Die Zeit - 15.08.2019

(Tuis.) #1

ENTDECKEN


E


s passierte am Aschermittwoch vor
drei Jahren, ich war damals Chef der
Notaufnahme. Seit einiger Zeit läuft
fast alles digital ab im Lukaskranken­
haus in Neuss. Gegen neun Uhr
kam ein Kollege aus der IT zu mir und sagte,
wir hätten ein Virus im Netzwerk. Wir müssten
alle Rechner sofort abschalten, um unsere Da­
ten zu retten. Da war mir noch nicht klar, dass
wir für drei Wochen 20 Jahre in der Zeit zurück­
reisen würden.
Als die Computer abgeschaltet waren, habe
ich mit der Rettungsleitstelle abgesprochen,
schwere Unfälle oder Herzinfarkte nicht mehr zu
uns zu bringen. Hereinlaufende Patienten wollte
ich mir zumindest ansehen. Denn wir sind das
größte Krankenhaus in Neuss. Wir konnten
nicht einfach schließen.
Also haben meine Kollegen und ich alte For­
mulare wieder herausgekramt und mit Stift und
Papier die Patienten aufgenommen. Wir haben
die Anamnese per Hand notiert und die Leute
mit diesem Zettel auf die Stationen geschickt.
Dort konnten die Kollegen sie zwar untersuchen,
aber jeder Blutwert musste einzeln aufgeschrie­
ben und jedes Röntgenbild einzeln zugeordnet
werden. Dann haben wir uns gegenseitig angeru­
fen, um Werte zu übermitteln, oder wir haben
Boten durchs Haus geschickt. Manchmal musste
ich in der Notaufnahme drei oder vier Stunden
auf Befunde warten.
Wer seinen Rechner an diesem Morgen ein­
schaltete, sah einen blauen Bildschirm. Auf Eng­
lisch stand dort ein Hinweis: Die Dateien seien
verschlüsselt, und man solle zu einer Mail­
Adresse Kontakt aufnehmen. Das haben wir
nicht getan, sondern die Behörden verständigt,
das LKA hat später einige Rechner mitgenom­
men, was unsere normalen Abläufe weiter ver­
zögerte. Aber es musste zunächst einmal die
Schad soft ware identifiziert werden, um unser
System reparieren zu können.
Weil auch die Essensbestellungen der Pa­
tienten per Hand notiert wurden, bekam der
ein oder andere das falsche Gericht. Die Beleg­
schaft wurde mithilfe von Flugblättern und
Aushängen über Neuigkeiten informiert. Wir
schrieben uns auch wieder auf Papier in die
Schichtpläne ein.
Wenn alles händisch abläuft, kann es zu Ver­
wechslungen von Patienten kommen. Kollegen
aus der Branche mögen uns dafür kritisiert ha­
ben, aber wir gehen bis heute offen mit unserer
Praxis rund um den Hackerangriff um. Bei uns
wurde niemand verwechselt. Und es sind auch
keine Daten in falsche Hände geraten.


... wen n dei n


Krankenhaus


gehackt wird


WIE ES WIRKLICH IST

Dr. Klaus Reinartz, 64,
ehemaliger Chefarzt der
Notaufnahme im Lukaskrankenhaus
in Neuss

Das selige Lächeln meiner jüngsten Tochter,
wenn ich morgens um kurz vor elf vorsichtig in
ihr Zimmer schaue und sie gerade erst erwacht
ist. So müssen sich Sommerferien anfühlen!
Lars Janzen, Wistedt, Niedersachsen

Wir machen mit unserem vierjährigen Sohn
zum ersten Mal da Urlaub, wo ich ursprüng­
lich herkomme: auf Korsika. Eines Morgens
laufen wir durch das schattige Pinienwäldchen
zu meiner Lieblingsbucht, als er unvermittelt
ruft: »Papa, diese Heimat riecht viel besser als
unsere andere!«
Raoul Paysan, Berlin

Eine Woche in Hamburg verbringen – und
sehr viele Franzbrötchen essen.
Levin Kubeth, Lindau

An einem heißen Tag beim Wandern in den
Bergen zu zweit unter einem Wasserfall stehen.
Karl Brunner, Klagenfurt, Österreich

