Die Welt Kompakt - 19.08.2019

(Steven Felgate) #1
POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,19.AUGUST2019 SEITE 4

Politikern aber nachgerade infam
vorkommen. Haben ihn doch
sächsische CDU-Politiker sogar
in den Wahlkampf eingeladen,
weiß doch die Parteiführung da-
rum, wie gut er mancherorts an-
kommt. Die Debatte über einen
Parteiausschluss kommt also zur
Unzeit. Sie erzeugt vor Ort einen
Rechtfertigungsdruck, dem sich
keiner aussetzen will. Es ist ein
weiterer Kommunikations-GAU
der CDU-Chefin und ihres bera-
tenden Umfelds, das offenbar für
die Wirkung mancher Aussagen
unsensibel ist.
Die entsprechenden Patzer
summieren sich inzwischen auf
neun. Neun Monate ist sie erst
im Amt, ein Patzer für jeden Mo-
nat, rein rechnerisch. Dabei wer-
den die zeitlichen Intervalle zwi-

G


esagt ist gesagt. Das
stimmt. Und stimmt
doch nicht. Gesagt ist
gesagt, das stimmt in
Interviews in Deutschland nur,
wenn eine Kamera oder ein Mi-
krofon auf einen Politiker gerich-
tet wurde. Ganz anders sieht die
Sache bei Interviews aus, die spä-
ter in gedruckten Zeitungen oder
online landen. Da ist es hierzu-
lande üblich, dass alle Passagen
vom Interviewpartner autorisiert
werden. Satz für Satz, Wort für
Wort. Dabei haben wichtige Poli-
tiker wie die CDU-Vorsitzende
Annegret Kramp-Karrenbauer
Berater, Pressesprecher, die
schon mal drüberlesen und Än-
derungen vorschlagen, noch be-
vor die Chefin es zu Gesicht be-
kommt.

VON THOMAS VITZTHUM

Manche Aussage wird sogar
von Experten in besonderen Re-
feraten gecheckt. Es wird über-
legt, wie etwas ankommen könn-
te, wer sich angesprochen oder
brüskiert fühlen könnte. Umso
befremdlicher ist, was dieser Ta-
ge im Adenauerhaus, der CDU-
Zentrale, passiert ist. Annegret
Kramp-Karrenbauer hat der
Funke Mediengruppe ein Inter-
view gegeben. Dieses wurde na-
türlich autorisiert. Trotzdem
stand am Ende folgender Satz:
„Es gibt aus gutem Grund hohe
Hürden, jemanden aus einer
Partei auszuschließen. Aber ich
sehe bei Herrn Maaßen keine
Haltung, die ihn mit der CDU
noch wirklich verbindet.“ Ge-
fragt wurde Kramp-Karrenbauer
klar und unmissverständlich, ob
sie über einen Parteiausschluss
des ehemaligen Verfassungs-
schutzchefs Hans-Georg Maa-
ßen nachdenke. Ihre Antwort
verrät: Ja, das tut sie.
Was folgte, ergänzt eine inzwi-
schen beträchtlich angewachse-
ne Liste von Debatten, in denen
sich Kramp-Karrenbauer ge-
zwungen sah, ihre eigenen Aussa-
gen zu erklären. Nein, sie habe

keinen Ausschluss von Maaßen
gefordert, ließ sie erst über ihren
Generalsekretär mitteilen; später
sagte sie dies auch selbst. Doch
da war es schon zu spät. Eine be-
achtliche ostdeutsche CDU-Rie-
ge, die gerade im Wahlkampf
steckt, äußerte ihr Missfallen.
Maaßen genießt im Osten bei vie-
len CDU-Leuten Respekt. „Aus-
schlussgründe nach dem Statut
der CDU lassen sich, auch wenn
man am Wegesrand stehen blei-
ben möchte, aber nicht begrün-
den. Dann kann man der Partei
und den Wahlkämpfern diese
Diskussion auch ersparen“, sagte
Thüringens CDU-Spitzenkandi-
dat Mike Mohring WELT.
Die Spitzenkandidaten der
CDU in Thüringen, Brandenburg
und Sachsen beklagen seit Mona-

ten, dass sie kaum Unterstützung
aus Berlin erfahren. Sie bezogen
sich bisher vor allem auf die in-
haltliche Schwerpunktsetzung
der CDU-Führung. Mohring etwa
beklagte mehrfach, dass Berlin
über die falschen Themen disku-
tiert; es etwa viel zu lange gedau-
ert habe, bis über die Abschaf-
fung des Solis entschieden wur-
de, und dass bis jetzt keine Ent-
scheidung zur Grundrente ge-
troffen worden sei. Dass die Uni-
on sich vor allem bei der Klima-
politik und dem Kohleausstieg
aufhält, wird im Osten, wo der
Braunkohletagebau noch einen
bedeutenden Wirtschaftszweig
darstellt, ebenfalls nicht als hilf-
reich empfunden.
Die Einlassungen zu Maaßen
müssen den ostdeutschen CDU-

BAHN

Soldaten in Uniform
fahren kostenlos

Soldatinnen und Soldaten in
Uniform dürfen ab Januar
2 020 kostenlos mit der Deut-
schen Bahn fahren. Buchbar
sind die kostenlosen Tickets
fffür dienstliche und privateür dienstliche und private
Fahrten über ein eigenes
Buchungsportal, außerdem
müssen der Truppenausweis
und ein Dokument der Bun-
deswehr vorgelegt werden.
Eine Grundsatzeinigung war
bereits am Freitag aus Ko-
alitionskreisen bekannt ge-
worden. Nun wurde das
Konzept offiziell abgesegnet
und vorgestellt. Das kosten-
lose Angebot für die Sol-
daten gilt demnach für die
zweite Klasse im Fern- und
Regionalverkehr, ein Up-
grade für die erste Klasse
kann kostenpflichtig dazuge-
bucht werden. Gemeint sind
ausschließlich aktive Sol-
daten, also keine Reservis-
ten. Die Bahn bekommt von
der Bundeswehr eine pau-
schale Vergütung, deren
Höhe aber nicht bekannt
gegeben wurde.

