Die Zeit - 15.08.2019

(Tuis.) #1

ENTDECKEN


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Jetzt mal ehrlich: Was wir wirklich lesen, hören, tun.
Diese Woche: Svenja Beller, Autorin von Z

Schweinevideos

Nein, nicht das, was Sie denken. Alle,
die darauf gehofft haben, dass hier end-
lich mal jemand seine Pornovorlieben
offenlegt, muss ich enttäuschen. Denn
die Schweinevideos, die ich schaue, sind
nur insofern versaut, als in ihnen tat-
sächlich eine Sau zu sehen ist. Und zwar
meine Freundin Esther.
Esther ist ein ungefähr 270 Kilo-
gramm schweres Hausschwein aus der
Nähe von Toronto, Kanada. Obwohl
wir uns noch nie getroffen haben, weiß
ich alles über sie. Esther ist eine meiner
Face book- Freun din nen, und zwar eine
von denen, die keine Angst haben, Per-
sönliches preiszugeben. Privatsphäre?
Ist ihr egal. Mehrmals täglich postet sie
Fotos und Videos aus ihrem Alltag, und
ich schaue ihr begierig dabei zu.
Sie lässt mich an ihrem ganzen Le-
ben teilhaben, in dem zugegebener-
maßen nicht allzu viel passiert, was sie
aber nicht davon abhält, das, was pas-
siert, ausführlich zu kommentieren. Ein
Foto von Esther beim Essen, dazu der
Text »Manchmal reicht ein Frühstück
einfach nicht, also gehe ich zurück in
die Küche, um angemessene Portionen
einzuklagen«, ein Video von Esther
beim Herumlaufen, bekleidet mit einem
bunt bedruckten Umhang – »Ich habe
einen abendlichen Verdauungsspazier-
gang gemacht, um den Sonnenunter-
gang zu sehen und damit mein Vater
Zeit hat, meinen Nachtisch und das
Bett herzurichten« –, ein Bild von Es-
ther vor dem geöffneten Kühlschrank,
dazu der Kommentar »Ich sollte das
letzte Stück Pizza auch noch essen,
sonst fühlt es sich einsam da drin«.
Ich könnte Stunden damit zubrin-
gen, durch ihre Time line zu scrollen.
Sie ist mein fernes Haustier, ein eigenes
werde ich auf absehbare Zeit nicht be-
sitzen, weil ich mich ja nicht mal an-
ständig um meine Zimmerpflanzen
kümmern kann.
Das finden Sie befremdlich? Nun,
ich bin mit meiner Schweinefreund-
schaft in breiter Gesellschaft. Neben mir
hat Esther nämlich mehr als 1,4 Millio-
nen weitere Freunde. Den Account be-
treiben Steve, ein Immobilienmakler,
und Derek, ein Magier, ein schwules
Paar, das anfangs dachte, mit Esther ein