Mein Sohn macht – mit Familie – eine elf­
wöchige Norwegen­Tour. Nach sieben Wochen
schrieb er mir nun Folgendes von meinem
Enkel (fünf Jahre): »Hanno hört auf dem Disc­
man die Klassik­CDs, die du ihm geschenkt
hast, nimmt plötzlich die Kopfhörer ab und
meint: ›Ich habe keine Lust mehr aufs Wohn­
mobil. Mein Herz sagt mir: Ich möchte wieder
nach Hause.‹«
Friederike Heup, Bielefeld

Wochenlang zeigte das Gerät schlechte Luft­
werte an, die Geschäftshäuser der Umgebung
waren im Dunst kaum auszumachen. Wir wag­
ten es nicht, mit dem zwei Monate alten Säug­
ling nach draußen zu gehen.
Heute Morgen aber wölbt sich ein strahlend
blauer Himmel über Peking, und hier im


  1. Stock kann ich in der Ferne sogar Berge
    erahnen. Ja, die Luft ist sauber! Ich schnappe
    mir den Kinderwagen und mache den ersten
    Spaziergang mit meiner Enkeltochter, gerade
    noch rechtzeitig vor meiner Abreise!
    Annette Grandke, Möhrendorf, Bayern


Am Hafen im Café neben den Kreuzfahrtschif­
fen zu sitzen und den staunenden Touristen zu
erzählen, wie schön Kiel ist: mit seinen klaren
Badeseen, seinen Sandstränden und den
schnellen Segeljachten auf der Förde!
Gabriele Wilms, Kiel

Raststätte Brohltal Ost. Stehe nach längerer
Fahrt gedankenverloren zwischen den Regalen,
als in voller Montur einer dieser freundlichen
Riesen von der Autobahnmeisterei auf mich
zukommt.
»Oh, dann gehe ich doch mal besser zur Seite«,
sage ich so vor mich hin. Darauf er mit tiefer
Stimme: »Das tut nur kurz weh.«
Thomas Torkler, Aachen

Freitagabends auf dem Weg zu meinem Liebs­
ten über Land statt über die Autobahn zu fah­
ren und unterwegs einen Feld­und­Wiesen­
Strauß zu pflücken.
Kathrin Riemer, Merseburg

Die wenigen Minuten in der sommerlichen
Dämmerung, wenn noch Schwalben (laut)
und schon Fledermäuse (lautlos) über dem
Garten fliegen.
Rainer Hofmann, Schwabenheim an der Selz,
Rheinland­Pfalz

In der Abendsonne vor dem Klinikum. Ich winke
einer Palliativpatientin zum Abschied zu.
Sie: Haben Sie ein freies Wochenende?
Ich: Ja.
Sie: Dann halte ich bis Montag durch!
Katharina Malter, Essen

Leben


Wa s mein


reicher macht


(Folge 166)


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Redaktion DIE ZEIT, »Z­Leserseite«, 20079 Hamburg

Aufgezeichnet von Benedict Wermter

Vorher / Nachher: Beeren – Wein


Die Herausforderung in diesen heißen Tagen war es, die Johannisbeersträucher
abzuernten. Das ging nur morgens, bevor die Sonne allzu unbarmherzig brannte.
Nun nähren sich die Hefezellen unermüdlich am Zucker und produzieren
köstlichen Johannisbeerwein. Weihnachten werden sich meine Nichten daran
erfreuen – wie alle Jahre wieder.
Johann Wolferstetter, Herborn, Hessen

ZEITSPRUNG

Chopin ist ein gutes Jahr alt und lebt in Tokio. Er liebt Bauchmassagen und nächtliche Spaziergänge. Fotografiert von Shota Tsukamoto

Du siehst aus, wie ich mich fühle


MEIN WORTSCHATZ

»Vertunisfehler«


Als ich – vor Jahrzehnten – in
Wuppertal in die Volksschule

ging, pflegte unsere Lehrerin
Flüchtigkeitsfehler, die

uns beim Schreiben unterliefen,
Vertunisfehler zu nennen.

Die wogen ihrer Ansicht nach
nicht so schwer wie andere.

Bei der Beurteilung von Diktaten
ließ sie sie daher einfach

unberücksichtigt. Und wenn es
mal zu laut in der Klasse wurde,

dann legte sie den Zeigefinger vor

den Mund und forderte uns auf:
Schlösschen vorn Mund. Dann

war wieder Ruhe.

Christoph Müller-Luckwald,
Illustration: Eva Revolver für DIE ZEITBingen, Rheinland­Pfalz

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