CDU-Spitzenkandidatin für die nächs-
te Landtagswahl, Susanne Eisen-
mann, an. Es könne innerhalb der
nächsten fünf bis zehn Jahre ein -
geführt werden. Rückenwind kommt
aus Berlin von der Parteifreundin und
Bundesbildungsministerin: „In
Deutschland muss es beim Abitur
überall vergleichbare Anforderungen
geben“, sagt Anja Karliczek. Der Auf-
gabenpool der Länder sei ein richtiger
Ansatz, müsse aber weiterentwickelt
werden. Nötig seien etwa einheitliche
Prüfungsbedingungen. „Ein Fahrplan
sollte bis Ende des Jahres stehen.“
Bundesweiter Pool
Für den amtierenden Präsidenten der
Kultusminister, Alexander Lorz (CDU),
ist ein Zentralabitur hingegen keine Lö-
sung. Der hessische Bildungsminister
warnte davor, mit der Forderung nach
einer zentralen Abiturprüfung unrea-
listische Erwartungen zu wecken. Zur
Ehrlichkeit in der Debatte gehöre auch,
dass die Abiturnoten zwar so vergleich-
bar wie möglich sein sollten, „aber das
wird man wohl nicht mit letzter Perfek-
tion hinbekommen“, so Lorz.
Auch die SPD ist uneins: Pro Zen-
tralabitur sprach sich die kommissa-
rische SPD-Chefin Manuela Schwesig
aus, die auch Regierungschefin in
Mecklenburg-Vorpommern ist. Ihr
Genosse, Hamburgs Schulsenator
Ties Rabe, stuft die neu entbrannte
Debatte über ein Zentralabitur in
Deutschland als „ergebnislose Som-
merlochdiskussion“ ein. Wenn man
ein bundesweit vergleichbares Abitur
wolle, sei stattdessen vernünftiges
Handeln gefragt, sagte der Koordina-
tor der SPD-Länder für Bildung.
Rabe plädiert dafür, den bestehen-
den Pool bundesweiter Abituraufga-
ben verbindlicher zu machen. Seit
2017 können die Länder in den Kernfä-
chern Deutsch, Mathematik, Englisch
und Französisch Aufgaben aus einem
Pool verwenden, den das IQB für sie
erstellt. Allerdings ist die Teilnahme
der Länder nicht verbindlich. Zudem
dürfen die Länder die Aufgaben auch
verändern. Das soll allerdings nur
noch bis 2021 möglich sein, vereinbar-
te die Kultusministerkonferenz (KMK).
Die Verwendung der Poolaufgaben
setzt zudem voraus, dass die Abitur-
prüfung bundesweit am gleichen Tag
stattfindet. Das war dieses Jahr erst-
mals im Fach Mathematik der Fall.
Heute würden die bundeseinheitli-
chen Aufgaben von vielen Ländern
kaum eingesetzt, kritisierte Rabe –
konkrete Daten dazu veröffentlicht die
KMK nicht. „Stattdessen werden wei-
terhin in jedem Land eigene Aufgaben
entwickelt“, so Rabe. Zudem würden
Aufgaben aus dem Bundespool von
vielen Ländern nachträglich verän-
dert. „Von einer echten Vergleichbar-
keit sind wir noch weit entfernt.“
Rabe nannte es bedauerlich, „dass
viele Bildungspolitiker in der Öffent-
lichkeit für mehr Vergleichbarkeit
eintreten, aber in der Kultusminister-
konferenz weitere Bestrebungen für
mehr Vergleichbarkeit ausbremsen“.
Er fordert: „In einem nächsten
Schritt müssen die Länder vereinba-
ren, in den schriftlichen Abiturprü-
fungen mehr bundeseinheitliche Auf-
gaben einzusetzen.“ Vernünftig sei
ein fester Anteil von unverändert ein-
gesetzten Bundesaufgaben in jeder
Landesabiturprüfung.
Der Präsident des Deutschen Leh-
rerverbands, Heinz-Peter Meidinger,
sieht das Poolkonzept als gescheitert
an. Der Bayer, der zuvor lange Jahre
den Philologenverband der Gymnasi-
allehrer anführte, hält es für realis-
tisch, dass Deutschland zwischen
2025 und 2030 ein Zentralabitur ein-
führen könne.
