SEITE 2·DIENSTAG, 3.MÄRZ2020·NR.53 FPM Politik FRANKFURTER ALLGEMEINEZEITUNG
Trumps Zugeständnissekönnten zugroß sein
DiebritischeZeitung„Times“(London)kommen-
tiertdasAbkommen zwischenWashingtonundden
Taliban:
„Das Ende einesKrieges, besonderswenn er so lange
andauert wie derKonflikt in Afghanistan, sollteviel-
leichtkein Moment desFeierns, aberwenigstens des
Optimismus sein. Dochesist schwer,etwas Begrü-
ßenswertesindem ,Peace Deal‘ zufinden, der am
Wochenende zwischen denVereinigtenStaaten und
den Taliban nach 18 JahrelangenKämpfenverein-
bartwurde....Der WunschDonaldTrumps, seine
Truppen abzuziehen, istverständlich. Der Krieg hat
Milliardenverschlungen und mehr als 2400 amerika-
nische Lebengefordert. Dochins einer vonden Er for-
dernissen desWahlzyklus bestimmten Eilekönnte
der amerikanischePräsident Zugeständnisse ge-
macht haben, die zuweit gehen.“
Amerikas Flucht aus Afghanistan
Zu demAbkommen zwischen Amerikaund denTali-
ban schreibt dierussische Zeitung „MoskowskiKom-
somolez“:
„Die VereinigtenStaatenverziehen sichaus Afgha-
nistan. Dabei hatWashington nochvornicht allzu
langerZeit Moskau ,geopolitischesRowdytum‘vorge-
worfen, weil russische Diplomaten angeblich gehei-
me Verhandlungen mit der inRussland verbotenen
Taliban-Bewegung geführthätten. Mit dem nun un-
terzeichnetenAbkommen zwischen Amerikaund
den Taliban istaber derwahreAnsatz diesesamerika-
nischenVorgehens klargeworden. DieAdministrati-
on vonPräsidentTrumphat selbstverhandeltmit der
terroristi schennGruppie rung,die großeTeileAfgha-
nistans kontrolliert. Die VereinigtenStaatenverlas-
sen also ein Land, in dem sie schon seitlangerZeit
nichts mehr erreicht haben. Es isteine Flucht mit ein-
gezogenem Schwanz.Wo istdenn die funktionieren-
de moderne afghanischeRegierung, für deren Schaf-
fung WashingtonMilliarden Dollar ausgegeben hat?
Stattdessen gibt es eine blühende massenhaftbewaff-
nete Bewegung mit einer mittelalterlichenWeltsicht.
...Ganz sicher haben wir (inRussland)kein Recht,
das zu moralisieren. Die Amerikaner haben zwar die-
selbenFehler gemacht wie einstdie Sowjetunion in
Afghanistan–aber mit deutlichwenigerVerlust.“
Taliban habenvon Trumpnicht viel zu befürchten
DerSchweizer„Tages-Anzeiger“(Zürich) meint zu
demAbkommen:
„Nac hdem Vertragsabschlussvon Doha haben die Is-
lamistenvon PräsidentTrumpnicht mehr viel zu be-
fürchten. DieTaliban dürfennach Kabul zurück, gut
zweiJahrzehntenachihremSturz. Zwar sind die Isla-
mistennicht der alleinigeSieger des Afghanistan-
Kriegs, denn dieser Kriegkennt keine Sieger.Aber
die Islamistenkönnen nun auf einen ersten diploma-
tischen Erfolg bauen: Zunächstverpflichten sichdie
VereinigtenStaaten, das Land zuverlassen.Underst
nachdieser Zusagemüssen sichdie Taliban mit der
afghanischenRegierung an einen Tischsetzen.“
Informationkann AngstvorVirus nicht nehmen
ZurAusbreitung des neuartigen Coronavirus
schreibtdie französischeZeitung„Midi Libre“
(Saint-Jean-de-Védas):
„Inzwischen isteseher die Beunruhigung, die be-
kämpft werden muss. Das Beispiel Louvre, dessen
Beschäftigte(aus Sorge um die Epidemie) ihreAr-
beit niedergelegt haben, zeigt,dassdie tägliche und
nützlicheKommunikationdie Angstvor dem–noch
voreinemMonat unbekannten–Virus nicht beseiti-
genkann. Eskommen also hier und dortFragenauf
zu großen Veranstaltungen und zur Präsenzeines je-
den Einzelnen in Gruppenoder Menschenmengen.“
Wirdürfe nnicht Fehler von2015 wiederholen
