Die Welt am Sonntag - 21.07.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1
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21.07.1921. JULI 2019WSBE-HP


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10 FORUM WELT AM SONNTAG NR.29 21.JULI


D


ie Deutschen sind be-
kanntlich Meister im
Umgang mit Müll. Sie
kennen alle Finessen,
beherrschen gar die Lo-
gik der gelben Säcke bei der Mülltren-
nung. Kein Dorf, durch das man fährt,
in dem an bestimmten Wochentagen
nicht ganze Berge dieser Säcke auf
dem Gehsteig liegen. Und ins letzte
Kaff kommt dann auch die Müllabfuhr.
Man hört ihre schnaufenden Laster,
das Klackern der Tonnen und bewun-
dert die schnelle Art der Müllwerker,
heute Fachkraft für Kreislauf- und Ab-
fallwirtschaft genannt. Darauf bilden
sie sich etwas ein, denn ihnen geht der
Ruf des Retters voraus. Sie sind heute
der erste Freund und Helfer, nicht
mehr die Polizei.

In den deutschen Wohnungen ist al-
les just, außer bei Messies, könnte
man sagen. Man hegt und pflegt sein
Eigenes. Aber draußen dann, auf wei-
ter Flur, in dem, was man öffentlichen
Raum nennt, also jenseits des Priva-
ten, in den Wäldern, an den Autobahn-
abfahrten und Straßenböschungen,
auf den Rastplätzen, in den Parks der
Städte, geht die Sauerei los: Alles wird
entsorgt, abgelegt, weggeworfen, fal-
len gelassen. Als sei ein mentaler He-
bel umgelegt. Drinnen hui, draußen
pfui. Besonders in den großen Städten
ist der öffentliche Raum, das, was
schon die großen Philosophen das Ge-
meingut nannten, zur Müllhalde ge-
worden. Führen also Individualismus
und Freiheit zwangsläufig zu Vermül-
lung und Verrohung? Einer Gleichgül-
tigkeit, die dann auch in anderen Be-
reichen ihre Spuren hinterlässt?
Das kann der moderne und sensible
Betrachter nicht auf sich sitzen lassen.
Er will nicht kulturpessimistisch die
Vergangenheit beschwören, in der al-
les besser gewesen sein soll. Weil das
nicht stimmt. Denn Zwang und Verbot
sind keine Lehrmeister. Oder doch? Es
ist doch die Einsicht in die Freiwillig-
keit einer Notwendigkeit, die moder-
ne Menschen bindet. Sei es eine Haus-
gemeinschaft, eine Familie, ein Vier-
tel. Warum kann das nicht auch eine
Straße, den Park, den Grünstreifen be-
treffen? Im Süden der Republik klappt
es doch auch, denkt man an Baden-
Württemberg und Bayern.
Pflege und Achtsamkeit haben mit
Liebe zu tun. Und mit Respekt. Die
Deutschen reden viel, vielleicht zu viel
von ihrer Liebe zur Natur, und man
muss skeptisch werden, ob sie wissen,
was sie tun. Denn warum lieben sie
dann nicht auch die Orte und Städte,
in denen sie leben? Warum gibt es in
anderen europäischen Hauptstädten,
sagen wir London, so unglaublich viele
Grünanlagen und Parks mit bewun-
dernswert harmonischer Gartenkunst
und in einem sauberen, unbeschädig-

