Die Welt Kompakt - 19.08.2019

(Steven Felgate) #1

12 WIRTSCHAFT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,19.AUGUST


N


ur wenige Monate
nach der letzten
Mietrechtsnovelle
sind weitere Neure-
gelungen auf dem Weg, über die
sich viele Mieter freuen, man-
che Vermieter hingegen ärgern
dürften. Der Koalitionsaus-
schuss von Union und SPD ei-
nigte sich am Sonntagnachmit-
tag auf erneute Änderungen bei
der Mietpreisbremse und wei-
tere Änderungen im Mietrecht,
sowie einige Maßnahmen, die
zu mehr bezahlbarem Woh-
nungsbau führen sollen.
Die Geltungsdauer der Miet-
preisbremse soll um fünf Jahre
bis zum Jahr 2025 verlängert
werden, wie das Bundesminis-
terium der Justiz und für Ver-
braucherschutz am Sonntag-
abend mitteilte. Das entspre-
chende Bundesgesetz, das den
Rahmen der Mietpreisbremse
bildet, wäre ansonsten im kom-
menden Jahr ausgelaufen.


VON MICHAEL FABRICIUS

Die SPD hatte in den vergan-
genen Wochen auf eine Verlän-
gerung der Mietpreisbremse
gepocht. Kurz vor der Sommer-
pause hatte das Bundesministe-
rium der Justiz und für Ver-
braucherschutz noch einen Re-
ferentenentwurf in Umlauf ge-
bracht – eine der letzten politi-
schen Handlungen der damali-
gen Justizministerin Katarina
Barley (SPD).
Darin war nicht nur eine
Verlängerung der Preisbremse
vorgesehen, sondern auch eine
aus Mietersicht entscheidende
Verbesserung, nämlich eine
strengere Rückerstattungs-


pflicht der Vermieter für zu
viel verlangte Miete. Diese
Idee wurde nun ebenfalls vom
Koalitionsausschuss aufgegrif-
fen. Künftig soll eine Rückzah-
lungspflicht für einen Zeit-
raum von 30 Monaten ab Ver-
tragsbeginn gelten.
Aus Sicht von Mieterverbän-
den und SPD ist der Anreiz für
viele Vermieter mangels Sank-
tionierung bisher sehr groß,
sich erst einmal nicht an die Re-
geln der Preisbremse zu halten.
Denn erst ab dem Zeitpunkt ei-
ner eventuellen Mieter-Rüge
müssen sie überhöhte Zahlun-
gen zurückerstatten. Viele Mie-
ter trauen sich ohnehin nicht,
eine solche Rüge zu formulie-
ren und abzuschicken. Tun sie
es doch, können Vermieter das
bis dahin zu viel verlangte Geld
behalten. Mit der jetzt von der
Bundesregierung geplanten Ge-
setzänderung würde das finan-
zielle Risiko für Vermieter, die
die Preisbremse ignorieren, er-
heblich steigen. Allerdings
muss die Rüge auch innerhalb
der ersten 30 Monate erteilt
werden, sonst gilt der Rückzah-
lungsanspruch wieder erst ab
dem Rüge-Datum.
Die Mietpreisbremse ist im
Bürgerlichen Gesetzbuch

(BGB) geregelt. Sie legt eine
Preisobergrenze für neue Miet-
verträge bei einer Schwelle von
zehn Prozent oberhalb der
ortsüblichen Vergleichsmiete
fest. Allerdings müssen die
Bundesländer in Absprache mit
Kommunen bestimmte Gebiete
mit Wohnungsknappheit be-
stimmen und dafür eine gute
Begründung abliefern. Die Ver-
waltungen der Länder Bayern,
Baden-Württemberg, Hessen,
Rheinland-Pfalz und Hamburg
waren damit jedoch überfor-
dert und lieferten Begründun-
gen ab, die von jeweiligen Land-
gerichten für ungültig erklärt
wurden. Inzwischen gelten in
den meisten Ländern neue Ver-
ordnungen mit neuen Begrün-
dungen. Die SPD wollte diese
juristisch sehr anfällige Begrün-
dungspflicht jetzt im Zuge der
nächsten Mietrechtsnovelle ab-
schaffen – das jedoch wollten
ihr die Koalitionspartner nicht
zugestehen.
Erst im Januar dieses Jahres
waren Neuregelungen im Miet-
recht in Kraft getreten, auch
zur Mietpreisbremse. Seitdem
müssen Mieter nicht mehr eine
qualifizierte Rüge mit genauer
Begründung an ihre Vermieter
schicken. Sondern es reicht,