Minischwein adoptiert zu haben. Als
dieses dann aber zu groß für ihre Woh-
nung wurde, starteten Steve und Derek
eine Crowdfunding-Kampagne, um mit
Esther aufs Land ziehen zu können.
Und weil sie die Niedlichkeit ihres
Schweins sehr erfolgreich auszuschlach-
ten wussten (Verzeihung für diese Wort-
wahl, liebe Esther), wohnt es mit ihren
beiden »daddies«, Hund Phil und Trut-
hahn Corno (die als Side kicks auch gele-
gentlich in den Videos auftauchen) nun
auf der Happily Ever Esther Farm – al-
lerdings nicht im Stall, sondern zwi-
schen bunten Decken und Kissen im
Wohnhaus.
In ihren Fotos und Videos führt mir
Esther ein saumäßig glückliches Leben
vor, in dessen saumäßiger Einfachheit
ich mich genüsslich suhle: essen, schla-
fen, immer mehr davon, und keine
Angst vor peinlichen Klamotten. Esther
ist ein massiges Stück gelebte Utopie –
sowohl für mich als auch für all die
Schweine, für die das Leben leider aus
Massenställen, Quälerei und einem zu
frühen Tod besteht. Auch wenn sie da-
bei womöglich eher meinen als ihren
Traum lebt. Denn natürlich sind es
naive Tierliebhaber wie ich, die ihr un-
terstellen, zwischen Donuts und Ku-
scheldecken glücklicher zu sein als in
einem Schlammloch.
Ob glücklich oder nicht, Esther ist
ein Weltstar: Von ihr gibt es mittler-
weile drei New York Times- Bests eller-
Bücher, die ihre Geschichte nacherzäh-
len; ein Kochbuch und ein Film sind in
Arbeit. Dieser ganze Rummel ist mir
aber zu viel, ich schätze Esther für ihre
unprätentiösen Aufheiterungen aus ih-
rem Alltag.
Gerade hat sie übrigens einen neuen
Teich bekommen, auf einem Foto steht
sie augenscheinlich fröhlich darin, dazu
die Bildunterschrift »Don’t go chasing
waterfalls ...«, etwas platt übersetzt:
Freu dich an dem, was du hast. Und ich
freue mich ganz ehrlich und wünschte,
jedes Schwein könnte es so gut haben
wie Esther. Ein Kommentar unter
einem ihrer Beiträge, in dem sie doku-
mentiert, wie sie nachts auf Klo geht,
sprach mir aus dem Herzen: »Ich kann
nicht glauben, dass ich einem Schwein
beim Pinkeln zusehe.«
Ich auch nicht.

Das gehört nicht ins


Feuilleton


E


s heißt nicht Breuch, sondern
Brooch, Korschenbrooch,
und damit herzlich willkom-
men am Niederrhein. Der
Bahnhof der 33.000-Ein-
wohner-Gemeinde Korschen-
broich ist bloß eine Sta tion
der S-Bahn-Linie 8, sechs Minuten bevor der
Zug in Mönchengladbach endet. Wenn nicht
gerade Unges Pengste oder City-Lauf ist,
steigen hier meist nur Pendler aus. Oder Sie.
Losmarschiert in Richtung Hindenburg-
straße, vorbei an der Seniorenresidenz. Die hat
man vor vier Jahren gleich neben die vorbei-
donnernden Züge gesetzt – offenbar dachte
man, die Insassen hörten sie eh nicht.
An Massagestudio und Optiker vorbei, die
Hindenburg hinunter. Vor der Sparkasse
stoßen Sie auf den »K-Läufer«. Die Skulptur,
tatsächlich ein K-förmiger Läufer, ist das
Maskottchen des City-Laufs, auf den man sehr
stolz ist. Jedes Frühjahr rennen hier ein paar
Tausend Leute viele Runden im Kreis.
Die Straße führt weiter ins Zentrum, zu
erkennen an Kirchturm und Kopfsteinpflaster.
Sie aber biegen nach rechts in die schmale
Hannengasse, dann sehen Sie auch schon
Corry’s Fisch ecke. In dem weiß gefliesten
Thekenraum baumeln große Plastikfische von
der Decke. Sie sind hoffentlich früh genug
dran. Denn Corry, also Cornelia, verkauft hier
nicht nur frische Fische. Bis eine halbe Stunde
vor Ladenschluss tunkt sie auch Filets in Teig
und wirft sie in die Fritteuse. Corrys Backfisch
ist sehr beliebt in der Stadt. Gönnen Sie sich
einen; dann wissen Sie, warum.