Die dänischeTageszeitung„Berlingske“(Kopenha-
gen)kommentiert, dass die Türkeidie Grenzen zur
EUgeöffnet hat:
„DieEntwicklungzeigt, dass es eineriskan te Strategie
ist, die Lösung des Asyldrucks an de neuropäischen
Grenzen in andereLänderaus zulagern.Damit wird
man leicht zum Opfervon Erpressungsversuchen,ge-
naus owie wir nichterwartenkönnen,dassdie Rechte
vonFlüchtlin genrespektiert werd en. Vereinbarungen
mitDrittländernwie de rTürkeidürfenniemals allein
stehen.Wenn wi rsehen, wir jetztZehntausendeversu-
chen,die Grenze nach Grie chenlan dzuüberwinden,
werden wi rdaran erinnert, wiewichtigesist,die EU-
Außengrenzen wirksamzuschützen.“
STIMMEN DER ANDEREN
elo. BERLIN.Der 11. Integrationsgipfel
der Bundesregierung hat sichamMontag
im Kanzleramtvorallem mit der Phase
vorder ZuwanderungvonMigranten be-
schäftigt.Indieser sollen Menschen, die
die Absicht haben, nachDeutschland zu
kommen,Orientierung erhalten, damit
sie keineunrealistischen Erwartungen ha-
ben. Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) sagtenachdem Treffen, dabei
gehe es etwa um Sprachkenntnisse,kultu-
relles und berufsspezifisches Wissen. Mer-
kelwies darauf hin, dassam1.Märzdas
Fachkräf teeinwanderungsgesetz in Kraft
getretensei. Sie erinnerte an dieZeiten
der „Gastarbeiter“, die man in der Annah-
me nachDeutschlandgeholt habe,dass
sie das Land wiederverlassen würden.
Am Montag sagtesie, Integration sei je-
dochkeine „Ein-Generationen“-Debatte.
Aufdem Integrationsgipfel ging es um
die erstePhase des „Nationalen Aktions-
plans Integration“.Die Staatsministerin
für Integration, AnnetteWidmann-Mauz
(CDU), die dasTreffenimKanzleramt
vorbereitet hatte, sagte, mit derSteue-
rung vonErwartungenvordem Beginn ei-
ner Zuwanderung leitedie Bundesregie-
rung einenPara digmenwechsel ein. Erst-
maligwerdedargestellt, wie bereits im
Herkunftsland systematischbegonnen
werden könne, Einwanderer auf Deutsch-
land vorzubereiten, um so die Integration
zu erleichtern. Deutschland knüpfemit
diesem Vorgehen an die Erfahrungen
klassischer Einwanderungsländer an. An
der Veranstaltung nahm derkanadische
EinwanderungsministerMarco Mendici-
no teil. Insgesamtwirken300 Akteureaus
Bund, Ländernund denKommunen,von
den Sozialpartnernund aus der Zivilge-
sellschaftsowie 75 Migrantenorganisatio-
nen an dem Aktionsplan mit.Arbeitsmi-
nisterHubertus Heil (SPD)macht eklar,
dass Deutschlandsich umgeeigneteFach-
kräfte aus demAusland bemühen müsse.
„Wir können nicht davonausgehen, dass
die Fachkräf te der Welt uns jetzt die Bude
einrennen.“
Die Bundesregierung hatteden Inte-
grationsgipfel genutzt,umunmittelbar
vorher mit Migrantenverbänden über die
Morde an Muslimen im hessischen Ha-
nau zu sprechen.Merkelsagte, es hande-
le sich um „Rechtsextremismus“,die Tat
sei „ausdiesemGedankengutgespeist“,
da gebe es „überhauptnicht sdrumher-
umzureden“. JederMensch, der in
Deutschland lebe, müsse sichsiche rfüh-
len. Mansteheunter dem Eindruck der
Anschlägevon Hanau, sagteMerkel. Es
handele sichum„Opfer isl amfeindlichen
Hasses“. Widmann-Mauz sagte:„Rechts-
extremismus istderzeit diegrößteGe-
fahr in unserem Land.“Notwendig seien
mehr nachhaltigeExtremismuspräventi-
on und Demokratiearbeit.„Wir müssen
dabei auchMuslimfeindlichkeitstärker
berücksichtigen.“ Beschlossen wurde am
Montag die Einrichtungeines Kabinetts-
ausschusse sgegenRechtsextremismus
undHass. Heil sagte,das sei das „richtige
Signal“.
