Der Standard - 20.02.2020

(Romina) #1

DERSTANDARD GeldStandard DONNERSTAG,20. FEBRUAR2020 | 15


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DasGeschäft mit demgeliehenenUterus


EinTiroler Gericht hat dieWunscheltern des Kinds einer ukrainischenLeihmutter anerkannt


Aloysius Widmann

W


enn der eigene Körper
nicht will, kann Geld
doch so manchen Kin-
derwunsch erfüllen. Der globale
Markt für Leihmutterschaft dürfte
sich im laufenden Jahr auf 21 Mil-
liarden US-Dollarbelaufen, schätzt
Alys Eve Weinbaum in ihrem Auf-
satz im Büchlein Racist Logic, das
2019 bei MIT Press erschienen ist.
Rund acht Millionen Babys haben
Leihmütter bis heute geboren. Die
Expertin schätzt aber, dass es in
den kommenden Jahren sehr vie-
le mehr werden. Der Anteil der
USAamweltweitenMarktfürLeih-
mutterschaft macht rund 30 Pro-
zent aus.
Weinbaum, die an der Univer-
sität Washingtonlehrt, nimmt dies
zum Anlass, um über so manchen
Aspekt der Leihmutterindustrie
nachzudenken. Biokapitalismus
nennt die Autorin die Flüsse von
fertilisierten Eizellen und Geld in
ärmere Teile der Welt und die
Rückflüsse von Kindern –und
später produktiven Arbeitskräften
–indie reiche Welt. Und sie fragt:
Wie kam es dazu, dass wir Leih-
mutterschaft und die daraus gebo-


renen Kinder als handelbare Wa-
ren akzeptieren?
Dass der Essay in einem Sam-
melband abgedruckt ist, der sich
aus unterschiedlichen Blickwin-
kelndemThema„RaceCapitalism“
widmet, lässt die Denkrichtung
vermuten. Jedoch geht die Ant-
wort Weinbaums ins Philosophi-
sche, und ein allzu kurz geratener
Abriss täte ihr großes Unrecht.
Zusammenfassend: Es geht bei
Weinbaum um strukturellen Ras-
sismus und Parallelen zur atlan-
tischen Sklavenwirtschaft im 18.
und 19. Jahrhundert. Der atlanti-
sche Sklavenhandel sei der jüngs-
te Fall in der modernen Geschich-
te, in dem menschliche Reproduk-
tion wie Ware gehandelt wurde.
Damals wie heute seien es die so-
zial und ökonomisch Schwachen,
die ihren Körper für Reproduktion
hergeben. Die moralischen Fragen
in Zusammenhang mit Leihmut-
terschaft sind entsprechend groß.
Ob und inwiefern Leihmutter-
schaft überall im Westen tatsäch-
lich akzeptiert ist, wie die Autorin
mit besonderem Augenmerk auf
die USA schreibt, ist jedoch offen.
Zumindest mit Blick auf Öster-
reich. Das eigene Kind für andere

Eltern auszutragen ist in den hei-
mischen Kliniken nämlich verbo-
ten.ImösterreichischenZivilrecht
ist die leibliche Mutter immer
auch die rechtliche Mutter eines
Kindes.

Nicht billig
Allerdings nehmen auch hierzu-
lande kinderlose Menschen Leih-
mutterschaft im Ausland in An-
spruch–zum Beispiel von Frauen
in der Ukraine. Aber wer sind die
rechtlichen Eltern eines Wunsch-
kindes, dessen Zeugung und Ge-
burt in der Ukraine beispielswei-
se zwischen 40.000 und 50.
Euro kostet?
Ende 2019 hat ein Tiroler Be-
zirksgericht im Sinne eines öster-
reichischen Paars entschieden,
dem eine ukrainische Leihmutter
den Kinderwunsch erfüllt hatte.
Erstinstanzlich wurde die Eltern-
schaft der Wunscheltern aner-
kannt,nichtdiederleibl ichenMut-
ter. Eine ausländische Entschei-
dung–indiesem Fall die, die
Wunscheltern als Eltern des Kin-
des anzuerkennen–sei nur abzu-
lehnen,wennsiedemKindeswohl
oder Grundwertungen der öster-
reichischenRechtsordnung wider-

