(„Mer Wald und Wissenschaft“ vom 11. Ju-
li, „Servus Schuldenfreiheit“ vom 12.Juli
und „Klimaschutz im Sonnenland“ vom



  1. Juli), rief er die Aktion „Wednesday for
    Trees“ ins Leben, umarmte medienwirk-
    sam die Bäume hinter der Staatskanzlei
    und hinterließ seinen ökologischen Fußab-
    druck in einem extra für ihn angesäten
    Blühstreifen. Bei der Gelegenheit setzte
    sich womöglich auch die Erkenntnis
    durch, dass zügig umgesetzte Maßnah-
    men zum Erhalt unseres Planeten eventu-
    ell doch wichtiger wären, als eine rasante
    Schuldentilgung bis „2030“? Oder „drei


Jahre später“. Dabei wäre es durchaus zu
begrüßen, wenn die bayrische Staatsregie-
rung wenigstens den Baumbestand wieder
aufforsten lässt, den sie vorher dem Flä-
chenfraß opferte und zur Aufbesserung

der Staatskasse abholzen ließ. Und zwar
jetzt! Und nicht 2030. Oder drei Jahre spä-
ter. Sollte dem Ministerpräsidenten jetzt
auch noch ein grüner Daumen wie der Alex-
ander Dobrindt zur Hand gehen, dann

steht der Rettung des Klimas fast nichts
mehr im Weg! Manfred Jagoda, Ismaning

Deutsch muss Abiturfach bleiben


Mit guten (und weniger guten) Gründen
wird immer wieder und auch jetzt gestrit-
ten, welche Fächer mit welcher Intensität
im Gymnasium zu unterrichten sind
(„Oberstufe mit Lieblingsfach“ vom 18.Ju-
li). Offensichtlich steht nicht fest, ob im Ab-
itur Deutsch schriftliches Prüfungsfach
bleiben soll. Wenn das Gymnasium den An-
spruch, Allgemeinbildung zu vermitteln,
aufrecht erhalten will (hoffentlich will es
das!), dann darf es in dieser Frage doch kei-
nen Zweifel geben. Wer, wenn nicht die
Schule, soll der Jugend die Augen öffnen
für die kulturellen Schätze, die das Unter-
richtsfach Deutsch bereithält? Wenn
Deutsch als schriftliches Prüfungsfach auf-
gegeben wird, sinkt das Interesse der Schü-
ler an diesem Fach. Will das ein Land, das

sich in seiner Verfassung stolz als Kultur-
staat deklariert? Dr. Jürgen Harbich
Feldkirchen-Westerham

Fahrrad- statt autogerecht


Konservative Parteien wie die CSU haben
alle dieselbe Krankheit: Sie können sich
nicht von tradierten Strukturen lösen und
verschlafen gesellschaftliche, wirtschaftli-
che und soziale Entwicklungen, die längst
eingesetzt haben („Stadtrat stimmt für
Radschnellweg“ vom 19.Juli). Das wieder-
holt sich jetzt beim überfälligen Paradig-
menwechsel der Mobilität. Liebe CSU, die
Zeiten der autogerechten Städte der 70er
Jahre sind vorbei! Wenn wir Münchens Le-
bensqualität erhalten wollen, müssen wir
Lärm, Gestank, Luftverschmutzung aus-
bremsen. Der motorisierte Individualver-
kehr muss massiv reduziert werden zu
Gunsten umweltfreundlicher Mobilitäts-
formen. Dietrich Loos, München