DieAntidiskriminierungsstelledes
Bundes drangauf ein entschiedeneres
Vorgehen gegenrassistischeDiskriminie-
rung. DerSchutzdavor müsse„klarund
deutlich als KernaufgabeimKampfge-
genRassismus undfür Integration ver-
standenwerden –auchvon de rBundesre-
gierung“, sagte derkommissarische Lei-
terBernhard FrankeinBerlin. Deshalb
sei eineRefor mdes 14 Jahrealten Allge-
meinen Gleichbehandlungsgesetzes
(AGG)überfällig.„Wie zahlreicheStudi-
en belegen, sin dBetroffene in vielen Be-
reichen nicht ausreichen dvor Diskrimi-
nierunggeschütztund können sich oft
nicht effektiv gegenBenachteiligung
wehren“ ,erklärte Franke.„Wirerleben
in de nletzten Jahreneinenmassiven An-
stieg rassistisc hmotivierterDiskriminie-
rungen im Arbeitsleben und bei Alltags-
geschäf ten.“ Viel zu oftwürden Men-
schenwegenihres Namens, ihres „nicht-
deutschen“ Aussehens oder ihrerReligi-
on bei Bewerbungenübergangen, bekä-
men keine Wohnung oder würden pau-
schalvonder Teilhabe amgesellschaftli-
chen Leben ausgegrenzt.
Führende Mitglieder der SPD-Bundes-
tagsfraktionfordertenintensiveBemü-
hungen zur Integration. Diestellvertreten-
de Vorsitzende EvaHöglsagte, der Inte-
grationsgipfel müsse einen klarenFahr-
plan erarbeiten. Auchdas zeigten die
„schrecklichen Ereignisse in Hanau“.Vie-
le bereits seit Jahren in Deutschland le-
bende Migranten fühlten sich„ausge-
grenzt und nicht mehr sicher“. Diestell-
vertretende Fraktionsvorsitzende Katja
Mastsagte, die Grundlagen für einegelin-
gende Integration „können wir bereits im
Herkunftsland legen, indem wirvorOrt
aufklären und informieren–über Arbeits-
plätze, die Anerkennungausländischer
Berufsqualifikationen undZukunftsper-
spektiven“. Man habe aus denFehlern
der Vergangenheitgelernt, sagtedie stell-
vertretende Fraktionsvorsitzende.
RealistischereErwartungen an Deutschland
Integ rationsgipfel imKanzleramt/Heil: Müssen uns umgeeignete Fachkräf te bemühen/Merkel: Jeder MenschinDeutschland musssichsicher fühlen
W
erden es bald Millionen
Flüchtlingesein, die an Eu-
ropas Grenzenstehen? Der
türkische Präsident Recep
Tayyip Erdogan will das offenbar glauben
machen. Am Montag hat erversucht, den
Druc kauf Europaweiter zu erhöhen. In
einer Rede vorFunktionären und Mitglie-
dernseinerPartei AKP sagteerinAnka-
ra,Europakönntesichbald mit „Millio-
nen Flüchtlingen“ konfrontiertsehen.
Hunderttausend hätten sichbereits auf
den Weggemacht.Abermals klagteErdo-
gan, Europa lasse dieTürkei beider Be-
wältigung des Flüchtlingsproblems allein.
Vonnun anwerdeEuropa diese Lastaber
mittragen müssen, so der Präsident in der
vomFernsehen übertragenenRede. Er
habe in denvergangenenTagenzahlrei-
cheAnruf eeuropäischerPolitiker mit der
Bittebekommen, die Grenzen wieder zu
schließen.Zudem hätten ihn „vier oder
fünf Länder“gebeten, ein Gipfeltreffen
auszurichten.
Verärgertäußerte sichErdogan dar-
über,dassder Nato -Rat amvergangenen
Freitag keine konkreten Maßnahmen zur
Unterstützung derTürkei beschlossen hat,
um denVormarsch der syrischen Armee
in der Provinz Idlib zustoppen. Am Sams-
tag hatteder türkische Präsident in einer
Rede gesagt, dieGrenzen nach Europasei-
en nun offen. EinenTagzuvor waraus ei-
nem TreffenErdogans mit den Ministern
für Verteidigung undÄußeres sowie dem
Geheimdienstchef durchgesickert,die
Grenzen solltenlediglich72Stunden lang
für geöffne terklärtwerden.