ten, strahlenden Zustand? Warum ha-
ben die Franzosen an vielen Kreisver-
kehrsinseln im Elsass die bezau-
berndsten Blumenrabatten, die auch
in sommerlicher Hitze unverwüstlich
vor sich hin blühen? Warum sind die
skandinavischen Park- und Camping-
plätze so gepflegt? Weil es natürlich
eine städtische und staatliche Fürsor-
ge für den öffentlichen Raum gibt. Ge-
tragen aber auch von einem Bürger-
sinn, der problemlos tradiert wird.
In der deutschen Hauptstadt hinge-
gen quellen die Mülleimer über, wer-
den die Häuser beschmiert, die Grün-
anlagen nicht gemäht, die abgebroche-
nen Baumäste nach Stürmen liegen
gelassen. Hier sehen manche Sträu-
cher am Wegesrand aus wie räudige
Köter, die mal wieder einen Fasson-
schnitt bräuchten. Und auf den ver-
steppten Mittelstreifen der großen
Straßen wächst nicht einmal mehr das
Unkraut. Denn es braucht auch ein
bisschen Zuneigung.
Der Staat lebt die Lieblosigkeit vor.
Er mischt sich in alles ein und macht
nichts richtig. So wie er Sozialstaat ist
ohne Maß und Mitte, so zittern die
Städte unter der Last der primären
Aufgaben, denn selbst diese (Trans-
port, Wohnen) bewältigen sie kaum
noch. Die Ordnungsämter kommen
nicht an gegen die Unordnung und
den Vandalismus. Die Gesetze sind da,
aber können ob der Fülle nicht ange-
wandt werden. So wird alles Bagatelle.
In der Soziologie gilt seit Langem
schon das Gesetz der „broken win-
dows“. Es besagt, dass ein Defekt,
wird er nicht repariert, zu immer
mehr Verantwortungslosigkeit und

Verwahrlosung führt, Kriminalität
eingeschlossen. Oft bezieht sich das
auf sozial prekäre Viertel. In deut-
schen Städten ist davon jetzt schon
die Mitte infiziert. Selbst in gutbür-
gerlichen Gegenden stolpert man über
weggeworfene Bierflaschen.
Man geht nicht zu weit, dies als
deutsches Problem zu erkennen. Tie-
fenpsychologisch betrachtet, ist das
Gefühl für Verantwortung, für Hege
und Pflege erkaltet. Man lernt das
schon früh in der Familie – oder auch
nicht. Der Müll, das Wegwerfen, ist
ein Sinnbild des instrumentellen Ver-
ständnisses vieler zum Leben, unter
Inkaufnahme der Hässlichkeit. Helfen
da noch ästhetischer Sinn und bürger-
licher Enthusiasmus? Oder müssen
doch Verbot und Sanktion her?

KOMMENTARE

Die Vermüllung der


Städte ist typisch deutsch


WAS HILFT


DAGEGEN, ODER


MÜSSEN DOCH


VERBOT UND


STRAFE HER?


VONANDREA SEIBEL

H


interzimmer“ und „Mauschelei“
waren die Worte der Woche. In
messerscharfer Häme werden sie
immer dann gebraucht, wenn es
um unliebsame Entscheidungen
geht – sei es in Brüssel bei der Su-
che nach einem Nachfolger für
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, sei
es in Berlin, wenn die Bundeskanzlerin Annegret
Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsministerin in
ihr Kabinett holt. Ein Ekel vor der Politik spricht aus
den Artikeln, in denen sie vorkommen; von dem wil-
den Redefluss zu schweigen, der losbricht, wenn die
Sprache auf die Entscheidungen in Brüssel und Berlin
kommt. Fast scheint es, als hätten Rechtspopulisten
und Republikfeinde die Macht übernommen und alle
Köpfe gleichgeschaltet. Selbst die der demokratisch
gesinnten Politiker – von Katarina Barley (SPD) über
Martin Schulz (SPD) und Manfred Weber (CSU) bis
hin zu Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Martin Schulz (SPD) und Manfred Weber (CSU) bis
hin zu Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Martin Schulz (SPD) und Manfred Weber (CSU) bis

In ihrem Furor schrecken diese nicht davor zurück,
genauso wie diejenigen zu reden, welche die Europäi-
sche Union und die repräsentative Demokratie
grundsätzlich ablehnen. Fehlen noch die Millionen
von Mitläufern. Papageienartig plappern sie nach,
was sie hören, lesen oder für den Zeitgeist halten.
Komme noch einer mit der Schwarmintelligenz! Es
gibt sie nicht. Es ist der Stumpfsinn, nicht der Geist,
der sich in der Masse entfaltet. In ihr schwindet die
bewusste Persönlichkeit, Gefühle und Gedanken ge-
hen in dieselbe Richtung – zum Teil durch Suggesti-
on, zum Teil durch Ansteckung. An den Worten „Hin-
terzimmer“ und „Mauschelei“ lässt es sich wahrneh-
men. Womöglich ist es sogar noch schlimmer. Das
Wort „mauscheln“ verweist darauf.
Offenbar ist die deutsche Volksseele noch immer
gefangen im Sumpf des kollektiven Unbewussten. Es
waren die Antisemiten des 19. Jahrhunderts, die das
Wort „mauscheln“ als angeblich jiddisches Wort in
die Öffentlichkeit trugen, um die Juden herabzuset-