INNENMINISTERIUM

Abschiebung von
Heimaturlaubern

Bundesinnenminister Horst
Seehofer (CSU) hat sich für
die Abschiebung von Asylbe-
werbern aus Syrien ausge-
sprochen, die nach ihrer
Flucht regelmäßig aus pri-
vaten Gründen in ihr Heimat-
land zurückkehren. „Wer als
syrischer Flüchtling regel-
mäßig in Syrien Urlaub
macht, der kann sich ja nicht
ernsthaft darauf berufen, in
Syrien verfolgt zu werden“,
sagte Seehofer der „Bild am
Sonntag“. „Dem müssen wir
seinen Flüchtlingsstatus
entziehen.“

IRAN

Öltanker soll
Gibraltar verlassen

Der vor Gibraltar liegende
iranische Öltanker „Adrian
Darya 1“ (ehemals „Grace 1“)
sollte nach iranischen An-
gaben in der Nacht die Ge-
wässer des britischen Terri-
toriums verlassen. Zuvor
hatte Gibraltar eine Bitte
der USA abgewiesen, den
Tanker und seine Ladung zu
beschlagnahmen. Dies sei
nach EU-Recht nicht mög-
lich. Die USA sehen dagegen
VVVerbindungen zu den ira-erbindungen zu den ira-
nischen Revolutionsgarden,
die von der Regierung in
WWWashington als Terrororga-ashington als Terrororga-
nisation eingestuft wird.

KOMPAKT


Sozialdemokratie maßgeblichen
Einfluss nehmen. Kritiker wie
Nordrhein-Westfalens SPD-Lan-
deschef Sebastian Hartmannleh-
nen eine „Neufraktionierung“ ab
und verweisen auf gewählte Gre-
mien und Organe. Die Vorgänge
erinnern an das Ringen der CDU

mit der Werteunion rund um den
ehemaligen Verfassungsschutz-
präsidenten Hans-Georg Maaßen.
Die selbst ernannte „Bewe-
gggung“ in der SPD hat etwas gueril-ung“ in der SPD hat etwas gueril-
lahaftes – und prominente Für-
sprecher. Der frühere Parteichef
Sigmar Gabriel gehört zu den bis-

A


m Anfang stand ein provo-
kanter Name, den einige
Sozialdemokraten als An-
maßung empfanden. Vor etwa
zzzwei Monaten tauchte die Initiati-wei Monaten tauchte die Initiati-
ve „Die wahre SPD“ in der Öffent-
lichkeit auf, und es klang so, als
etabliere sich da eine neue SPD in
der SPD, als habe sich die beste-
hende Partei zu sehr von sich
selbst entfernt. Es entstand intern
einige Unruhe, auch offene Kritik
an den Gründern um Michael
Groschek gab es, dem früheren
VVVorsitzenden der SPD Nordrhein-orsitzenden der SPD Nordrhein-
WWWestfalen. estfalen.

VON KRISTIAN FRIGELJ

Doch eines haben sie zumin-
dest erreicht: Aufmerksamkeit.
Mittlerweile hat sich die Initiative
kompromisshalber umbenannt in
„SPDpur 2030“. Sie will in der
Führungs- und Existenzkrise der

her etwa 160 Unterstützern, dazu
kommen das „Wirtschaftsforum“
der Partei und ein paar Amtsträ-
ger in der Kommunalpolitik.
Erste Statements noch unter
der Flagge der „wahren SPD“
klangen konfrontativ und gaben
die grundsätzliche Richtung vor:
Man wolle sich einem „Linksruck
entgegenstemmen“, „keine Ver-
staatlichungspartei“ und „keine
Linkspartei 2.0“ sein, die SPD
müsse wirtschaftsnah bleiben und
Regierungsverantwortung tragen.
Die Abgrenzung zu stramm linken
Genossen wie Juso-Chef Kevin
KKKühnert und zu den Fluchtberei-ühnert und zu den Fluchtberei-
ten aus der großen Koalition war
nicht zu überhören. Gabriel
schärfte das Profil noch weiter, als
er in diesem Zusammenhang be-
klagte: „Die SPD ist linker als die
Linkspartei geworden und ökolo-
gischer als die Grünen.“
Der erste Aufruf unter dem

In der SPD geht die


Angst vor einer eigenen


Werteunion um


Die Initiative „SPDpur 2030“ will
Einfluss nehmen auf die Erneuerung

der Sozialdemokraten. Sie kämpft
gegen Verstaatlichung und für eine
härtere Abschiebungspraxis

GETTY IMAGES

/ MICHELE TANTUSSI
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