Der Kommunikationsdirektor Erdo-
gans, Fahrettin Altun, schrieb aufTwitter,
in denvergangenenTagenhätten bereits
mehr als 80 000 Migranten dieTürkei
Richtung Europaverlassen. Der türkische
InnenministerSüleyman Soyluhatte
nochmehr zu bieten: Er nanntesogar die
Zahl von117 677 Migranten, die ausge-
reistseien. Die halbstaatlicheNach rich-
tenagentur Anadoluverbreit ete, in den
Städten und Dörfern nahe der Grenze zu
Griechenlandwürden „bedeutende irre-
guläreMigrationsströme“ beobachtet;im
Niemandsland zwischen der türkischen
Grenzstadt Pazarkule nahe Edirne und
dem griechischen Grenzposten Kastanies
befänden sich2000 Migranten.
Dievon der türkischenFührun ginAn-
kara genanntenZahlendienenindesei-
ner innenpolitischen Entlastungsstrate-
gie. Siewerden wedervon denFotos an
den Grenzübergängenbestätigtnochvon
Augenzeugen. AufFotos vomtürkischen
Grenzübergang Pazarkule sind lediglich
mehreretausend Migranten zu sehen,
die auf eine Gelegenheit warten, um
nachGriechenlandzugelangen.Über-
wiegendhandeltessichumMigran ten
aus Afghanistan. Nicht nachweisenlässt
sichbislang, dassdie Türkei einen mas-
senhaftenExodus an die Grenzen zu Bul-
garien un dGriechenland selbst organisie-
renkönnte. Mitgroßer Wahrscheinlich-
keit handelt es sich um individuelle Ak-
tionen derMigranten oder aber auchvon
türkischen Bürgern. Mutmaßlichhat die
türkischeFührun gkein Interesse an Bil-
dernvon einemgroßen Flüchtlingstreck
quer durch die Türkei. Denn dieskönnte
der türkischenBevölkerung den Ein-
druc kvermitteln, dassdie Regierung das
Flüchtlingsthema nicht mehr im Griff
habe.Als nochgrößere Gefahr gilt unter
ausländischen Beobachtern, dassein sol-
cher Marscheine Eigendynamik entwi-
ckeln könnte, die nicht mehr zukontrol-
lieren sei.
Bislang istkein Fall bekannt, in dem
beispielsweise mehrereBusse für einen
solchenTransportgemietetwordenwä-
ren. Zudemkommen diemeisten ausreise-
willigen Migranten aus demWestt eil der
Türkei, vorallem aus dem Großraum Is-
tanbul, und nicht aus dem Ostendes Lan-
des und den Grenzregionen zu Syrien.
Eine Rolle spielt dabei, dassdie Türkei
ihreGrenze zu Syriengeschlossen hält
und die Grenzanlagen sogarweiter ver-
stärkt .Die arabischsprachigeWebsitedes
StaatssendersTRT zeigteauf einer Land-
kartejedochmöglicheWege,umandie
Grenzen zugelangen undvondortnach
Mitteleuropa.
Ausder Grenzregion zu Bulgarien wird
berichtet,dassPolizistenMigranten da-
vonabhalten, sichinRichtung Bulgarien
zu be wegen. Nahe Edirne liegt dervoral-
lem vonLastwagen benutzteGrenzüber-
gang Kapikule, über den ein Großteil des
Warenverkehrszwischen derTürkeiund
der EUverläuft.
Vondem Ansturmder Migranten sind
vorallem dieÜbergängenachGriechen-
land betroffen: derjenigenahe derStadt
EdirnevonPazarkule nachKastanies und
derjenigenahe Kesan vonIpsala nachKi-
poi. Auch hier lenken türkischePolizisten
die Migranten aber offenbarweg vonden-
jen igen Bereichen derÜbergänge, die
vonLastwagen benutztwerden; sei es,
um denWarenv erkehr nicht zugefähr-
den, oder sei es, um zuverhindern, dass
frustrierte Migranten Lastwagen anzün-
den. Da Griechenlandkeine Flüchtlinge
ins Land lässt,versuchen immer mehr
vonihnen, über die „grüne Grenze“ und
durch den FlussEvros, der über viele Kilo-
meterdie Grenze zwischen derTürkei
und Griechenlandbildet, nachEuropa zu
gelangen. Eine signifikanteZunahmevon
Bootenvon der türkischenÄgäisküste zu
den griechischen Inseln istallerdings –
noch–nicht zu beobachten.Jedochsol-
len Polizistenander Küst eMigranten in
geringerem Maße als zuvor davonabhal-
ten, Boote zu besteigen.
