Süddeutsche Zeitung - 20.08.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
Bern– Was Wahl- und Abstimmungspla-
kateangeht, ist die Schweizerische Volks-
partei (SVP) einigermaßen schmerzfrei.
Mal warb sie mit weißen Schafen, die ein
schwarzes von der Schweizer Flagge ki-
cken, für ihre Idee, kriminelle Ausländer
abzuschieben; mal sollten schwarze Mina-
rette, die das Schweizerkreuz durchboh-
ren, die Wähler von einem Bauverbot für
Minarette überzeugen. In den vergange-
nen paar Jahren fielen die Plakate etwas
zurückhaltender aus, doch jetzt ist die
rechtskonservative Partei offenbar wieder
zu ihren alten Rezepten zurückgekehrt.
Am Sonntag, zwei Monate vor den Parla-
mentswahlen, machte sie das Motiv ihrer
neuen Kampagnenplakate publik: Fünf
Würmer, farblich markiert als die politi-
schen Gegner der SVP sowie die EU, zerfres-
sen einen rotbackigen Apfel, auf dem das
Schweizerkreuz klebt. Dazu die Frage „Sol-
len Linke und Nette die Schweiz zerstö-
ren?“ – und die zu erwartende Antwort:
„Lieber SVP wählen!“
Die Empörung im Netz folgte prompt.
„Widerlich“, „niveaulos“ und „unterste
Schublade“ lauteten die Urteile einiger
Twitter-Nutzer, andere sprachen von
„NSDAP-Style“ und twitterten Bildbelege
aus der Nazi-Propaganda, auf denen Juden
als Würmer und Parasiten dargestellt
werden. Die heftige Kritik und die Naziver-
gleiche könnten der SVP im Grunde egal
sein, immerhin macht sie schon seit vielen
Jahren mit Provokationen Politik – und
das sehr erfolgreich: Sie gewann nicht nur
die umstrittenen Referenden zum Mina-
rettverbot, zur Abschiebung krimineller
Ausländer und zur Begrenzung der Ein-
wanderung; sie ist außerdem seit 2003 die
stärkste Kraft im Schweizer Parlament.
Doch die aktuelle Kampagne sorgt
selbst in den eigenen Reihen für Entset-
zen. „Das auf dem Bild sind weder Linke
noch Nette. Das ist Gewürm, das man aus-
rottet“, twitterte Claudio Zanetti, SVP-Ab-
geordneter und sonst eher als Hardliner

der Partei bekannt. „Was versprecht Ihr
euch von dieser unsäglichen Bildsprache?
Wer soll einen da noch ernst nehmen?“ Der
Basler SVP-Politiker Pascal Messerli be-
zeichnet die Kampagne als „schlecht und
ungeschickt“, und auch Pentti Aellig, SVP-
Politiker aus Schaffhausen, kritisiert das
Plakat: „In Schaffhausen haben wir auch
deshalb einen SVP-Wähleranteil von 35 %,
weil wir auf solche Plakate verzichten.“ Er
fordert Parteipräsident Albert Rösti auf,
die Kampagne auch im Sinne der überpar-
teilichen Zusammenarbeit zu stoppen.
Fürs Erste bleibt Parteichef Rösti jedoch
bei dem umstrittenen Motiv, wie er in
einem Interview mit CH Media klarstellte.
Man wolle die Werte der Schweiz erhalten

und im Gegensatz zu den anderen Parteien
eben keinen Rahmenvertrag mit der EU
und damit Übernahme von EU-Recht, das
allein wolle die Bildsprache der Kampagne
ausdrücken. „Auch Claudio Zanetti ist
gegen den Rahmenvertrag“, sagte Rösti im
Hinblick auf die Kritik seines Parteikolle-
gen. Bisher konnte die SVP mit ihrer Blo-
ckadehaltung beim Rahmenvertrag mit
Brüssel jedoch nicht punkten, das zeigen
ihre schlechten Ergebnisse bei den drei
jüngsten Kantonswahlen. Auch sonst ha-
ben SVP-Themen wie Einwanderung gera-
de keine Konjunktur. Ob ausgerechnet das
Ungeziefermotiv das Ruder herumreißen
kann, werden die Wahlen am 20. Oktober
zeigen. isabel pfaff