Wort „mauscheln“ als angeblich jiddisches Wort in
die Öffentlichkeit trugen, um die Juden herabzuset-

Wort „mauscheln“ als angeblich jiddisches Wort in

zen. Von Israels Prophet Moses – Hebräisch Mosché,
Jiddisch Moische – leiteten sie „mauscheln“ ab. Die
Nazis gebrauchten das Wort mit Vorliebe in ihren
Gazetten, um das jüdische Geschäftsgebaren zu
brandmarken. Bis heute steht Mauschelei und mau-
scheln laut Duden für „wie ein jüdischer Händler Ge-
schäfte machen“, also „unter der Hand in undurch-
sichtiger Weise Vorteile aushandeln oder begünsti-
gende Vereinbarungen treffen“.
Das letzte Wort hat die Sprache. Und Sprache ist
nicht das, womit man etwas beschreibt, sondern wo-
mit man denkt. Mauscheln und Mauschelei gehören
dringend in das „Wörterbuch des Unmenschen“.

Stattdessen erfreuen sie sich großer Beliebtheit und
werden in bewusster oder unbewusster Niedertracht
dazu verwendet, die Suche nach Auswegen und Kom-
promissen zu verunglimpfen.
Und das alles auch noch im Hinterzimmer! Dieses
steht für Verschwörung und Arglist, für Kabalen und
Ränkespiele, für Schmiergeld und Nebenabspra-
chen, für Spelunkenluft, für dunkle Ecken und ge-
heimnisvolle Türen, hinter denen die Halunken im
Regierungssold ihr Unwesen treiben oder die Kanz-
lerin AKK zur Verteidigungsministerin macht, ob-
gleich diese noch Wochen vorher öffentlich erklärte,
nie, nie, nie ins Merkel-Kabinett eintreten zu wol-
len. Dass Hinterzimmer, also vertrauliche Gesprä-
che, Bedingungen sind, um Durchbrüche in Ver-
handlungen zu erzielen, lässt sich seit Jahrhunder-
ten beobachten – von den Gesprächen am Rande des
Wiener Kongresses über die legendäre Pyjama-Kon-
ffferenz Walther Rathenaus 1922 in Rapallo bis hin zuerenz Walther Rathenaus 1922 in Rapallo bis hin zu
den Klimagipfeln der Gegenwart. „Wir hätten heute
kein ratifiziertes Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz,
wenn ich 2001 als Bundesumweltminister keine
Möglichkeit gehabt hätte, mit der sehr konservati-

ven japanischen Umweltministerin in vertraulichem
Rahmen über die Interessen ihre Landes zu spre-
chen und so zu einem Kompromiss zu kommen“, er-
innerte sich Jürgen Trittin diese Woche in einem
Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“.
Und in Europa? Noch am Abend des 26. Mai – dem
Tag der Europawahl – eilte der Spitzenkandidat der
EVP, Manfred Weber, nach Brüssel, um im Hinter-
zimmer in vertraulichen Gesprächen mit den ande-
ren Fraktionen seinen Anspruch auf den Posten des
EU-Kommissionspräsidenten durchzufechten. Ver-
geblich. In eben diesen Hinterzimmern konnten sich
die frisch gewählten Abgeordneten weder auf Man-
fred Weber noch auf Frans Timmermans von den So-
zialdemokraten einigen. Umso empörter reagierten
sie, als die demokratisch gewählten europäischen
Staats- und Regierungschefs nun ihrerseits auf einem
Gipfeltreffen Anfang Juli mit Ursula von der Leyen