vereinfacht gesagt, eine Mail
mit der Aussage „Ich rüge die
Verletzung der Mietpreisbrem-
se.“ Dann müssen sich die Ver-
mieter erklären. Zudem müssen
sie schon vor Vertragsunter-
zeichnung die Höhe der Vor-
miete offenlegen. Denn wenn
die bisherige Miete schon über
der Preisgrenze gelegen hat,
darf sie auch vom nächsten
Mieter verlangt werden. Man-
che Vermieter hatten dies je-
doch nur behauptet und keine
Beweise dafür vorgelegt. In al-
len Fällen jedoch gilt: Wenn
sich Vermieter nicht rühren,
bleibt Mietern nur der Klage-
weg. Sie müssen ihr Recht in
einzelnen Verfahren vor Ge-
richten erstreiten.
Neben der Mietpreisbremse-
Verlängerung fällten die Koali-
tionäre weitere Beschlüsse
zum Wohnungsmarkt. So soll
der Betrachtungszeitraum von
Mietspiegeln, in denen die
ortsübliche Vergleichsmiete
festgelegt wird, von vier auf
sechs Jahre verlängert werden.
Bisher fließen in die offiziellen
Preisspiegel der Städte und
Gemeinden nur Mietverträge
ein, die in den vergangenen
vier Jahren abgeschlossen wur-
den. Da in diesem Zeitraum die

Mieten schnell gestiegen sind,
steigen auch die Preisspiegel
entsprechend schnell an. Mit
der Ausdehnung auf einen
Sechs-Jahres-Zeitraum wird al-
so auch hier ein Preisdämpfer
eingebaut.
CDU, CSU und SPD wollen
nun auch dafür sorgen, dass so
schnell wie möglich ein neues
Mietspiegelgesetz zustande
kommt. Ein Gesetzentwurf
wird jetzt bis Jahresende ange-
peilt. Viele örtliche Preisspie-
gel gelten als ungenau und wer-
den häufig nicht von Vermie-
tern akzeptiert oder gar ange-
fochten. Ebenfalls bis zum En-
de des Jahres will die Bundes-
regierung einen Gesetzentwurf
vorlegen, der die Möglichkeit
zur Umwandlung von Miet-
wohnungen in Eigentumswoh-
nungen begrenzt.
„Mit der Verlängerung der
Mietpreisbremse und des Be-
trachtungszeitraums bei der
ortsüblichen Vergleichsmiete
wird der Anstieg bei bestehen-
den und künftigen Mieten wei-
ter gedämpft. Dadurch gewin-
nen wir wertvolle Zeit zur
Schaffung von mehr bezahlba-
rem Wohnraum“, sagte Bundes-
justizministerin Christine
Lambrecht (SPD).
Auch für private Käufer und
Verkäufer von Wohnimmobi-
lien wird es eine wichtige Än-
derung geben: Erstmals in der
Geschichte der Bundesrepublik
regelt die Bundesregierung die
Aufteilung der Maklerprovision
bundesweit. Künftig sollen sich
Käufer und Verkäufer die Cour-
tage teilen. Bisher gelten in den
Bundesländern unterschiedli-
che Gepflogenheiten. Teilweise
wird die Provision in Höhe von
bis zu 7,14 Prozent des Kauf-
preises zwischen den Vertrags-
parteien geteilt, mancherorts
müssen Käufer indes alles zah-
len – was vor allem in gefragten
Lagen immer häufiger vor-
kommt.
SPD und Verbraucherver-
bände hatten ein einfaches Be-
stellerprinzip gefordert, bei
dem stets der Auftraggeber
den Makler bezahlen sollte.
Das hätte das tradierte Ge-
schäftsmodell vieler Makler in
Gefahr gebracht. Entspre-
chend heftig waren die Protes-
te der Maklerlobby. Die CDU
hatte sich frühzeitig auf deren
Seite geschlagen. Wie aller-
dings geprüft werden soll, dass
ein Auftraggeber tatsächlich
seinen Teil der Provision be-
zahlt und sich nicht etwa vom
Makler zurückerstatten lässt,
ist unklar zu sein.
Die Koalitionäre fällten wei-
tere Beschlüsse für mehr be-
zahlbaren Wohnungsbau. Künf-
tig soll die Verbilligungsrichtli-
nie, die bereits für Grundstücke
der Bundesanstalt für Immobi-
lienaufgaben (BImA) gilt, auch
für Liegenschaften aus dem
Bundeseisenbahnvermögen
gelten. Mit der Deutschen Bahn
AG will man Gespräche über ei-
ne schnellere und günstigere
Vergabe von bebaubaren
Grundstücken führen.

Mietpreisbremse wird


bis 2025 verlängert


Vermieter sollen zu viel gezahlte Beträge


bis zu 30 Monate zurückerstatten müssen


Eindeutige Forderung: Demonstration gegen hohe Mieten in Frankfurt am Main

GETTY IMAGES

/THOMAS LOHNES
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