18 |DONNERSTAG,20. FEBRUAR 2020 Wirtschaft DERSTANDARD
Kritik anTiertransporten
quer durch dieWelt
Wien–Knapp15.000Tiertranspor-
te gab es 2017 mit dem Ursprungs-
land Österreich. Davon waren
knapp 27 Millionen Tiere betrof-
fen, wie die Tierschutzorganisa-
tion Vier Pfoten basierend auf
einer parlamentarischen Anfrage
der Liste Jetzt mitteilte. Die NGO
kritisiert, dass nicht immer auszu-
schließen ist, dass Tiere letztlich
in Drittstaaten landeten. Einen
Fall hat der Verein gegen Tierfa-
briken (VgT) dokumentiert: Käl-
ber aus Vorarlberg wurden zu-
nächst nach Spanien und von dort
in den Libanon transportiert, wo
sie geschlachtet wurden. Unter
unvorstellbaren Bedingungen bis
hin zur Tötung bei vollem Be-
wusstsein, so der VgT. (APA)
Parndorfverliert
Rechtsstreit um dritte Piste
Wien/Schwechat–Das vermutlich
letzte Gerichtsverfahren gegen die
dritte Piste auf dem Flughafen
Wien ist gescheitert. Der Verwal-
tungsgerichtshof (VwGH) als letz-
te Instanz hat der Gemeinde Parn-
dorf beschieden, dass sie keine
Parteienstellung hat und ihre Re-
vision gegen ein gleichlautendes
Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts (BVwG) zurückgewiesen, so
der Flughafen Wien. Parndorf ist
erst nach Genehmigung der drit-
ten Piste auf die Idee gekommen,
Parteienstellung zu beantragen.
Dieses Begehren wurde in allen
Instanzen abgewiesen. (APA)
Post hatPartner
fürneueBank
Wien–RiaMoneyTransferistPart-
ner für Geldüberweisungen der
neuen Post-Bank, Bank 99. Die
Tochter der Euronet Worldwide
hätte sich in einer internationalen
Ausschreibung durchgesetzt, so
die Post. Die Bank 99 startet mit
- April mit Dienstleistungen und
Produkten rund um Girokonten,
Zahlungsverkehr, Kreditkarten,
Debitkarten, Sparprodukte und
Geldüberweisungen in den gut
400Postfilialen.BeidenPost-Part-
nern starten Bank- und Finanz-
dienstleistungen am 4. Mai. Geld-
überweisungen via Ria Money
Transfer können dann auch über
vorerst 300 Post-Partner getätigt
werden. Kredite sollen im Laufe
des Jahres folgen. (APA)
London willweniger
Billigkräfteaus der EU
London–Die britische Regierung
will nach dem Austritt Großbri-
tanniens aus der EU der Freizügig-
keit für europäische Arbeitskräfte
ein Ende setzen und die Einwan-
derung von gering qualifizierten
Billigkräften deutlich begrenzen.
Die Regierungspläne sehen vor,
dass ausländische Arbeitskräfte
künftig besondere Qualifikatio-
nen, gute Englischkenntnisse und
ein Jobangebot vorweisen müs-
sen. Das neue Einwanderungssys-
tem werde die Zahl der Zuwande-
rer senken, erwartet Innenminis-
terin Priti Patel. (APA)
Neues Problem beiBoeing-
Krisenjet737Max
Chicago–Boeing ist bei seinen mit
Flugverboten belegten Krisenjets
737MaxaufeinneuesProblemge-
stoßen. Während der Wartungs-
arbeiten seien in Treibstofftanks
einiger Maschinen, die derzeit
zwischengelagert werden, Fremd-
körper gefunden worden. Dies
habe zu einer umfassenden inter-
nen Untersuchung und sofortigen
Korrekturen im Produktionssys-
tem geführt. Alle noch nicht aus-
gelieferten 737 Max werden inspi-
ziert. Der Konzern rechnet trotz-
dem mit der Wiederzulassung der
737 Max Mitte des Jahres. (dpa)
KURZ GEMELDET
Händler wie Amazon bedienen sich einesHeeres an Zustellern, die meistfür Hungerlöhne
unterwegssind. Gewerkschaft und Arbeiterkammer setzen auf harte Gegenmaßnahmen.
runtergespielt werden: Der Kon-
zern sei es, der die Vorgaben ma-
che, zu denen geliefert werde und
die sich anders kaum erfüllen lie-
ßen, sagt Katzian. Nun von Koope-
ration mit den Behörden zu spre-
chen und den Skandal nur bei
Subfirmen zu sehen, hält der
ÖGB-Präsident für unhaltbar.