eine eigene Kandidatin für das Amt präsentierten.
Wie die Radaubrüder des rechten Rands schimpften
plötzlich auch die Barleys, Webers und Schulzens der
europäischen Welt über die angebliche Mauschelei
und Hinterzimmerdiplomatie. Zusammen mit Euro-
pas Grünen verunglimpften sie das Vorgehen des Eu-
ropäischen Rates als undemokratisch. Dass der Gip-
felbeschluss genau der Rechtslage entspricht und
diese die Rolle des Spitzenkandidaten gar nicht
kennt, wischten sie genauso beiseite wie die Tatsa-
che, dass das Europäische Parlament kein demokrati-
sches ist.
In der Europäischen Union geht die Unionsgewalt
von den Mitgliedstaaten aus, nicht vom Volk. In sei-
nem Urteil zum Vertrag von Lissabon stellte das Bun-
desverfassungsgericht 2009 fest: „Das Europäische
Parlament ist weder in seiner Zusammensetzung
noch im europäischen Kompetenzgefüge dafür hin-
reichend gerüstet, repräsentative und zurechenbare
Mehrheitsentscheidungen als einheitliche politische
Leitentscheidungen zu treffen. Es ist gemessen an
staatlichen Demokratieanforderungen nicht gleich-
heitsgerecht gewählt und innerhalb des supranatio-
nalen Interessenausgleichs zwischen den Staaten
nicht zu maßgeblichen politischen Leitentscheidun-
gen berufen.“ In anderen Worten: Das Europäische
Parlament wird in freier und geheimer, aber nicht in
gleicher Wahl gewählt. Streng genommen ist es ähn-
lich demokratisch wie das preußische Dreiklassen-
wahlrecht. Heinrich August Winkler wies darauf in
der „Neuen Zürcher Zeitung“ hin. „Im Nachhinein
aus der Wahl ein Plebiszit für das Prinzip Spitzenkan-
didatur zu machen, heißt, die Tatsachen im Sinn der
eigenen Prämisse zurechtzubiegen“, fügte der Berli-
ner Historiker zu Recht noch hinzu. Im breiten Emp-
finden, dass heute die Hinterzimmerkungelei die De-
mokratie bestimmt, wirkt seine Mahnung wie auf
Sand geschrieben und in den Wind gesprochen. Es
wäre wert, sie ernst zu nehmen, denn der Vorwurf
der „Mauschelei“ schürt den Argwohn gegenüber der
Demokratie.
Derzeit nutzt eine lautstarke Minderheit jede
missliebige politische Nachricht dafür, nicht nur den
europäischen Gedanken, sondern gleich auch das
westliche Werte- und Regierungssystem infrage zu
stellen. Mal wertet sie die Absprachen im Hinterzim-
mer, mal den offen ausgetragenen Streit zwischen
den Koalitionsparteien als Beleg für das angeblich
morsche Wrack der Demokratie. Gleichzeitig stellt
sie der repräsentativen Demokratie den Willen des
Volkes gegenüber. Dieser könne sich nur durch eine
plebiszitäre Demokratie entfalten und mache eine
Regierung eigentlich unnötig.
Die alte Sehnsucht nach der Volksgemeinschaft ist
wieder da. Sie hat große Teile der AfD und deren Um-
feld ergriffen und bahnt sich ihren Weg vor allem in
den östlichen Bundesländern. Wer von ihr ergriffen
wird, der vergisst: Demokratie ist immer Auftrags-
herrschaft. Das Grundproblem der Demokratie be-
steht darin, dass das Volk zwar die Quelle aller öffent-
licher Gewalt ist, aber diese nicht selbst ausüben
kann. Hans Kelsen sah bereits in den 20er-Jahren,
welche Möglichkeit diese Tatsache ihren Gegnern
bietet. In seinem Buch „Vom Wesen und Wert der De-
mokratie“ sprach der große österreichische Verfas-
sungsrechtler von der „metapolitischen Illusion“ –
einer Fiktion des „Volkes“, welches die Feinde der
Demokratie gegen die repräsentative Demokratie
und ihre Institutionen jederzeit ausspielen könnten.
Heute wird es genauso gehandhabt. Worte wie „Mau-
schelei“ und „Hinterzimmer“ helfen dabei – und sei-
en sie auch nur gedankenlos nachgebetet.
Berlin ist nicht Weimar und Hysterie nicht ange-
bracht. Dennoch lohnt ein kurzer Gedanke an die
Jahre, bevor Hitlers Stulpenstiefel Europa in Grund
und Boden stampften. Weimar ist aus vielen Gründen
untergegangen. Einer davon war die Kurzsichtigkeit
und das Mittelmaß der politischen Elite.