Ribisl


Der Künstler Jakob Friedl hegt die Absicht,
der nächste Regensburger Oberbürger-
meister zu werden. Unterstützen wird ihn
bei seinem Plan die sogenannte Liste Ri-
bisl, die im März 2020 ebenfalls bei der
Kommunalwahl antreten will. Mittlerwei-
le wurde auch der Verein Ribisl-Partie e.V.
gegründet. „Wir fordern die Gestaltbarkeit
des öffentlichen Raums an selbst gewähl-
ten Orten und wollen alle Menschen dazu
ermuntern kreativ mitzumachen“, erklär-
te Friedl neulich auf etwas luftige Art das
Anliegen der Ribisl-Freunde. Am interes-
santesten an der Gruppierung ist bis jetzt
der Name Ribisl. Hinter diesem Begriff ste-
cken schmackhafte Früchte, die eigentlich
als Johannisbeeren bekannt sind. Im bay-
erischen Alpenvorland und in Österreich
werden sie jedoch Ribisl genannt, ausge-
hend vom lateinischen Wort ribes (ara-
bisch: ribas). Als Delikatessen werden dar-
über hinaus der Ribislsaft sowie der Ribisl-
wein gehandelt. Der Schauspieler Helmut
Qualtinger (1928-1986) sagte einst in sei-
nem famosen Ein-Mann-Stück „Der Herr
Karl“: „Da waren im Inundationsgebiet,
Überschwemmungsgebiet – so Standeln..


. san mir gsessen mit den Madln... Ribi-
slwein abigstessen.. .“ In Südbayern hei-
ßen die Ribisl mancherorts Weinbeerln
(Weibierl), im Isartal nennt man sie gele-
gentlich auch Hanslbial.


Vertrauensfraß bei der CSU


„Bloß nicht alles auf Null stellen“ (30.Juli),
„Das war’s jetzt, definitiv“ (21.Juli) und
„Zwei Jahre Verspätung bei der Stammstre-
cke“ (3.Juli):

Löbliche Fehlerkultur


Wenn über Jahrzehnte hinweg geplant
wird und die halbe Innenstadt dafür zu ei-
ner Baustelle wird, ist es kein Fehler, auf
neue Ideen kurzfristig zu reagieren und
umzuplanen. Das gesamte Bauvorhaben
ist so komplex, dass niemand gleich von
Anfang an alle Parameter kennen und dar-
aus die „definitiv richtige“ Entscheidung
ausleiten kann. Diese gibt es schlicht nicht.
Ein Hoch auf diejenigen, die sich diese
neue Fehlerkultur endlich zu eigen ma-
chen und „Fehler“ eingestehen können.
Wir brauchen agile Planungsprozesse, die
Veränderungen zulassen und nicht von
vornherein starr und wasserfallartig durch-
geplant sind. Anpassungsfähigkeit ist kein
Fehler, sondern eine notwendige Eigen-

schaft, um komplexe Projekte zum Erfolg
zu führen. Die öffentliche Debatte wird lei-
der immer noch dominiert von „bisherige
Planung ist eine Katastrophe”-Darstellern
und den „Eingestehen von Fehlern“-An-
prangerern. Dabei ist genau dies der eigent-
liche Fehler. Peter Kersting, Freising

Außenäste und Südring ausbauen


Man muss das S-Bahnsystem insgesamt
betrachten und nicht isoliert nur die zwei-
te Stammstrecke. Dann wird man schnell
feststellen, dass der teure Bau der zweiten
Stammstrecke nahezu nichts bringt. Wenn
die eingleisigen Strecken der S-Bahn nicht
zweigleisig ausgebaut werden, wenn alle
S-Bahnlinien nicht endlich von der Fern-
bahntrasse getrennt fahren können, wird
auch nach Fertigstellung der zweiten
Stammstrecke keine dichtere Taktung als
heute möglich sein. Und damit fährt die
S-Bahn endgültig aufs Abstellgleis. Das ist
die Realität. Alles andere ist Schönfärberei.

Gerade deshalb sollte man überlegen, ob
es nicht sinnvoll wäre, die Außenäste der
S-Bahn jetzt auszubauen und den Südring
jetzt S-Bahn-tauglich zu machen. Das wä-
re finanzierbar, und der längst überfällige,
dringend benötigte Zehn-Minuten-Takt
wäre auf allen Linien in zehn Jahren mög-
lich. Dafür sollte man vielleicht doch alles
auf Null stellen. Hans Lüdorf, Kirchheim