Olaf Scholz:
Der Finanzminister
braucht die Zustim-
mung der Länder,
um die Grundsteuer
verfassungsfest
zu machen.
imago images/IPON
Olaf Scholz
muss nun
dringend
klarstellen,
dass es
keine neue
Vermögen -
steuer geben
wird.
Christian Dürr
FDP
Reform
Poker um die Grundsteuer
Die Bundesländer legen sich
noch nicht fest, ob sie das
Reformmodell von Minister
Scholz unterstützen.
Fabian Ritters, Jan Hildebrand
Berlin
K
urz vor der Sommerpause
klappte es doch. Nach mona-
telangen Verhandlungen mit
den Ländern hat Bundesfinanzminis-
ter Olaf Scholz (SPD) einen Gesetzes-
entwurf für eine neue Grundsteuer
in den Bundestag eingebracht. Die
Große Koalition einigte sich, nach-
dem sich vor allem CSU und SPD zu-
vor Monate lang gestritten hatten.
Doch nun wartet auf Scholz die
nächste Hürde: Da für die Reform
das Grundgesetz geändert werden
soll, braucht er im Bundestag die
Grünen und die FDP. Noch kompli-
zierter ist es im Bundesrat, wo mitt-
lerweile unterschiedlichste Koalitio-
nen regieren. Eine Umfrage des Han-
delsblatts unter den Bundesländern
zeigt, dass sich bisher nur wenige Re-
gierungen auf eine Zustimmung zu
Scholz’ Gesetz festlegen wollen. Eine
Mehrheit ist noch nicht sicher.
Und langsam wird die Zeit knapp.
Können sich Bund und Länder bis
Ende dieses Jahres nicht auf ein neu-
es Modell einigen, müsste die Grund-
steuer ausgesetzt werden. Das hatten
die Verfassungsrichter in Karlsruhe
so geurteilt. Ein Albtraum für alle
Bürgermeister, schließlich spült die
Grundsteuer den Kommunen jähr-
lich rund 14 Milliarden Euro in die
Kassen – Tendenz steigend.
Der Gesetzesentwurf ist ganze 124
Seiten dick und sieht vor, die Grund-
steuer weiter nach dem Wert von Bo-
den und Gebäude zu bemessen, nähe-
rungsweise anhand der sogenannten
durchschnittlichen Nettokaltmieten
und Bodenrichtwerte. Zusätzlich sol-
len anhand von Mietstufen die Wert-
unterschiede innerhalb der Kommu-
nen berücksichtigt werden. Ein sol-
ches Modell wäre daher nah an der
bisherigen Bemessung, nur eben nicht
mit Werten von 1964 (Westdeutsch-
land) oder 1935 (Ostdeutschland), die
das Verfassungsgericht bemängelte.
Doch da der Widerstand aus der
Union zu groß war, fügte Scholz noch
eine Öffnungsklausel für Bundeslän-
der hinzu. Ab 2025 sollen die Länder
die Möglichkeit haben, vom Bundes-
modell mit einer eigenen Regelung
abzuweichen. Ein Zugeständnis vor
allem an die CSU, die sich vehement
für ein flächenabhängiges Modell der
Grundsteuer eingesetzt hat. Bayern
will die Grundsteuer anhand der Flä-
che des Grundstücks und des Gebäu-
des berechnen – und nicht nach dem
Wer t.
Umstrittene Klausel
Für die Öffnungsklausel ist allerdings
eine Grundgesetzänderung notwen-
dig. Die Koalition aus Union und SPD
ist daher im Bundestag auf Stimmen
der Opposition wie FDP und Grüne
angewiesen. Und gerade die Libera-
len zeigten sich bislang von Scholz’
Modell nur wenig begeistert. „Es ist
allerdings in unserem Interesse, dass
eine Öffnungsklausel eingeführt
wird“, sagt Christian Dürr, stellvertre-
tender Vorsitzender der FDP-Bundes-
tagsfraktion. „Das würde den Län-
dern die Chance geben, von Scholz’
verkorkstem Modell abzuweichen“,
erklärt Dürr weiter.