von nadia pantel

Paris –Je kürzer ein Treffen ist, desto wich-
tigerwerden die Details. Um kurz nach
17 Uhr am Montagabend kommt Russ-
lands Präsident Wladimir Putin in Fort Bré-
gançon, der Sommerresidenz des französi-
schen Präsidenten an. Um Mitternacht will
er schon wieder zurück in Moskau sein.
Ein Blitzbesuch – doch er beginnt mit Blu-
men und einem Lächeln. Putin überreicht
einen großen Strauß an Brigitte Macron,
Ehefrau von Frankreichs Präsident Emma-
nuel Macron. In der Pressekonferenz, die
dem Treffen vorausgeht, zeigt der Kreml-
chef sich sehr zufrieden, als Macron dar-
über spricht, dass „Russland ein Teil Euro-
pas“ ist.
Das Arbeitsessen, zu dem Macron sei-
nen russischen Amtskollegen eingeladen
hat, erfolgt zu einem symbolträchtigen Da-
tum: Am Wochenende beginnt in Biarritz
der G-7-Gipfel. Seit der russischen Annexi-
on der Krim nimmt Russland nicht mehr
an den Treffen teil, das Format schrumpf-
te von G 8 auf G 7. Indem Putin sich nun
fünf Tage vor Gipfelbeginn mit dem Gast-
geber austauscht, zeigt Frankreich, dass es
seine internationalen Beziehungen nicht
ohne Russland gestalten möchte.
Russland sei „ein notwendiger Partner“
und „großer Nachbar“, mit dem Frank-
reich in einem „offenen, fordernden und re-
spektvollen Dialog“ stehe, heißt es aus

dem Élysée-Palast. Und Macron betonte
am Montag, dass weltweit der „Multilatera-
lismus angegriffen“ werde und daher
„neue Formen der Zusammenarbeit erfun-
den“ werden müssten – gemeinsam mit
Russland. Die Beziehung Russlands zu
Frankreich und zur Europäischen Union
sei entscheidend dafür, dass neue Wege ge-
funden würden.

Die beiden Präsidenten gaben vor ih-
rem Arbeitstreffen ein Statement ab, sie äu-
ßerten sich also über Pläne, nicht über Er-
gebnisse. Macron sagte, dass er sich mit
Putin über die Krisen in Syrien, Iran und
der Ukraine austauschen werde, aber auch
über europäische Verteidigungspolitik
und den Klimawandel. Russland unter-
stützt in Syrien mit Luftangriffen das Re-
gime von Baschar al-Assad, Frankreich hin-
gegen hat sich an einem US-Angriff auf ei-
ne angebliche Chemiewaffenproduktions-
stätte von Assad beteiligt. Dennoch, so ein
hoher französischer Diplomat, hätten Mos-
kau und Paris ein gemeinsames Ziel: „Si-
cherheit und Stabilität in Syrien“.
Den Konflikt in der Ukraine betreffend
sagte Macron, dass er plane, „in den kom-
menden Wochen“ Putin zu einem Gipfel

im Normandie-Format zu treffen, also ge-
meinsam mit Deutschland und der Ukrai-
ne. Durch die Wahl Wolodimir Selenskijs
zum Präsidenten der Ukraine haben sich
neue Möglichkeiten ergeben. Putin sagte,
es bestünde für die Entwicklung der Krise
im Osten der Ukraine „Anlass zur Hoff-
nung“.
Auf die Frage einer Journalistin hin, in-
wiefern er gedenke, den antiliberalen Ten-
denzen in Russland entgegenzutreten,
betonte Macron die gemeinsame Vergan-
genheit Russlands und Frankreichs, beide
Länder seien Akteure der Aufklärung. Zu-
dem verteidigte Macron sein Zugehen auf
Russland. „Was würde denn passieren,
wenn wir einander den Rücken zukehren
würden? Wäre das unser Interesse? Ich bin
überzeugt davon, dass das nicht der Fall
ist.“ Bräche der Dialog mit Putin ab, würde
man Russland isolieren, und die bilatera-
len Beziehungen Russlands zu China wür-
den in der Folge gestärkt. Macron betont er-
neut, dass Frankreich sich dafür einsetzt,
Russland sein Stimmrecht im Europarat
zurück zu geben. „Russland hat seinen
Platz im Europa der Werte, das wir verteidi-
gen“, sagte Macron.
Wie zahlreich dennoch die Konfliktfel-
der zwischen Paris und Moskau sind, wur-
de unter anderem deutlich, als das Ge-
spräch auf die aktuellen Proteste in Mos-
kau kam und die vielen Verhaftungen von
regierungskritischen Demonstranten. Pu-

