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12.08.19 Montag, 12. August 2019DWBE-HP
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4 POLITIK *DIE WELT MONTAG,12.AUGUST
D
er SPD-Politiker Alexan-
der Ahrens regiert seit
2 015 die AfD-Hochburg
Bautzen. Er hat dort Aus-
einandersetzungen mit
Rechtsradikalen erlebt, Streit mit
Flüchtlingshelfern und Ärger mit kri-
minellen Migranten. 2016 stand die
Stadt wochenlang im Fokus der Öffent-
lichkeit, als ein rechter Mob Asylbewer-
ber durch die Straßen jagte. Nun hat
AAAhrens angekündigt, mit der Flensbur-hrens angekündigt, mit der Flensbur-
ger Oberbürgermeisterin Simone Lan-
ge für den SPD-Vorsitz zu kandidieren.
VON RICARDA BREYTON
WELT:Herr Ahrens, bei der vergange-
nen Stadtratswahl in Bautzen kam die
SPD auf 6,2, die AfD auf 23,2 Prozent.
WWWarum glauben Sie, dass Sie der Rich-arum glauben Sie, dass Sie der Rich-
tige sind, um die SPD aus der Krise zu
ffführen?ühren?
ALEXANDER AHRENS: Die 6,2 Prozent
sind das Ergebnis der Partei, und es
schmerzt mich, dabei zusehen zu müs-
sen. Deshalb trete ich an, denn als
Oberbürgermeister habe ich schon ein-
mal zeigen können, dass man auch ge-
gen den Trend Wahlen gewinnen kann.
Ich habe übrigens zeitgleich mit der
Stadtratswahl für den Kreistag kandi-
diert und wurde mit einem sehr über-
zeugenden Ergebnis gewählt. Die Leute
unterscheiden sehr stark zwischen Per-
sonen und Parteien. Ich wurde wohl
wegen meiner Politik der vergangenen
Jahre gewählt, nicht wegen der Partei.
Warum wollen Sie Vorsitzender einer
Partei werden, die kaum noch Rück-
halt in der Bevölkerung hat?
Ich will die Wähler für die SPD zurück-
gewinnen. Simone Lange und ich sind
der Überzeugung, dass die allermeisten
Menschen in Deutschland sozialdemo-
kratisch denken, aber in der jetzigen
SPD niemanden erkennen können, der
ihre Interessen vertritt. Wir kommen
beide von der kommunalen Ebene und
haben fast täglich damit zu tun, was die
Menschen um- und antreibt. Es ist
nicht unbedingt das, was in Berlin
wahrgenommen wird.
In Ihrer Stadt scheint die Menschen
vor allem die Migrationspolitik um-
zutreiben. Es gab in den vergangenen
Jahren Ausschreitungen gegen
Flüchtlinge, viele Solidaritätsbekun-
dungen, aber auch Probleme mit kri-
minellen Migranten. War es ein Feh-
ler der SPD, nicht ausreichend auf die
Probleme in den Kommunen einge-
gangen zu sein?
Die SPD hat von Anfang an erklärt, dass
sie sich gegen Rechtsextremisten stellt
und keine Politik gegen Migranten und
Flüchtlinge macht. Das ist absolut rich-
tig. Niemand macht sich leichtfertig auf
den Weg, viele fliehen vor Krieg und
Terror. Die Frage, die die SPD nicht be-
antwortet hat, ist: Wie regelt sie Migra-
tion so, dass auch die Mehrheitsbevöl-
kerung davon profitiert? Viele Men-
schen in Ostdeutschland haben das Ge-
fffühl, dass das Geld, das sie sich nachühl, dass das Geld, das sie sich nach
der Wende mühsam erarbeitet haben,
gerade mit vollen Händen an andere
verteilt wird. Sie sehen in der Flücht-
lingspolitik keine Perspektive. Dieser
Unmut bricht sich dann auf zum Teil
sehr unerfreuliche Weise Bahn.
Welche Impulse würden Sie als SPD-
Chef geben?
Die meisten Menschen verstehen die
europäische Flüchtlingspolitik nicht.