Dass sich Amazon-Chef Jeff Bezos
nun hinstelle und ankündige,
zehn Milliarden Dollar in den
Kampf gegen den Klimawandel zu
investieren –„mir fehlen dazu
schlicht die Worte“.
Waffe gegen Sozialdumping
Ein anderes Schwert gegen den
Sozialmissbrauch, wie er im Zuge
der Finanzrazzia bei Amazon-Zu-
stellpartnernattestiertwurde,will
Arbeiterkammer-Direktor Chris-
toph Klein schärfen: die vom
EuGH gekippte Kumulierung von
Strafen. „Der Fall Amazon zeigt,
wie dringend notwendig es ist, das
Lohn- und Sozialdumpinggesetz
wieder voll fit zu machen“, sagte
Klein demSTANDARD.Der EuGH
habe das Vervielfachen von Geld-
strafen entsprechend der Zahl der
betroffenen Arbeitnehmer nicht
generell als Beschränkung auslän-
discher Arbeitgeber ausgehebelt,
sondern dies als unverhältnismä-
ßig und überbordend bei geringen
Verstößen qualifiziert.
„Nicht aus der Portokassa“
„Das Kumulationsprinzip si-
chert aber, dass RiesenàlaAma-
zon die Strafe nicht aus der Porto-
kasse zahlen und weiterdumpen.“
Der AK-Direktor appelliert an
Arbeitsministerin Christine Asch-
bacher (ÖVP), rasch Gespräche
mit den Sozialpartnern über die
Reparatur des Lohn- und Sozial-
dumpinggesetzes aufzunehmen.
Gemeint ist eine Minderungsklau-
sel, die es erlaube, mindere Verge-
hen milder zu sanktionieren. Bei
massenhaften und systemati-
schen Verstößen mit vielen betrof-
fenen Beschäftigten sei aber eine
multiplizierte Strafe notwendig,
S
ie arbeiten bis zu 16 Stunden
am Stück an sechs Tagen die
Woche. Netto schauen dabei
monatlichseltenmehrals1600bis
1700 Euro Lohn raus. Viele stam-
men aus Ländern wie Rumänien
und Bulgarien. Familie haben sie
in Österreichkeine. Gelebtwird in
kleinen Gemeinschaftsunterkünf-
ten, vielfach zu viert oder zu fünft.
Freizeit lässt der enge Arbeitstakt
ohnehin kaum zu. Paketzusteller
sind das letzte und schwächste
Glied in einer Logistikkette, die
vonwidrigenArbeitsbedingungen
und Preisdumping geprägt ist.
Internetkonzerne wie Amazon,
aber auch andere österreichische
Handelsketten nutzen dieses Sys-
temlukrativfürihreZwecke,ohne
dafür geradestehen zu müssen,
sagt ein Wiener Kleintransporteur
und erzählt im Gespräch mit dem
STANDARDausseinerPraxis. „Die
Logistikbetriebe, mit denen Ama-
zon zusammenarbeitet, werden
rechtlich stets sauber und unan-
tastbar bleiben.“
Wie das Modell in der Regel
funktioniert?PartnerderHandels-
riesen bedienten sich bei ihrer Zu-
stellung Subunternehmern. Diese
wiederum meldeten ihre Fahrer
meist für zehn Wochenstunden
bei der Krankenkasse an. Tatsäch-
lich gearbeitet werde freilich das
Zigfache, was den Zustellern
überwiegend schwarz ausbezahlt
werde. „Es sind Hungerlöhne.
Dennoch gibt es und wird es wohl
auch künftig immer genug Leute
geben, die das machen“, schildert
der Transporteur das System.
Boom der Scheinfirmen
IhreAuftraggeberheuertengern
Scheinfirmen an. Gegründet wür-
densievonPartnern,dieoftknapp
über der Grenze lebten. Diese kä-
men monatlich für ein paar Stun-
den nach Wien, erhielten einen
neuenAnzugunderledigtendarin
die Bank- und Behördenwege. Da-
für würden sie mit 500 Euro ent-
schädigt und hätten mit dem Rest
des Geschäfts nichts mehr zu tun.
Die neu geschaffene Scheinfirma
stelle die Rechnungen aus. Das Ri-
siko, das der Betrug auffliege, sei
aufgrund des enormen Aufwands
der Kontrollen gering.
Prüfer des Finanzamts müssten
sich den Zustellern bei ihren täg-
lichen Touren laufend an die Fer-
sen heften, um der unzähligen
schwarzen Schafe seiner Branche
habhaft zu werden, sagt der Logis-
tiker, der anonym bleiben will.