tin sagte, dass er eben Szenen vermeiden
wolle, wie es sie in Frankreich während der
sogenannten Gelbwestenbewegung gege-
ben habe, die französische Polizei habe vie-
le Menschen schwer verletzt.
Der staatliche russische Sender Russia
Today unterhält einen französischen Ka-
nal, auf dem er ausführlich über die Protes-
te der Gelbwesten berichtet hat. In den Be-
richten muten die Gelbwesten wie eine Be-
wegung an, die sich gegen ein Regime
durchsetzen muss. Macron hat Russia To-
day 2017 im Beisein von Putin als „Propa-
gandainstrument“ bezeichnet. Dieser Vor-
wurf bezog sich auch auf die Art und Wei-
se, wie Russia Today und das russische
NachrichtenportalSputnikversucht hat-
ten, Macrons Wahlkampf zu beeinflussen.
Bei dem Treffen mit Putin geht es für
Macron nicht nur um das Verhältnis zu
Russland, sondern um die Rolle Frank-
reichs in der Weltpolitik. Macron verfolgt
eine offensive Außenpolitik, in der Frank-
reich als internationaler Vermittler auf-
tritt. „Wer, wenn nicht der Präsident der Re-
publik“, so heißt es aus dem Élysée, könne
heute noch den Dialog mit Russland pfle-
gen? Wuchtige Auftritte mit mächtigen
Männern gehören zu Macrons politischen
Instrumenten. So bemühte sich der franzö-
sische Präsident auch demonstrativ um ei-
ne Freundschaft zu US-Präsident Donald
Trump, die helfen sollte, politische Diffe-
renzen zu überbrücken.

Chemnitz/Dresden– EinJahr nach dem


gewaltsamen Tod des Chemnitzers Daniel


H. steht der Prozess wegen Totschlags vor


dem Abschluss. Die Staatsanwaltschaft for-


derte am Montag eine Haftstrafe von zehn


Jahren für den angeklagten Syrer Alaa S.,


sagte eine Sprecherin des Chemnitzer


Landgerichts. Am Donnerstag folgen dem-


nach die Plädoyers der zwei Verteidiger. Di-


rekt im Anschluss könnte das Urteil ver-


kündet werden, sagte die Sprecherin. Ur-


sprünglich waren in dem Prozess, der aus


Sicherheitsgründen in Dresden stattfin-
det, Termine bis Oktober vorgesehen.


Die Staatsanwaltschaft plädierte auf

zwei Einzelstrafen über neun Jahre Haft


wegen Totschlags und weitere zwei Jahre


wegen gefährlicher Körperverletzung.


Dies habe der Staatsanwalt zu einer Ge-


samtforderung von zehn Jahren Haft ver-


bunden, erklärte die Sprecherin. In Chem-


nitz war am 26. August 2018 am Rande des


Stadtfestes der 35 Jahre alte Daniel H. er-


stochen worden. Ein weiterer Mensch wur-


de verletzt. Rechte Gruppen instrumentali-


sierten die Tat in den Folgetagen für aus-


länderfeindliche Demonstrationen. Dabei


kam es zu Ausschreitungen und Attacken


gegen ausländisch aussehende Personen.


