16 |DONNERSTAG, 20.FEBRUAR2020DWebStandard ER STANDARD
Uneinigkeit in der
Regierung bezüglich
Plänen zuHass imNetz
Wien–Für Gerald Fleischmann,
den von Bundeskanzler Sebastian
Kurz (ÖVP) ernannten Medienbe-
auftragten im Bundeskanzleramt,
ist das deutsche Netzwerkdurch-
setzungsgesetz (NetzDG) ein Vor-
bild für Österreich. Danach möch-
te man sich, wie zuletzt berichtet,
mit einem „Gesetz für Verant-
wortung und Regulierung von
Plattformen“ richten, heißt es aus
dem Kanzleramt. Wenn „gehässi-
ge Inhalte das Erlaubte und
Zumutbare“ überschreiten, müss-
ten Anbieter sie entfernen. Auch
sollen die Anbieter dazu ver-
pflichtet werden, Beschwerde-
verfahren einzurichten. Zudem
will das Kanzleramt klar definier-
te Verantwortliche vorschreiben.
Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer
und der grüne Netzpolitik-Spre-
cher Süleyman Zorba reagierten
allerdings kritisch. Das NetzDG sei
nicht das Vorbild, für die Regie-
rung gelte „nach wie vor“ das Re-
gierungsübereinkommen. (muz)
Markus Sulzbacher
B
eiMagentaläuftesrund.Der
Umsatz des Telekomanbie-
ters stieg nach der Über-
nahme des Kabelanbieters UPC
um 21 Prozent auf 1,28 Milliarden
Euro, der Gewinn um 36 Prozent
auf 467,4 Millionen Euro. In das
Netz wurden 242 Millionen inves-
tiert. „Wir haben die Intention, ein
Wachstumsunternehmen zu blei-
ben“, sagte Magenta-Chef Andreas
Bierwirth. Innerhalb des Mutter-
konzerns Deutsche Telekom habe
Magenta durch das Wachstum an
Bedeutung gewonnen, man gehö-
re mittlerweile zu den top drei im
Europasegment.
Doch der Mobilfunker hat auch
ein Problem. Sein 5G-Netz, das
derzeit 58 Standorte in 33 Ge-
meinden umfasst, wurde vom
chinesischen Netzwerkausrüster
Huawei errichtet. Dem Unterneh-
men wird vorgeworfen, ein Hand-
langer der Regierung in Peking zu
sein. Besonders aus den USA wird
die Zusammenarbeit mit Huawei
kritisiert, denn die Amerikaner
befürchten Spionage. Auch sei
das Unternehmen per Gesetz ver-
pflichtet, mit der Regierung in Pe-
king zusammenzuarbeiten. Das
wird von Huawei in Abrede ge-
stellt, auch wurden bisher keine
handfesten Beweise für Spionage
auf den Tisch gelegt.
Ein „schwieriges Thema“
Für Magenta-Chef Bierwirth ist
die Zusammenarbeit mit Huawei
ein „schwieriges Thema“, bei dem
„politische und populistische“
Einflüsse eine große Rolle spielen.
Ob Huawei beim weiteren 5G-
Ausbau zum Zug kommt, ist noch
nicht entschieden. Derzeit läuft
die Ausschreibung. Wird Huawei
nicht damit betraut, dann müsste
Magenta wohl sein derzeit be-
stehendes 5G-Netz wieder ab-
bauen und durch ein neues erset-
zen. Der Abbau wäre auch not-
wendig, weil ein System von
einem anderen Anbieter nur
schwer kompatibel ist–auch wür-
den damit die politischen Forde-
rungenderUSAerfüllt.DerWech-
sel zu einem anderen Netzwerk-
ausrüster wäre „ein erheblicher
Aufwand“, erklärte Bierwirth. Im
Core-Netz, dem Herzstück des
5G-Netzes, wird schon jetzt auf
Produkte von Huawei verzichtet,
bei den Antennen nicht. Ob Hua-
wei weiter in Österreich 5G-Netze
aufbauen darf, liegt auch bei der
Regierung und der Deutschen Te-
lekom. Dass diese auch in den
USA aktiv ist, könnte einen Grund
darstellen,warumHuaweihierzu-
lande wieder vor die Tür gesetzt
wird. Es scheint durchaus mög-
lich, dass dieses Szenario eintritt.
Zu groß sind die wirtschaftlichen
Interessen des Telekomkonzerns
in den USA.
Der türkis-grünen Regierung
ist, wie auch bereits ihren Vor-
gängern, keine klare Ansage zu
entlocken. „Es geht darum, nie-
manden auszuschließen, aber
maximale Sicherheit zu gewähr-
leisten“, heißt es zumSTANDARD
aus dem Büro der zuständigen
Landwirtschaftsministerin Elisa-
beth Köstinger (ÖVP).
Die EU will sich imWettbewerb mit denUSAund China besser aufstellen und bis 2050 Klimaneutralität erreichen.
Gelingen soll das mit einer neuen Digitalstrategie–erste Schritte wurden am Mittwoch präsentiert.
eines der größten Probleme identi-
fiziert. Durch gemeinsame Vor-
schriften soll sichergestellt wer-
den, dass Daten innerhalb der
EU branchenübergreifend weiter-
gegebenwerden können.Dabei
ist unter anderem auch vorge-
sehen, dass mehr private Daten
„für das öffentlicheWohl“ genutzt
werden.