Gefordert sieht er auch Polizei
und Asfinag, die Laster, die oft
überladen sind, schärfer ins Visier
nehmen müssten. Und der Handel
als Auftraggeber? Dieser müsste
vonseinenLogistikernregelmäßig
in Monatsabständen Belege darü-
ber einfordern, dass sie ihre Leu-
te anmelden, dass sie sie korrekt
bezahlen, dass sie die Arbeitszeit-
regeln einhalten. Vor allem aber
dürfe es keine Dumpingpreise für
deren Dienstleistungen geben.
„Einige Unternehmen in Öster-
reich leben das sehr wohl vor.“
Druck der Konsumenten?
Auf Konsumenten als Hebel für
mehr Fairness in der Logistik baut
ernicht.„Jederistglücklich,wenn
er für Transporte 20 statt 40 Euro
zahlt.“ Und Amazon selbst? „Die
großen Konzerne als Auftraggeber
wissen um die Missstände in der
Branche–sie tun aber nichts da-
gegen.“ Er selber habe stets Ach-
selzucken geerntet, wenn er es ge-
wagt habe, darauf hinzuweisen.
Der Gewerkschaftsbund-Präsi-
dent Wolfgang Katzian fordert im
Zuge der jüngsten Razzia bei Ama-
zon-Zustellern, bei der auch das
Verteilzentrum des Onlinekon-
zerns in Großebersdorf bei Wien
gefilzt wurde, eine gesetzliche
Auftraggeberhaftung ein.Eswerde
immer klarer, worauf sich das Sys-
tem Amazon begründe: Es gehe
um Subfirmen, versteckte Dienst-
verhältnisse und viel Leiharbeit.
Amazons Verantwortung rund
um den Verdacht auf gewerbsmä-
ßige Schwarzarbeit in der Zustel-
lung der Pakete dürfe nicht länger
insistiert Klein und verweist auf
eine Sozialpartner-Einigung aus
dem Jahr 2017, die eine solche
Minderungsklausel vorsah. Diese
wurde allerdings nie implemen-
tiert, weil die Regierung platzte
und die nach der Wahl gebildete
ÖVP-FPÖ-Regierung die Novellie-
rung des Lohn- und Sozialdum-
pinggesetzes nicht mehr verfolgte.
Zudem war das Sozialpartner-
Verhältnis im Wahlkampf schwer
belastet worden, weil SPÖ und
Gewerkschaft den im Paket mit-
verhandelten Mindestlohn von
1500 Euro noch vor der Wahl im
Nationalrat durchboxten–ohne
das ebenfalls im Paket mitge-
schnürte Arbeitszeitgesetz. Die
Retourkutsche der Wirtschafts-
kammer folgte auf den Fuß, denn
Schwarz-Blau beschloss das neue
Arbeitszeitgesetz mit dem Zwölf-
stundentag.
Entsprechend reserviert die Re-
aktion in der Wirtschaftskammer
auf den AK-Vorstoß. Die Unter-
nehmenslobbyisten wollen das
verhasste Lohn- und Sozialdum-
pinggesetz am liebsten gar nicht
mehr angreifen.
Von Arbeitsministerin Aschba-
cher war am Mittwoch keine Stel-
lungnahme zum Lohn- und So-
zialdumpinggesetz zu erhalten.
Ein Sprecher verwies auf eine ge-
meinsame Pressekonferenz mit
Finanzminister Gernot Blümel
(ÖVP) am Donnerstag.
Dem Bundessekretär des Fach-
bereichs Straße in der Verkehrs-
und Dienstleistungsgewerkschaft
Vida, Karl Delfs, reicht eine Ver-
senderhaftung für Onlinehändler
nicht. Er fordert darüber hinaus
eine personelle Aufstockung der
Finanz- und Kontrollbehörden so-
wie eine gesetzliche Aufzeich-
nungspflicht der Arbeits- und Ru-
hezeiten für Kleintransport-Lkws
unter 3,5 Tonnen. Es gehe jetzt
nicht mehr um Einzelfälle. Er will
auch das Zentrale Arbeitsinspek-
toratanspitzen,umösterreichwei-
te Kontrollen von Transporten im
Onlinehandel zu erwirken.
Die Last in der Paketzustellung ist oft ungleich verteilt. Vor allem an der Bezahlung hapert es häufig.
Foto: Imago
SchwereGeschützegegen Lohndumping
Verena Kainrath, Luise Ungerboeck