Ich auch nicht. Warum sollen nach den
Dublin-Regeln ausschließlich die Erst-
aufnahmeländer in Europa für die Be-
treuung der Flüchtlinge verantwortlich
sein? Dass das zu Verwerfungen führt,
ist ja klar – denn betroffen sind immer
nur wenige Staaten. Statt auf eine Re-
ffform des Dublin-Systems zu hoffen,orm des Dublin-Systems zu hoffen,
sollte man endlich einen Verteilungs-
mechanismus etablieren. Um die Wirt-
schaftsmigration zu regeln, brauchen
wir ein echtes Einwanderungsgesetz.
Wir müssen auch mit Blick auf unsere
Bevölkerung ganz klar definieren, wer
unter welchen Bedingungen hier einrei-
sen darf und wer nicht.
Die SPD hat das Fachkräfteeinwande-
rungsgesetz mitentwickelt, das jüngst
beschlossen wurde. Das reicht Ihnen
nicht?
Nein. Der Name sagt ja bereits, dass es
nur um Fachkräfte geht. Es machen sich
aaaber viele Menschen auf den Weg, dieber viele Menschen auf den Weg, die
keine Fachkräfte sind und trotzdem hier
unterkommen wollen. Für die braucht
es Regeln: Wer darf kommen, unter wel-
chen Umständen und für wie lange? Die
USA haben mit einem Einwanderungs-
gesetz gute Erfahrungen gemacht und
auch Kanada und Australien. Sie profi-
tieren in den allermeisten Fällen von ei-
ner gesteuerten Migration. Ich glaube,
dass auch in Deutschland die Akzeptanz
fffür Migration steigen würde, wenn derür Migration steigen würde, wenn der
Kriterien deutlicher definiert wären.
Haben Sie Verständnis für SPD-In-
nenminister, die die Abschiebung von
abgelehnten Asylbewerbern nicht
durchsetzen?
Ich habe Verständnis dafür, wenn die Si-
cherheitslage im Herkunftsland keine
AAAbschiebung zulässt. Abschiebungenbschiebung zulässt. Abschiebungen
nach Afghanistan sehe ich auch kritisch.
Es muss allerdings klar sein, dass Asylbe-
werber, die hier einschlägig straffällig
wwwurden, mit Konsequenzen rechnenurden, mit Konsequenzen rechnen
müssen. Ich habe schon zwei Mal einen
straffällig gewordenen Asylbewerber für
ein paar Monate der Stadt verwiesen.
Das sächsische Polizei- und Ordnungs-
recht gibt uns die Möglichkeit dazu. Die-
ser Asylbewerber hatte 23 Ermittlungs-
verfahren und stellte nach unserer Ana-
lllyse eine Gefahr für andere dar. Sie glau-yse eine Gefahr für andere dar. Sie glau-
ben gar nicht, wie schwer das für die
Flüchtlingshelfer war. Die Lage war nach
der Ausweisung aber sofort entspannter.
Trotzdem ist auch die Bevölkerung in
Bautzen noch immer gespalten. Wel-
chen Kurs kann die SPD einschlagen,
um die Stimmung in der Gesellschaft
insgesamt zu befrieden?
Wir müssen den Mut haben, über unbe-
queme Aspekte der Migration zu reden.
Es reicht nicht aus, Migration als per se
begrüßenswert zu bezeichnen, wenn die
Leute vor Ort damit hadern. Wir müs-
sen die Menschen zusammenbringen
und für Verständigung sorgen. Wir
müssen uns mit den Menschen ausei-
nandersetzen, die AfD wählen, und uns
immer wieder fragen, wieso sie das tun.
Mit dem moralischen Zeigefinger auf
sie zu zeigen ist aber gerade der falsche
Weg. Es ist unseriös, alle AfD-Wähler als
Nazis zu bezeichnen. Es sind auch nicht
alles Rassisten – auch wenn ich nicht
bestreite, dass es Alltagsrassismus gibt.
WWWelchen Alltagsrassismus meinen Sie?elchen Alltagsrassismus meinen Sie?
Viele Leute sagen noch immer Fidschis,
wenn sie Asiaten meinen. Die machen
sich einfach keine Gedanken, dass es be-
leidigend ist, wenn nicht unterschieden
wird, woher sie kommen. Man muss den
Leuten sachlich sagen, was die Folgen
sein können. Ich sage immer: „Es kann
passieren, dass Sie von einem tatsächli-
chen Nazi als Bruder im Geiste betrach-
tet werden, wenn Sie sich so ausdrü-
cken.“ Meine Erfahrung zeigt: Die meis-
ten Leute möchten das nicht.