Die politische Bewertung der Proteste

führte zu einer Krise in der Bundesregie-


rung. Verfassungsschutzpräsident Hans-


Georg Maaßen wurde in den einstweiligen


Ruhestand versetzt. Zudem riefen die aus-


länderfeindlichen Vorfälle in Chemnitz


breiten Protest der Zivilgesellschaft her-


vor. Zu einem Konzert gegen Fremden-


feindlichkeit kamen am 3. September 2018


rund 65 000 Menschen in die sächsische


Stadt. Alaa S. muss sich wegen der Messer-


attacke seit März vor Gericht verantwor-


ten. Gemeinsam mit dem flüchtigen Iraker


Farhad A. soll er Daniel H. erstochen ha-


ben. Eine Verteidigerin des Syrers hatte


nach einer Tatortbegehung Anfang Juni


keinen dringenden Tatverdacht mehr gese-


hen und beantragt, S. aus der Haft zu ent-


lassen. Das Gericht lehnte das ab. epd


Düsseldorf– Mit einer Befragung von
60 000 Bürgern will die Landesregierung
von Nordrhein-Westfalen jetzt erkunden,
ob sich die Menschen in dem Bundesland
sicher fühlen. Und die Regierung will erhel-
len, wie oft Menschen insbesondere Opfer
sexueller Gewalt werden. Heimatministe-
rin Ina Scharrenbach (CDU) begründete
die erste Studie dieser Art in NRW am Mon-
tag mit dem Drama der Kölner Silvester-
nacht 2015/2016: „Das ist der Ur-Auslö-
ser.“ Scharrenbach erinnerte daran, dass
viele der weit mehr als tausend Frauen, die
sich damals sexuellen Übergriffen meist
ausländischer Tatverdächtiger ausgesetzt
sahen, zunächst keine Anzeige erstattet
hätten. Dieses so genannte „Dunkelfeld“
wolle man nun ausleuchten: „Wir schalten
die Scheinwerfer an.“

Eine Besonderheit der NRW-Studie ist,
dass sie auch nach der Gewalt gegen Jun-
gen und Männern fragt. „Das ist bis heute
ein Tabu“, sagte Scharrenbach, die auch
für Fragen der Gleichstellung zuständig
ist, „und dieses Tabu wollen wir aufbre-
chen.“ Ein hochrangiger Kriminalist er-
gänzte am Rande der Pressekonferenz, aus
Scham würden Männer nur äußerst selten
erlittene Gewalt anzeigen: „Wer gibt schon
gern zu, dass ihn seine Frau verprügelt
hat?“ Gemeinsam mit Bayern plant NRW
zudem, bis zum Frühjahr 2020 eine Hot-
line für männliche Opfer sexueller Gewalt
einzurichten.
Neben Scharrenbach rief auch NRW-In-
nenminister Herbert Reul die Bürger auf,
sich an der Befragung zu beteiligen. Zwar
sei der Katalog von insgesamt 67 Fragen
„ein richtig dickes Ding“, das „schon etwas
Zeit“ benötige zur Beantwortung. Aber als
Ergebnis der 500 000 Euro teuren Umfra-

ge, die vom Infas-Institut in Bonn bis Som-
mer 2020 ausgewertet werden wird, ver-
spreche man sich Erkenntnisse für mehr
Vorbeugung gegen Straftaten sowie für ei-
nen besseren Opferschutz. Bei einem Test-
lauf, sagte der CDU-Politiker, sei nur ein
Drittel der Fragebögen zurückgesandt wor-
den: „Das ist steigerungsfähig.“ Nun erhal-
ten alle 60 000 repräsentativ ausgewähl-
ten Teilnehmer in dieser Woche zunächst
einen Brief, in dem Infas-Chef Menno
Smid und der Direktor des Landeskrimi-
nalamtes von NRW, Frank Hoever, über
Zweck und Methode der Umfrage informie-
ren. Das seien, so Reul, „seriöse Absender“.
Der eigentliche Fragebogen wird erst in
der ersten Septemberhälfte verschickt.
Innenminister Reul hatte zuletzt eine
stetig sinkende Kriminalität (minus sieben
Prozent) in dem Bundesland vermelden
können. Auch die Zahl der Gewaltdelikte
ging 2018 um 2,9 Prozent im Vergleich
zum Vorjahr zurück. Hingegen stieg die
Zahl registrierter Sexualstraftaten um
9,2 Prozent. Kriminalisten erklären dies
mit einer größeren Bereitschaft der Opfer,
ihre Peiniger anzuzeigen. Reul verwies auf
den Skandal um den tausendfachen Miss-
brauch von Kindern auf dem Camping-
platz in Lügde. Die Aufarbeitung des Falls
habe das gesellschaftliche Bewusstsein ge-
schärft.
Reul verspricht sich von der Studie Er-
kenntnisse über die Kriminalstatistik hin-
aus: Wichtig im Alltag der Bürger sei letzt-
lich deren subjektives Sicherheitsempfin-
den etwa angesichts von „Angsträumen“
wie düsteren Plätzen oder einer finsteren
U-Bahn-Station. „Dieses Gefühl der Men-
schen bestimmt ihr Handeln“, glaubt Reul,
„da helfen mir keine schönen Zahlen auf
dem Papier.“ Der NRW-Fragebogen wid-
met sich deshalb zunächst ausführlich
dem Wohnumfeld der Bürger sowie ihrem
Sicherheitsgefühl bei Tag und bei Nacht –
und fragt erst dann nach konkreten Gewalt-
erfahrungen. christian wernicke

Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte begrüßen Waldimir Putin (rechts) am Montagabend. FOTO:GERARD JULIEN/AFP

Wer, wenn nicht er?