Die griechischeRegierung hattedes-
sen ungeachtet am Sonntag eineNotlage
erklärtund bei der EU-Grenzschutzbehör-
de Frontex schnelle Eingreifteams ange-
fordert. Diese Anforderung bezog sichzu-
nächs tnur aufVerstärkung für den Ein-
satz in derÄgäis. Dortsind schon gut 400
Frontex-BeamteimEinsatz. Offenbar
rechnet Griechenland mit einerweiteren
Zuspitzung der Lageauf den fünf Inseln
vorder türkischenKüste, wo Migranten
seit 2016 erfass tund untergebrachtwer-
den, zuletzt unter menschenunwürdigen
Umständen.NachGesprächen mitFron-
texwird bei der inWarschau ansässigen
Behörde nun aber aucheine Anforderung
für die Landgrenze zurTürkei er wartet.
Frontex-DirektorFabrice Leggeristimm-
te am Montag einem schnellen Einsatz
zu, ein Operationsplan wirdnun unter
Hochdruckausgearbeitet.
SchnelleEinsatzteams sollen Mitglied-
staaten unterstützen, die schnell Hilfewe-
geneiner nichtvorhersehbaren Entwick-
lung benötigen. Alle EU-Staaten halten
dafür eigene Kräfte in Bereitschaft, insge-
samt 1500 Mann. Sie sollen binnenfünf
Werktagenverlegtwerden können, ihre
Ausrüstung binnen zehnWerktagen. Al-
lerdings entscheidet jeder Staat selbst, ob
er Kräfte auchtatsächlichinMarsch
setzt .„Wirhängenvollständigvonden Zu-
sagen unserer Mitgliedstaaten und der as-
soziierten Mitgliederdes Schengen-
Raums ab“, sagteeine Frontex-Spreche-
rindieserZeitung.Über einen eigenen
Pool an Einsatzkräften, zunächst700,
werdedie Grenzschutzbehörde erst im
kommenden Jahrverfügen können. „Die
ersten Beamtenkönnten Anfang nächster
WocheamEinsatzortsein“, sagtedie
Sprecherinweiter .Frontex prüftaußer-
dem, ob Kräfte,die andernorts schon im
Einsatz sind, nachGriechenlandverlegt
werden können.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula
vonder Le yensagteamMontag,manwol-
le Griechenland und Bulgarien alle not-
wendigeUnter stützung leisten. „Die Her-
ausforderung, der sichGriechenlandge-
genübersieht,ist eine europäische Heraus-
forderung“,sagtevon der Leyen. An die-
sem Dienstagwirdsie gemeinsam mit
den PräsidentenvonRat undParlament,
Charles Michel und David Sassoli, in die
Region Evrosreisen, um sichamOrt ein
Bild vonder Lageander Landgrenze zur
Türkei zu machen.
bub. BERLIN.Der Satz, dasssichdie
Situationvon2015 nicht wiederholen
dürfe,ist zum Mantrader deutschen
Migrationspolitikgeworden.Das Bun-
desinnenministeriumverweistbei je-
der Gelegenheit auf die zahlreichen
gesetzlichen und organisatorischen
Änderungen, die eineWiederholung
verhindernsollen. Regierungsspre-
cher Steffen SeibertsagteamMontag,
2015 und 2020 seien „sehr unter-
schiedlich“. Mittlerweile gebe es das
EU-Türkei-Abkommen, die Grenz-
schutzbehördeFrontex sei besser auf-
gestellt.Bislang, so sagteein Sprecher
des Bundesinnenministeriums, sei die
Zahl der Migranten, die in Deutsch-
land ankämen, nichtgestiegen.
Trotzdem bekräftigen insbesonde-
re Unionspolitiker,dassdie Situation
an der EU-Außengrenze heuteanders
gelöstwerdenmüssealsdamals–und
dabeigeht es mindestens so sehr um
die Kommunikation wie umkonkre-
tesHandeln.Friedric hMerz, Kandi-
dat für den CDU-Vorsitz, sagtedem
MDR, es müsse das klareSignalge-
ben: „Es hat keinen Sinn, nach
Deutschland zukommen.Wirkönnen
euchhier nicht aufnehmen.“ Die Lage
sei schwierig, aber es dürfe keinen
abermaligen Kontroll verlustgeben.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lind-
ner forderte dieKanzlerin sogar auf,
„klar öffentlich“ zu sagen, „dasses
eine unkontrollierte Einreise nach
Deutschland nicht mehr gibt“.Seit
Jahren sei seine Partei dafür,dassim
Krisenfall auchdie Zurückweisung an
der deutschen Grenze möglichsein
müsse, so Lindner.Das Themawar
Grund für einen schwerenKonflikt
zwischen CDU und CSU im Sommer
2018 gewesen.