Wie sollte die SPD mit AfD-Wählern
umgehen?
WWWenn sich jemand als AfD-Wähler ou-enn sich jemand als AfD-Wähler ou-
tet, frage ich: „Wenn Björn Höcke eine
erinnerungspolitische Wende um 180
Grad fordert, was heißt das dann? Heißt
das, dass wir demnächst Denkmäler für
KZ-Kommandanten aufstellen?“ Die
Antwort ist dann immer: „Nein, so hat
der Höcke das gar nicht gemeint.“ Ich
sage dann: „Woher wissen Sie, dass er
das nicht so meint? Er lässt absichtlich
Raum für Interpretation, um alle mögli-
chen Leute anzuziehen, darunter Na-
zis.“ Viele finden zwar Höcke toll, aber
nicht, dass das auch die Nazis tun.
Richtig aufzugehen scheint Ihre Stra-
tegie nicht, sonst wäre die AfD bei den
Wahlen nicht so erfolgreich.
Die Gründe, warum die Menschen AfD
wählen, sind extrem komplex. Wirt-
schaftliche spielen dabei nur eine unter-
geordnete Rolle. Viele Ostdeutsche ha-
ben nach wie vor das Gefühl, Menschen
zweiter Klasse zu sein. Sie haben den
Eindruck, dass ihre Lebensleistung
nichts wert ist. Die AfD bedient dieses
Gefühl sehr gut, auch wenn sie keine Lö-
sungen bietet. Im Gegenteil, die AfD
schürt Populismus, Ausgrenzung und
Rassismus, und das müssen wir den
Menschen immer und immer wieder
klarmachen.
WWWelche Lösungen sollte die SPD bieten?elche Lösungen sollte die SPD bieten?
Wir müssen deutlich machen, dass wir
die Lebensleistung der Menschen in
den ostdeutschen Bundesländern ernst
nehmen und endlich anerkennen. Die
Einführung der bedingungslosen
Grundrente ist hier ein wichtiger
Schritt. Sie würde ihre Wirkung insbe-
sondere in der östlichen Hälfte
Deutschlands entfalten, wo viele Men-
schen von einer sehr schmalen Rente le-
ben. Die SPD muss zudem für die Aus-
wirkungen von Hartz IV um Verzeihung
bitten.
Warum sollte sie um Verzeihung bit-
ten für ein Instrument, das Deutsch-
lands Wirtschaft in einer Krisensitua-
tion wieder in Schwung gebracht hat?
Ich weiß sehr wohl, dass die Hartz-IV-
Reformen dem Land wirtschaftlich ge-
holfen haben. Nur: Wenn Sie in Ihrer
täglichen Arbeit sehen, wie die Men-
schen den Alltag von Hartz IV erleben
und welche Entwürdigungserfahrungen
sie damit verknüpfen, dann weiß man,
dass man an das Thema ranmuss und
eine Lösung finden muss, die den Men-
schen die Würde zurückgibt.
Der SPD-Parteivorstand hat bereits
die Abschaffung von Hartz IV be-
schlossen. Es soll durch ein Bürger-
geld ersetzt werden. Insgesamt sind
weniger Sanktionen vorgesehen und
weniger Druck. Geht Ihnen das nicht
weit genug?
Wir wollen eine grundsätzliche Diskus-
sion über die würdevolle Unterstüt-
zung von Bedürftigen führen, die nicht
erniedrigt, sondern aktiviert. Finnland
hat unheimlich positive Erfahrungen
mit Experimenten zum Grundeinkom-
men gemacht. Ich finde, dass wir diese
Debatte auch in Deutschland endlich
ideologiefrei führen sollten.
Haben Sie nicht Sorge, dass Sie mit
derlei Überlegungen den hart arbei-
Haben Sie nicht Sorge, dass Sie mit
derlei Überlegungen den hart arbei-
Haben Sie nicht Sorge, dass Sie mit
tenden Teil Ihrer Wählerschaft ver-
schrecken? Die ehemalige SPD-Vor-
sitzende Andrea Nahles hat ein
Grundeinkommen stets abgelehnt
mit dem Hinweis, dass die SPD nicht
für „bezahltes Nichtstun“ stehe.