Frankreichs Präsident empfängt Wladimir Putin – fünf Tage vor dem G-7-Gipfel, zu dem der Kremlchef


nicht mehr kommen darf. Macron sieht sich im gestörten Verhältnis zu dem „großen Nachbarn“ als Vermittler


Chemnitz: Zehn Jahre


Haft für Alaa S. gefordert


Washington – US-Präsident Donald


Trump hat China davor gewarnt, mit mili-


tärischer Gewalt gegen die Demonstran-


ten in Hongkong vorzugehen. In diesem


Fall werde es sehr schwierig werden, das


Handelsabkommen abzuschließen, über


das beide Seiten derzeit verhandeln. „Ich


glaube, es würde sehr schwer werden, eine


Einigung zu finden, wenn sie Gewalt einset-


zen. Ich meine, wenn es nochmal zu einem


Tiananmen-Platz kommt“, sagte Trump


am Sonntag. Auf dem Tiananmen-Platz in


Peking, dem Platz des Himmlischen Frie-


dens, hatte das kommunistische Regime


Chinas 1989 mit massiver militärischer Ge-


walt die studentische Demokratiebewe-


gung niedergeschlagen.


Die USA und China sprechen derzeit

über eine Neuausrichtung ihrer Handelsbe-


ziehungen. Trump will das jährliche Han-


delsbilanzdefizit mit China unbedingt sen-


ken und hat Strafzölle gegen Importwaren


aus dem Land verhängt. Diese belasten die


chinesische Wirtschaft, allerdings auch


die amerikanische. In Hongkong demons-


trieren seit Wochen Hunderttausende Men-


schen für mehr Demokratie. Trump sagte


am Sonntag, er hoffe sehr, dass das chinesi-


sche Regime den Konflikt in Hongkong auf


„humane Art und Weise“ löse. Er erneuerte


zudem seinen Vorschlag, dass der chinesi-


sche Präsident Xi Jinping sich persönlich


mit Anführern der Demonstranten treffen


solle. Dann ließe sich der Streit schnell bei-


legen, so der US-Präsident.


Nach Trumps Lesart hält sich Peking bis-

her mit dem Einsatz des Militärs gegen die


Demonstranten in Hongkong zurück, um


das Handelsabkommen mit Washington


nicht zu gefährden. Wäre der Handel mit


den USA kein Teil der Gleichung, die Pe-


king berücksichtigen müsse, dann „hätte


schon vor langer Zeit etwas passieren kön-


nen“, sagte Trump.


Allerdings gilt diese Analyse wohl auch

andersherum: Trump vermeidet klare Äu-


ßerungen zur Lage in Hongkong, die Pe-


king als Einmischung in die inneren Ange-


legenheiten oder gar Ermutigung der De-


monstranten verstehen könnte, weil für


ihn der Abschluss des Handelsabkom-


mens wichtiger ist. Der Handelskrieg mit


Peking kostet Unternehmen in den USA,


die aus China importieren, Milliarden Dol-


lar an Zöllen. Die Gefahr einer Rezession


ist dadurch gestiegen. Einen Absturz der


Wirtschaft kann Trump jedoch angesichts


der Präsidentenwahl im nächsten Jahr


nicht gebrauchen.


Das dürfte einer der Gründe sein, war-

um Trump sich zu den Zielen der Demons-


tranten in Hongkong allenfalls allgemein


bekennt. „Ich unterstütze Freiheit. Ich un-


terstütze Demokratie“, sagte er am Sonn-


tag. Zugleich ließ er Peking jedoch wissen,


dass der Druck aus der US-Bevölkerung


und dem Kongress im Falles eines Militär-


einsatzes auf ihn so groß wäre, dass er kein


Handelsabkommen unterschreiben könn-


te, selbst wenn er wollte.