Mut zum Ringschluss


Planerirrtum zu Bürgers Gunsten! Die neu-
en Vorschläge für den veränderten S-Bahn-
Halt am Ostbahnhof klingen gut. Sie brin-
gen endlich auch aus städtebaulicher Sicht
eine hocherfreuliche Verbesserung der An-
bindung des Werksviertels mit dem neuen
Konzerthaus (Pfanni-Philharmonie), die
für etliche Besucherinnen und Besucher
den langen, in jedem Fall gefühlt unange-
nehmen Tunnel vermeiden hilft. Ein unter-
irdischer „Brückenschlag“ sozusagen mit
der zweiten Stammstrecke. Das ist zweifel-

los gut, ändert aber leider nichts daran,
dass wegen der Immer-Mehr-Kosten der
zweiten Stammstrecke ein sinnvoller Aus-
bau des Südringes (für den ja schon eigene
S-Bahn-Geleise auf der Theresienhöhe un-
terirdisch gebaut wurden) nach wie vor ir-
gendwann ganz spät und vielleicht ange-
dacht wird. Demgegenüber erscheint der
Nordring (als immerhin überraschend klei-
ner Lichtblick noch vor dem Ende des Tun-
nels der zweiten Stammstrecke) von Karls-
feld bis BMW wohl fast schon realistisch.
Warum aber fehlt wieder einmal wie in
München wohl leider immer üblich der
Mut, im Norden über eine halbherzige Vier-
tel-Lösung hinaus nicht nur den Ring-
schluss weiter zu denken – sondern ihn
auch komplett zu planen und umzusetzen?
Das Wachstum in München passiert jetzt!
Man redete Jahrzehnte lang, jetzt sollte
endlich mal Handeln angesagt sein. Wenn
man den Ostbahnhof optimieren kann,
schafft man doch auch den Nordring,
oder?! Frank Becker-Nickels, München

WEITERE BRIEFE


TIERQUÄLEREI-SKANDAL

Unerträgliche


Ausbeutung


→Nicht der Präsident John
F. Kennedy, sondern sein Bru-
der Robert F. Kennedy wurde
auf einem Foto betrauert, das
im Beitrag „Ein Stern geht auf“ (7. August)
gezeigt, aber falsch betextet wurde. Jackie
Kennedy war auf demselben Bild demnach
auch nicht als trauernde Witwe, sondern
als trauernde Schwägerin zu sehen.


→ In „Königlich-bayerischer Wappen-
streit“ (7. August) stand, im Vorspann der
Fernsehserie „Königlich Bayerisches Amts-
gericht“ werde Ludwig III. erwähnt. Tat-
sächlich spielt die Serie jedoch in der Zeit
der Regentschaft des Prinzregenten Luit-
pold, und der ist es auch, der entsprechend
Erwähnung fand.


„CSU gegen Obergrenze für Flächenfraß“
vom 15. Juli:

Dass es ein Problem mit dem Flächenver-
brauch in Bayern gibt, scheint unbestrit-
ten. Uwe Brandls politische Antwort dar-
auf ist die populistische Lüge, die Grünen
wollten „die ganze Welt retten (...), indem
man alle Menschen nach Deutschland
einlädt und die Grenzen aufmacht“.
Zum einen ist das ja ganz offensichtlich

falsch, und zum anderen gäbe es ohne
Flüchtlinge trotzdem eine zu hohe Zunah-
me an Flächenversiegelung. Ist das die
Politik, mit der die CSU drängende Proble-
me angeht? Wenn dann ausgerechnet die
Landtags-CSU den Grünen Populismus
vorwirft, kann ich nur hoffen, dass in
geheimen Hinterzimmern doch noch
jemand in der CSU nach Lösungen sucht.
Sehr vertrauenserweckend wirkt das
nicht.Susanne Heunisch, Rosenheim

ZWEITE S-BAHN-STAMMSTRECKE MÜNCHEN


Planerirrtum zu Bürgers Gunsten


Große Baustelle, große Diskussion: Am Münchner Marienhof wird bereits für die zweite S-Bahn-Stammstrecke gegraben. FOTO: STEPHANRUMPF

KORREKTUREN


KRATZERS WORTSCHATZ


Die süßen Früchte


der Politik


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R4 PEB FORUM & LESERBRIEFE Freitag,9. August 2019, Nr. 183 DEFGH


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