Wir sind und bleiben eine Partei der Ar-
beit, Grundeinkommen hat nichts mit
„bezahltem Nichtstun“ zu tun. Wir wol-
len über ein Grundeinkommen disku-
tieren, das absichert und viel Freiheit
für Selbstbestimmung gibt. Gleichzeitig
werden wir deutlich machen, dass Ar-
beitsleistung honoriert wird. Pflege-
kräfte, Feuerwehrmänner, Kranken-
schwestern sind diejenigen, die unser
Gesellschaftssystem am Laufen halten.
Sie müssen wissen: Der Staat will das,
der Staat braucht das, der Staat fördert
das. Es ist mir unerklärlich, dass einige
Auszubildende in der Pflegebranche bis
vor Kurzem keine Ausbildungsvergü-
tung erhielten. Da hätte die SPD schon
viel früher ranmüssen.
Ihre Co-Kandidatin Simone Lange ist
als Vertreterin des linken Parteiflü-
gels bekannt. Würde die SPD linker,
wenn Sie beide sie führten?
Ich werbe für eine Mitte-links-Partei mit
Betonung auf der Mitte. Ich bin in einer
Zeit groß geworden, in der Helmut
Schmidt Kanzler war. Viele Errungen-
schaften, die damals als links galten, sind
heute etabliert, zum Beispiel das BAföG.
Ich glaube, dass eine Mitte-links-Politik
möglich ist, die auch bürgerliche Wähler
nicht vor den Kopf stößt.
„Dann bricht sich
dieser Unmut Bahn“
Alexander Ahrens will SPD-Chef werden. Bautzens
Oberbürgermeister sagt, dass seine Partei in der Migrationspolitik
eine wichtige Frage nicht beantwortet hat
Seit vier Jahren ist Alexander Ahrens Oberbürgermeister von Bautzen
SVEN DOERING / AGENTUR FOCUS
päer der gerne in der EU leben möchte,
vor der Einreise die Zustimmung des
Aufnahmelandes abwarten. Auch
Flüchtlinge müssten zuerst in einem
der vielen UN-Lager weltweit Schutz
suchen und dort so lange bleiben, bis
ein EU-Staat sie aufnehmen möchte. Il-
legale Zuwanderungswege hingegen
würden zunehmend versperrt. Das an-
dere Lager verweist darauf, dass die EU-
Staaten traditionell kaum Flüchtlinge
aus den Lagern legal einfliegen. Deswe-
gen müsse auch weiterhin in gewissem
Umfang illegale Migration möglich blei-
ben, damit Flüchtlinge überhaupt die
Möglichkeit erhalten, einen Asylantrag
in der EU zu stellen.
Während das erste Lager die EU und
die nationalen Regierungen dafür kriti-
siert, dass der Kampf gegen illegale Mi-
gration angeblich zu schleppend verlau-
fe, beklagt das andere Lager, dass schon
D
ie Zahl der Asylbewerber in der
EU ist in diesem Jahr wieder
angestiegen. Laut Zahlen der
EU-Asylagentur EASO, die auch WELT
vorliegen, haben im ersten Halbjahr
rund 305.000 Migranten einen Erstan-
trag auf Asyl gestellt, ein Zehntel mehr
als von Januar bis Ende Juni 2018. Inklu-
sive der Folgeanträge waren es rund
337.000.
VON MARCEL LEUBECHER
Ist ein Zuzug in dieser Größenord-
nung für die Europäische Union (EU)
überhaupt verkraftbar? Diese Frage
sorgt in vielen Hauptstädten der Staa-
tenunion für erhitzte Diskussionen.
Grundsätzlich gibt es zwei migrations-
politische Lager. Das erste möchte fast
vollständig auf legale Zuwanderung set-
zen. Demnach müsste jeder Nichteuro-
heute die Abschottungsmaßnahmen so
stark seien, dass kaum noch einem
Flüchtling die illegale Migration nach
Europa gelinge.
Schottet sich Europa also ab? Dieses
Bild tauchte und taucht in der öffentli-
chen Berichterstattung immer wieder
auf.