20 Milliarden Europro Jahr
Fürdieseeuropäischen Daten-
räume soll bis zum vierten Quar-
tal 2020 ein Rechtsrahmen ge-
schaffenwerden.Anfang2021will
man ein Verfahren zur Annahme
eines Durchführungsrechtsaktes
einleiten, um Datensätze in der EU
kostenlos zur Verfügung zu stel-
len. Auch an der Entwicklung
einer europäischen Cloud für offe-
ne Wissenschaften wird weiterge-
arbeitet. Um Europa für die Zu-
kunftstechnik „fit“ zu machen,
will die Kommission einerseits
mehr Geld in die Handnehmen.
B
ig Data, künstliche Intelli-
genz, Cybersicherheit, digi-
tale Bildung, Datenschutz,
5G, Quantencomputer–das Feld,
das EU-Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen im Bereich
Digitalisierung in den kommen-
den Jahren beackern will, ist ein
weites. Am Mittwoch wurden als
erste Schritte eineneue Datenstra-
tegie und ein Weißbuch für künst-
liche Intelligenz (KI) vorgestellt.
Bei der KI-Forschung sieht von
der Leyen Europa bereits in einer
Pole-Position,indennächstenJah-
ren sollen die Investitionen in die-
sen Bereich nun weiter erhöht und
neue Rahmenbedingungenge-
schaffen werden. Mit KI-Anwen-
dungen soll nicht nur das Alltags-
leben verbessert werden, sie seien
auch wichtig, um das Ziel der Kli-
maneutralität zu erreichen. Künst-
liche Intelligenz stützt sich auf die
Auswertung großer Datenmengen
und maschinelles Lernen, bei dem
sich Programme und Algorithmen
selb st weiterentwickeln.KIgilt
deshalbals Zukunftstechnologie
etwa bei selbstfahrenden Autos
oder in der Medizin, aber auch in
der Strafverfolgung und bei der
Videoüberwachung. Die Technik
bietet wirtschaftliche Chancen,
aber auch vieleRisiken. Besonders
risikobehaftete KI-Anwendungen
sollen daher staatlicher Kontrolle
unterliegen.
Eine wichtigeRolle spielen
dabei die Verfügbarkeit und die
Auswertung von Daten. Diese
sollen innerhalb der EU künftig
einfacher ausgetauschtwerden
können. Von den Datensammlun-
gen sollen Behörden, Unterneh-
men und die Wissenschaft pro-
fitieren. Für Bereiche wie den
Verkehrssektor, das Gesundheits-
system oder den Klimaschutz sol-
len eigene Datenräume geschaffen
werden.Die Fragmentierung zwi-
schen den EU-Staaten wird in die-
sem Zusammenhang im dazu ver-
öffentlichten Strategiepapier als
Die Investitionenin künstliche In-
telligenz sollen nach ihren Plänen
in diesemJahrzehntauf 20 Milliar-
den Euro pro Jahr steigen, nach-
dem sie 2016 rund 3,2 Milliarden
Euro erreicht haben. Gleichzeitig
soll die Forschung besser grenz-
überschreitend organisiert wer-
den.
Die Datenstrategie soll für
Wirtschaft, Forschung und Ver-
waltung dasPotenzial ständig
wachsender Datenmengen er-
schließen, die für die Entwicklung
von KI notwendigsind. Ziel sei
„ein wirklicher Binnenmarkt für
Daten“, der persönliche und ano-
nymisierte Informationen nach
europäischen Standards schütze.
Um einen Überblick über die
Vorstellungen von Gesellschaft
und Wirtschaft zu KI zu bekom-
men, startet die Kommission bis
Mitte Mai eine öffentliche Befra-
gung. Im dazu erstellten Weiß-
buch fragt die Behörde unter ande-
rem, inwieweit die neue Techno-
logie reguliertwerden soll und
unter welchen Bedingungen die
in Europa in der Öffentlichkeit
grundsätzlich verbotene Gesichts-
erkennung genutzt werden könn-
te. Als Hochrisikoanwendungen
bei KI stuft die Kommission den
Einsatz in den Bereichen Medizin,
Verkehr, Polizei und Justizein.
Angesichts der Gefahr von Verlet-
zungen, Todesfällen oder rechtli-
chen Konsequenzen müssten die
Vorgehensweisen der eingesetz-
ten Systeme „transparent, nach-
vollziehbar und unter menschli-
cher Kontrolle“ bleiben, heißt es.
Die Kommission fordert, dass
Behörden in der Lage sein müss-
ten, solche Systeme zu über-
prüfen, „wie sie Kosmetika, Autos
oder Spielzeuge kontrollieren“.
Bei weniger risikoreichen Syste-
men reiche dagegen „ein freiwilli-
ges Kennzeichnungssystem“, das
zeigt, dass vorgegebene Standards
eingehalten werden. (br, APA)
KommentarSeite 32
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Besuch des AI Experience Center in Brüssel. Am Mittwochwurdedie Digitalstrategie der EU präsentiert.
Foto: Rool/Reuters
EU-Milliarden fürkünstliche Intelligenz
Magenta-Chef Andreas Bierwirth
präsentiertegute Zahlen.
Foto: APA/Jäger
5G-NetzvonHuaweimacht MagentaProbleme
Zusammenarbeit mit der chinesischenFirma sei ein „schwieriges Thema“,sagt Magenta-Chef Bierwirth