spreche, heißt es in der Urteilsbe-
gründung. Zwar sei Leihmutter-
schafthierzulandeverboten,aller-
dings handle es sich hierbei nicht
um eine Grundwertung im öster-
reichischen Recht.
AndereGerichtesindandieEnt-
scheidung freilich nicht gebun-
den, der Fall hat jedoch Signalwir-
kung. Und solange die Frage offen
ist, ist auch die philosophische
AuseinandersetzungmitdemThe-
ma umso wichtiger. Elternschaft
anerkennen ist eines. Aber was ist
mit dem Baby-Gammy-Fall, bei
dem ein australisches Paar das
Wunschkind nicht mehr wollte,
als es mit Downsyndrom zur Welt
kam? Ein anderer Fall, den Wein-
baum beschreibt: Eine indische
Leihmutter hat Zwillinge bekom-
men, die Wunscheltern wollten
von den beiden nur das Mädchen.
Sie hatten schon
einen Sohn. Man
muss auch an die
Kinder denken.

Donna Murch (Hg.),
„RacistLogic. Mar-
kets, Drugs, Sex“.
€16,50/124 S eiten.
MIT Press, 2019

In Österreichist Leihmutterschaftverboten. Weltweit wächst der Markt jedoch.

Foto: Getty Images

Financial LifePark


bietetdreineue


Thementouren an


Markevon 60.000 Besuchern
wurde überschritten

Wien–Einen Einblick in die Welt
der Finanzen und die damit ver-
bundenen(volks)wirtschaftlichen
Verflechtungen zu geben ist das
Ziel des Erste Financial Life Park
(Flip) am Erste Campus in Wien.
Das Angebot wird von Schulen
und auch Erwachsenen sehr gut
angenommen: Mehr als 2600 Tou-
ren hat es seit der Eröffnung der
Finanzwelt im Oktober 2016 be-
reits gegeben. Nun wurde die Mar-
kevon60.000Besucherüberschrit-
ten. Ein Ende der Mission scheint
jedenfalls nicht in Sicht.
Denn jüngste Studien zeigen,
dass Zahlungsprobleme bei Jün-
geren besonders stark zugenom-
men haben. Mangelndes Wissen
über Finanzen, gesundes Geldle-
ben und Gefahren eines unkon-
trollierten, meist digitalen Kon-
sums führt oft geradewegs auf die
Kredit-Warnlisten. „Das ist der
Punkt, wo wir ansetzen wollen“,
sagtPhilipList,LeiterdesFlip.Die
finanziellen Fähigkeiten von Kin-
dern und Jugendlichen sollen ver-
bessert werden. „Wir machen das
ohne erhobenen Zeigefinger, auf
eine sehr innovative und unter-
haltsame Art, und wir werden hier
auch in Zukunft nicht lockerlas-
sen“, so List.

Mobiles Angebot
Das Flip ist mittlerweile auch
mobil geworden. Ein umgebauter
Doppeldeckerbus hat sich im Vor-
jahr erstmals auf den Weg ge-
macht, die Finanzbildung auch in
den Bundesländern erlebbar zu
machen. Mehr als 350 Schulklas-
sen mit fast 11.000 Kindern und
Jugendlichen konnte so das Ange-
bot vom „Flip2go“ nähergebracht
werden.
Die Themen werden im Flip lau-
fend erweitert. Drei neue Touren
drehen sich um Schwerpunkte
wie Berufsorientierung und Kapi-
talmarkt. Aber auch dem Thema
Schulden ist eine eigene Tour ge-
widmet. Diese geht den Ursachen
für die Verschuldung junger Men-
schen auf den Grund und zeigt die
wichtigsten Warnzeichen auf. Da-
mit will das Flip einen Beitrag zur
Bekämpfung der Jugendverschul-
dung in Österreich leisten. (bpf)
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