Zu dieser Auffassung kommt, wer die
Jahre 2015 und 2016 als Bezugsgröße be-
trachtet. Damals reisten mehr Migran-
ten illegal nach Europa als jemals zuvor.
Dem EU-Statistikamt Eurostat zufolge
gab es in den Jahren 2014 (563.000),
2015 (1.257.000), 2016 (1.206.000), 2017
(655.000) und 2018 (586.000) jeweils hi-
storische Höchststände an Asylerstan-
trägen.
WWWer die Jahre vor diesem Ausnahme-er die Jahre vor diesem Ausnahme-
zustand als Bezugsgröße nimmt, kann
nicht davon sprechen, dass die EU inzwi-
schen einer „Festung“ gleiche, in die
kaum noch jemand unerlaubt einreisen
könne. Seit 2009, als Eurostat 196.
Asylerstanträge in der EU verzeichnete,
stiegen die Zahlen stetig an; im Jahr 2013
beispielsweise suchten 368.000 Men-
schen Schutz. Erst danach kam es zu dem
sprunghaften Anstieg auf mehr als eine
halbe Million in den Jahren seit 2014.
Eurostat erhebt die EU-weiten Asyl-
zahlen seit 1998, als 314.000 Anträge ge-
stellt wurden. Diese stiegen bis 2001 auf
das bis dahin höchste Niveau von
424.000. Um sich in den Folgejahren
wieder nach und nach zu halbieren. In
diesen Angaben der Jahre vor 2009 sind
neben den Erstanträgen auch noch die
Folgeanträge, die ungefähr ein Zehntel
ausmachen, enthalten. Gesonderte An-
gaben hat Eurostat für diese Jahre nicht
gesammelt.
Die Asylerstanträge sind ein guter
Richtwert, um das Ausmaß der illegalen
behörden nicht um Flüchtlinge.Auch
in diesem Jahr ist Deutschland wieder
mit großem Abstand das wichtigste
Zielland für Asylbewerber: Bis Ende Ju-
li wurden dem Bundesamt für Migrati-
on und Flüchtlinge (BAMF) zufolge
1 00.233 Asylanträge in Deutschland ge-
stellt – darunter 86.350 Erstanträge.
Wichtigste Herkunftsländer, waren Sy-
rien, Irak, Nigeria, Afghanistan und die
Türkei.
Insgesamt hat das BAMF bis Ende Ju-
li über 119.000 Asylanträge entschieden.
Von ihnen erhielten 24 Prozent Flücht-
lingsschutz (inklusive 1,2 Prozent Asyl),
10 Prozent Subsidiärschutz und 3,3 Pro-
zent einen Abschiebungsschutz, letzte-
ren erhalten Migranten, die weder indi-
viduell verfolgt werden noch aus
Kriegsregionen kommen. Bei ihnen be-
stehen aber Erkrankungen, oder ihnen
drohen „existenzielle Gefahren“.
Zahl der Asylbewerber in der EU steigt wieder an
Trotz des Rückgangs im Vergleich zu 2015 liegen die Zahlen immer noch über dem Niveau der Zeit vor der Migrationskrise. Deutschland bleibt wichtigstes Zielland
Migration einzuschätzen. Zwar reisen
auch Personen unerlaubt ein, die keinen
Asylantrag stellen. Dazu gehören Mi-
granten, die dauerhaft versuchen, unter
dem Radar der Behörden zu bleiben.
Auch haben ungefähr die Hälfte der so-
genannten unbegleiteten Minderjähri-
gen (UM) keine Asylanträge gestellt.
Andererseits reist aber auch ein Teil der
jährlichen Asylbewerber legal über Tou-
risten- oder Arbeitsvisa ein und stellt
nach Ablauf des Visums einen Asylan-
trag, anstatt auszureisen; oder er
stammt aus einem der nichteuropäi-
schen Staaten, deren Bürger visumbe-
freit sind, etwa Venezuela.
Die Anerkennungsquoten der Asyl-
suchenden lagen und liegen EU-weit
wie auch in Deutschland meist zwi-
schen 30 und 50 Prozent. Mehrheitlich
handelt es sich also laut den Asylprüf-
verfahren der nationalen Migrations-
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