Es lebe das


Hinterzimmer


Die Woche war bestimmt durch zwei Begriffe: Mauschelei und


Hinterzimmer. Jeder betet sie nach und regt sich auf. Ist die


Empörung eigentlich gerechtfertigt, fragt Jacques Schuster


ESSAY

DIE DEUTSCHE VOLKSSEELE


STECKT IMMER NOCH IM


SUMPF DES KOLLEKTIVEN


UNBEWUSSTEN


W


eit mehr als 400.000 Men-
schen haben letztes Jahr
die katholische und die
Evangelische Kirche verlassen – ein
Alarmzeichen für die einst so mächti-
ge Amtskirche und ihre Würdenträger.
Zwar bilden die Christen aller Konfes-
sionen immer noch eine Mehrheit in
der Bevölkerung, aber weiterer drama-
tischer Schwund ist absehbar. Auf den

ersten Blick scheint es nicht schwer,
Gründe für diese nicht ganz neue Ent-
wicklung zu finden: die fortschreiten-
de Säkularisierung und Individualisie-
rung des Alltagslebens, die schier un-
aufhaltsame Differenzierung der Le-
bensstile samt der Auflösung traditio-
neller Milieus, gesellschaftliche Ver-
werfungen durch die Globalisierung
und ein digitalisierter Konsumhedo-
nismus, der zum Glaubensersatz wird.
Dazu kommen noch all die unglaub-
lichen, jahrzehntelangen Vergehen se-
xuellen Missbrauchs durch Priester
beider Kirchen und, nicht zuletzt, die
Kirchensteuer, die viele Bürger für ein
Relikt vergangener Zeiten halten – so
wie den Zölibat und das Verbot für ka-
tholische Frauen, von der Kanzel zu

predigen. Alles richtig. Doch es erklärt
noch nicht vollständig diese rasante
Talfahrt, während zugleich das Be-
dürfnis nach Orientierung, Halt, Ge-
meinschaft und, ja, auch Glauben
wächst, wie zuletzt der Evangelische
Kirchentag in Dortmund gezeigt hat.
Sollte es hier eine Parallele zu den
beiden ehemals großen Volksparteien
CDU/CSU und SPD geben, die ebenso
kontinuierlich Mitglieder verlieren?
Vor allem die SPD will Speerspitze des
Fortschritts sein und schrumpft im-
mer weiter. Könnte es also sein, dass
hier wie dort die Sonntagsrede vom
„Bürgerdialog“, von „Achtsamkeit“
und der „bunten Gesellschaft“ von all
jenen als hohle Phrasen wahrgenom-
men wird, die eines wirklich bräuch-
ten: die Beachtung ihrer Sorgen und
Nöte und seien sie auch noch so weit
entfernt vom Diskurs, der im Rat der
Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) und in der Katholischen Bi-
schofskonferenz geführt wird? Kurz:
Bräuchte es womöglich eine ganz neue
Definition des alten Begriffs der „Seel-
sorge“, einen neuen Anlauf der christ-
lichen Kirchen, jenseits des hohen
Tons moralischer Überlegenheit auf

lichen Kirchen, jenseits des hohen
Tons moralischer Überlegenheit auf

lichen Kirchen, jenseits des hohen

die zerklüftete gesellschaftliche Wirk-
lichkeit zuzugehen?

Verlorene Seelen


VONREINHARD MOHR

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