Gut gestärkt? Folgen Sie der Regel: Fisch
will schwimmen. Lassen Sie die Hannen-
gasse am Hannen-Center hinter sich und
überqueren Sie den Hannenplatz. An Haus-
nummer 4 kommt zusammen, was Kor-
schenbroich ausmacht: Schützenfest und
Altbier. Schauen Sie über den Eingang des
frei stehenden Hauses mit den jägergrünen
Fensterläden. Dort prangt ein Schild, »Han-
nen Stammhaus Anno 1716«.
Über viele Jahre wurde hier das Bier ge-
braut, das einmal zu den beliebtesten der
Bundesrepublik gehörte: Hannen Alt. Bis
1975 brauten sie im Ortskern Obergäriges,
dann war Hannen zu groß und Korschen-
broich zu klein, die Brauerei bezog eine
größere Anlage in der Nähe. Vielleicht war
das der Anfang vom Ende. Heute jedenfalls
trinkt auch am Niederrhein kaum noch je-
mand Hannen Alt.
Deswegen rate ich Ihnen zum Bolten
Alt, das gibt es schräg gegenüber vom
Hannenplatz, im Brauhaus zum goldenen
Handwerk. Noch ist Bolten Alt eine lokale
Spezialität, gebraut im Ortsteil Neersbroich.
Aber wenn es auch mal groß rauskommt,
können Sie sagen, Sie kennen es schon.
Im alten Hannenhaus wohnt inzwischen
der Bezirksbundesmeister der Schützenbruder-
schaften. Im Rheinland erhebt einen das fast
schon in den Adelsstand, erst recht in Kor-
schenbroich, wo eines der größten Pfingst-
schützenfeste gefeiert wird. Manche der etwa
tausend Schützen reisten zuletzt sogar aus
Kamerun, Argentinien und Australien an,
Tradition verpflichtet. Und so heißt es im

Korschenbroicher Pfingstlied: »Vom hohen
Turm es beiert, Unges Pengste wird gefeiert.«
Schon seit Jahrhunderten kümmern sich dann
die Beiermänner ums Beiern, wie das Schlagen
der Kirchenglocken heißt. Die Melodie soll
der Umgebung vom Schützenfest künden –
nicht dass es noch jemand vergisst! Unges
Pengste bedeutet übrigens nichts anderes als
»Unser Pfingsten«.
Blöd nur, dass Pfingsten lange vorbei ist
und der City-Lauf erst recht. Aber ein biss-
chen was kann Korschenbroich Ihnen auch
jetzt noch bieten: den Vorort Liedberg. Am
besten, Sie nehmen sich ein Taxi, es sind
nur zehn Minuten.
Lassen Sie sich an der Liedberger Kirche
absetzen. Von dort führt die Schloßstraße den
namensgebenden Hügel hinauf, der im nieder-
rheinischen Felderflachland zum Berg wurde
und heute unter Naturschutz steht. Spazieren
Sie die Kopfsteingasse entlang, vorbei an wei-
ßen Fachwerkfassaden, und biegen Sie noch
vor der Kapelle rechts ab, weiter bis auf den
kleinen Marktplatz. Über Ihnen thront das
Schloss, erbaut aus dem Liedberger Sandstein,
auf dem Sie nun stehen. Den haben seinerzeit
schon die Römer abgebaut.
Die Mühlengasse hinauf sehen Sie den
Mühlenturm, den Bergfried der ersten
Burg, die einst auf dem Hügel stand. Er-
klimmen Sie ihn, am Wochenende ist er für
alle offen. Genießen Sie den Ausblick über
Liedberg, die Felder und die ganze Stadt. Im
ältesten Teil Korschenbroichs waren sie alle
schon: Neandertaler, Römer und Ritter.
Echte Schützen eben.

Da wollten Sie nie hin? Jetzt sind Sie nun mal da. CHRISTOPHER BONNEN nimmt Sie zwei Stunden
lang an die Hand. Sie entdecken: Beiern am Niederrhein

Altbierbrauerei
Bolten
Die älteste aller
Altbierbrauereien
bietet Besichtigungen
an. Gegenüber im
Biergarten kann dann
verkostet werden.
Tipp: Das Ur-Alt.
Rheydter Straße 138

Taverne Nefeli
In einem alten Fach-
werkhaus bietet das
Restaurant gehobene
griechische Küche. Der
Kern des denkmal-
geschützten Gebäudes
steht seit 1583.
Steinstraße 25

Illustration: Monja Gentschow für DIE ZEIT; kl. Foto: Privat

Svenja Beller mag auch Bücher von Ilja Trojanow, zeitgenössischen Tanz,
Felsklettern und die Musik von Nils Frahm

2

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