Doch bei der Öffnungsklausel steht
eine Zustimmung im Bundesrat noch
nicht fest. Auf Anfrage des Handels-
blatts antworteten einzig die Finanz-
ministerien von Bremen und Berlin,
dass ihre Länder dem aktuellen Ge-
setzesentwurf zur Grundsteuerbe-
messung voraussichtlich zustimmen
werden. Alle anderen Bundesländer
gaben an, dass sie derzeit noch prüf-
ten oder sich noch nicht festgelegt
hätten. Ein einheitliches Bild lässt
sich daraus nicht erkennen. Nicht
nur erschweren die mittlerweile zehn
verschiedenen Regierungskonstella-
tionen die Mehrheitsfindung im Bun-
desrat. Hinzu kommt, dass die Mei-
nungsunterschiede sogar innerpartei-
lich verlaufen. Das hat auch mit den
Auswirkungen der Grundsteuer auf
den Länderfinanzausgleich zu tun.
Die Befürchtung der Nehmerlän-
der wie Berlin: Wenn ein reiches
Bundesland wie Bayern mit seinem
eigenen Modell eine besonders nied-
rige Grundsteuer einführt und damit
seine Einnahmen sinken, dann müss-
te es weniger in den Finanzausgleich
einzahlen.
Das soll verhindert werden. „Für
die Berechnung des Länderfinanzaus-
gleichs soll die bundeseinheitliche Re-
gelung zugrunde gelegt werden“,
heißt es im Bundesfinanzministerium.
„Damit hätten andere Länder keinen
finanziellen Nachteil durch den Son-
derweg eines Landes.“ Das soll durch
eine entsprechende Regelung im so-
genannten Finanzausgleichsgesetz si-
chergestellt werden. Damit will Scholz
vor allem die Nehmerländer, die die
Öffnungsklausel kritisch sehen, zur
Zustimmung im Bundesrat bewegen.
FDP nicht überzeugt
Auch im Bundestag ist noch Überzeu-
gungsarbeit zu leisten. Die FDP fürch-
tet etwa, dass Scholz’ Grundsteuer-
modell mit der Berechnung der
Werte von Grundstücken und Immo-
bilien später Grundlage für die Wie-
dereinführung einer Vermögensteuer
werden könnte. Die FDP-Fraktion hat
beim Wissenschaftlichen Dienst des
Bundestags um eine Einschätzung
gebeten. Der gibt aus Sicht der Libe-
ralen zwar Entwarnung. „Durch die
vergangene Zeit und die ausschließ-
lich auf die Grundsteuer ausgerichte-
ten Reformbemühungen kommt eine
Wiederbelebung der Vermögensteu-
er durch die geplante Grundsteuerre-
form nicht in Betracht“, schreiben
die Experten. Sie verweisen dabei
aber unter anderem auf Formulie-
rungsgründe.
Die FDP fürchtet aber, dass sich die-
se Formulierungen zukünftig ändern
könnten. „Die erneute Erhebung der
Vermögensteuer scheint zwar nicht
geplant zu sein, rechtlich wäre es al-
lerdings möglich“, sagte Fraktionsvize
Dürr. „Die Gründe, die in dem Gut-
achten genannt werden, sind rein for-
mal.“ Wenn es politisch gewollt wäre,
gäbe es eine Hintertür, so Dürr. Seine
Forderung: „Olaf Scholz muss nun
dringend klarstellen, dass es mit der
Grundsteuerreform keine neue Ver-
mögensteuer geben wird.“
Ganz andere Forderungen erheben
die Grünen. Sie wollen, dass die
Grundsteuer künftig nicht mehr auf
die Mieter umgelegt wird. Das aller-
dings ist nicht Teil der Reform und
müsste mit einem anderen Gesetz ge-
regelt werden. Da wiederum würde
die Union kaum mitmachen.
Klar ist also bisher vor allem eines:
Scholz muss auch in den kommen-
den Wochen noch Überzeugungsar-
beit leisten, um seiner Grundsteuer-
reform eine Mehrheit zu sichern.
Wirtschaft & Politik
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MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145
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