Die demokratischen Präsidentschafts-

bewerber vermeiden das Thema bisher


weitgehend – vermutlich, weil es auch die


meisten Wähler nicht interessiert. Außer


vagen Appellen gegen Gewalt ist von ihnen


nicht viel zu hören. hubert wetzel


Der Apfel und die Würmer


Dasneue Wahlplakat der Schweizerischen Volkspartei löst auch intern Streit aus


München– Geschwindigkeit 8,4 Knoten,
Kurs 90 Grad, Tiefgang 22,1 Meter: Auf In-
ternetseiten wie marinetraffic.com, auf de-
nen sich der internationale Schiffsverkehr
in Echtzeit nachvollziehen lässt, dürften
die Angaben derAdrian Darya-1derzeit
die bei Weitem am häufigsten aufgerufe-
nen sein. Der Tanker, der beim Abruf der
Daten am Montagnachmittag im Mittel-
meer auf der Höhe von Málaga eher ge-
mächlich in Richtung Osten dümpelte,
hieß bis vor wenigen TagenGrace 1und
fuhr unter der Flagge Panamas – zumin-
dest bis 4. Juli. Weil das in iranischem Be-
sitz befindliche Schiff 2,1 Millionen Barrel
Rohöl aus der Islamischen Republik gela-
den hat, das nach Informationen der USA
EU-Sanktionen zum Trotz an eine syrische
Raffinerie geliefert werden sollte, bat Wa-
shington die Behörden der britischen En-
klave Gibraltar,das Schiff festzusetzen.

Iran bestritt, dass Syrien das Ziel des
Schiffes hätte sein sollen, betonte zudem,
dass es nicht an die EU-Sanktionen gebun-
den sei. Um Druck auf Großbritannien aus-
zuüben, hielten in der Folge iranische Kom-
mandos den britischen TankerStena Impe-
roin der Straße von Hormus auf, mit der of-
fiziellen Begründung, das Schiff habe inter-
nationales Seerecht verletzt. Die ohnehin
angespannte Situation im Persischen Golf
wurde nochmals verschärft, die Anrainer
der für das internationale Ölgeschäft wich-
tigsten Seeweges fürchteten, dass weitere
Eskalationen schnell in eine kaum mehr zu
kontrollierende Kriegsgefahr münden
könnten. Auf ein von Teheran vorgeschla-
genes Tauschgeschäft – freie Fahrt für den
iranischen Tanker gegen eine Freigabe des
britischen – ließ sich London nicht ein. Bis
heute liegt dieStena Imperoim iranischen
Hafen Bandar Abbas.
Nachdem Iran nun jedoch versichert hat-
te, dass das Öl nicht nach Syrien geliefert
wird, hatte Gibraltar die Anordnung zur
Festsetzung am Freitag aufgehoben. Die
iranischen Eigner ließen das Schiff darauf-
hin umbenennen und umflaggen, nun
fährt es unter iranischem Hoheitszeichen.
Die USA hatten bis zuletzt versucht, ein
Auslaufen des Schiffs zu verhindern. Doch
nachdem auch eine neue Crew eingeflogen
wurde, lichtete dieAdrian Darya-1in der
Nacht zum Montag die Anker. Als Ziel wird
nun Kalamata in Griechenland angeben,
wo das Schiff am 25. August ankommen
soll. Ob der Hafen der endgültige Bestim-
mungsort der Ladung sein wird, ist jedoch
unklar. mob

Eine Frage der Sicherheit


NRW will erforschen, wie bedroht die Bürger sich fühlen


6 HF2 (^) POLITIK Dienstag,20. August 2019, Nr. 191 DEFGH
Emmanuel Macron liebt
die wuchtigen Auftritte
mit mächtigen Männern
Das Schiff hat in der Nacht zum Montag
den Anker gelichtet. FOTO: MORENO/AP/DPA
„Sollen Linke und Nette die Schweiz zerstören? Lieber SVP wählen“, lautet der Slogan
der SVP, der viele Menschen an Nazi-Propaganda erinnert. FOTO: SVP
Gefragt wird auch nach Gewalt
gegen Jungen und Männer.
„Das ist bis heute ein Tabu.“
Das in Iran aufgehaltene
britische Schiff Stena Impero
liegt noch im Hafen Bandar Abbas
Sorge um
Hongkong
US-Präsident Trump droht Peking
mit Ende des Handelsabkommens
Der Druck aus dem US-Kongress
und der Bevölkerung wäre bei
einem Militäreinsatz Pekings groß
Nächster Halt
Griechenland
Der iranische Tanker Adrian Darya-
fährt weiter durchs Mittelmeer

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