Auch die Grünen-Vorsitzende An-
nalena Baerbocksprac hvon „Huma-
nität und Ordnung“. Dochsie brachte
eine europäische Lösung ins Spiel,
die sichnicht auffinanzielle Hilfen
für dieTürkei beschränkt.Die Bereit-
schaft, das Problem mit Geld für die
Türkei zu lösen, istinBerlin groß.
Baerbockaber sprachsichdafür aus,
Kontingentevon Migranten auf die
EU-Staaten zuverteilen.„Wenn nicht
alle mitmachen, müssen einigevoran-
gehen und dafürfinanzielle Hilfeer-
halten“, sagtesie derZeitung „Die
Welt“. „Deutschland solltevoraus-
schauend seine eigenenKapazitäten
an Flüchtlingsunterkünftenwieder
aktivieren.“Ausder Union gabes
schar fe Kritik.Der Vorschlag liefefak-
tischauf „eine unkontrollierbare
Grenzöffnung hinaus“, sagteder stell-
vertretende Vorsitzende derUnions-
fraktion Thorsten Frei. „Wir befinden
uns in einerKrisensituation,inder un-
bedachteÄußerungen schnell den
Stein ins Rollen bringen und dieFüh-
rung verlorengehen kann.“Baer-
boc ks Plan könne rascheine Lawine
lostr eten. Bei AfD-Chef JörgMeu-
thenklang es nochmal anders: „Gren-
zen dicht, sofort“, schrieb er aufFace-
book.Eszeichne sichein „histori-
scher DammbruchinS achen illegaler
Massenmigration“ ab.
Erdogans
Millionen
VoreinemgeplantenTreffender Präsi-
dentenRuss lands und derTürkei, Wla-
dimir Putin undRecep Tayyip Erdogan,
will dieTürkei durch eine Offensivein
Idlib ihreVerhandlungspositionverbes-
sern. Erdogan sagteamMontag, Ziel
sei ein dauerhafterWaffenstillstand.
Am Sonntag hattedie Türkei mit dem
Ablauf des Ultimatums an das syrische
Regime, sichhinter die Linie der zwölf
türkischen Beobachtungspostenzurück-
zuziehen,mit der „OperationFrühlings-
schild“ begonnen. Am Montag sagte
VerteidigungsministerHulusi Akar,zu
Beginn der Operation habe man zwei sy-
rische Kampfflugzeugeund acht Droh-
nen abgeschossen sowie 135 Panzer
und fünfLuftabwehrsy steme der syri-
schen Armee zerstört. Zudem habe die
Türkei in den vergangenen Wochen
2557 syrische Soldaten „neutralisiert“,
also getötet, verwundetoder gefangen
genommen. Akarrechtfertigtedie Ope-
ration damit,dassdie Türkei als Garan-
tiemacht für Idlib, wie es imAbkom-
men vonSotschi vomHerbstfestge-
schrieben sei, handle, um den Vor-
marschder syrischen Armee zustop-
pen. Erdogan sagteamMontag, der syri-
sche MilitärflughafenNairan nahe Alep-
po sei zerstörtworden.Russ land warn-
te daraufhin, die Sicherheit türkischer
FlugzeugeimsyrischenLuftraumkön-
ne nicht „garantiert“werden.
Unterdessen bestätigtePutins Spre-
cher Dmitrij Peskow,dassPutin Erdo-
ganamDonnerstagzueinem „Arbeits-
besuch“ in Moskau empfangenwerde.
Es werdeumdie LageinIdlib gehen und
„sicherkein einfachesTreffen“. Vorige
WochehattePeskow eine Ankündigung
Erdogans, eswerdeamDonnerstag ein
Treffenmit Putin, Bundeskanzlerin An-
gela Merkelund dem französischen Prä-
sidenten Emmanuel Macron in Istanbul
geben, mit denWorten zurückgewiesen,
Russlands Präsident habe an demTer-
min anderePläne. Her./frs.
Kein
zweites „2015“
Wiedie deutsche
Politik reagiert
Dertürkische Präsident
droh tder EUmit noch
mehr Flüchtlingen .An
denGrenzen sieht es
inde ssen andersaus.
VonThomas Gutschker,
Brüssel, undRainer
Hermann, Ankara
„OperationFrühlingsschild“