DERSTANDARD Wien DONNERSTAG,20. FEBRUAR2020| 9
„bösartig und jemandem auf
durchtriebene, schändliche Wei-
se schadend“ habe. Allerdings:
Als umgangssprachliche Bedeu-
tung findet sich dort auch „in be-
einträchtigender, schädigender
Weise stark“.
Darüber hinaus stört die Staats-
anwaltschaft, dass Tomanek über
„korrupte oder windige Anwälte“
hergezogen ist. Der Hintergrund:
Ein Berufskollege agierte in dem
Fall im Auftrag der Polizei. Scho-
ber ersucht die Rechtsanwalts-
kammer daher „um eine allfällige
Überprüfung disziplinarrechtli-
chen Vorgehens“. Gegen Toma-
nek, nicht den Verbündeten der
Polizei.
Der Angezeigte reagierte in sei-
ner Äußerung an die Kammer
recht kühl. Er habe „die Grenzen
zulässiger Verteidigung nicht
überschritten“, ist er überzeugt.
Darüber hinaus habe er auch
keine „unsachliche Kritik an der
Tätigkeit der Staatsanwaltschaft
Korneuburg“geübt,dadiejainder
Anzeige selbst zugestehe, dass ein
Anwalt als Polizeiagent agiert
habe, womit der Wahrheitsbeweis
erbracht worden sei.
In einergeleiteten Gesprächsrunde im Seniorentreff Mariahilf kam das Thema psychische Gesundheit
auf denTisch. Ein neuer Leitfaden derPsychosozialen DiensteWien soll den Zugang zum Thema erleichtern.
gela Mach die Versammelten in
zwei Gruppen geteilt. Für die Da-
men und den Herren an der einen
Tischhälfte leitet die psychiatri-
sche Gesundheits- und Kranken-
pflegerin das Gespräch. An der an-
deren Tischhälfte reden Teilneh-
mermitKollegeKaiMattersdorfer.
Beide arbeiten für den PSD.
Ausschlafen und Ausflug
Mach blättert in dem Fächer aus
22 Themenkarten und fragt: „Wer
hat in den vergangenen drei Tagen
etwas für sich getan?“ Eine Frau
mit großer Kurzhaarfrisur meldet
sich: „Ich decke mir immer den
Frühstückstisch schön“, sagt sie.
Eine andere Dame gönnt sich lan-
ges Schlafen.
Mach fasst zusammen: „Schaut
auf euch und erst dann auf ande-
re.“ Der Herr in der Runde will
wissen: „Aber wann ist man ein
Egoist?“ Die Runde spricht über
D
ie Frau im türkisen Strick-
pulli schluckt. „Ich will
jetzt nicht darüber reden“,
presst sie hervor und wischt sich
die Augen trocken. Kurz später
fängt sie sich wieder und erklärt,
dass vor kurzem ihr Mann gestor-
ben ist. Sie gibt sich sichtlich
Mühe, dem Motto dieses Termins
im Pensionistenklub gerecht zu
werden: „Wie geht es uns, aber
wirklich?“. 15 Damen und zwei
Herren haben sich in dem Ecklo-
kal in der Gumpendorfer Straße
versammelt, um sich anhand
eines Leitfadens tiefergehend mit
dem Befinden ihrer Mitmenschen
zu befassen–und mit dem Thema
psychische Erkrankungen.
Die Psychosozialen Dienste
Wien (PSD) luden in Kooperation
mit der Bezirksvorstehung zu die-
ser Gesprächsrunde. Seit Herbst
thematisiertderPSDdasThemain
einer Kampagne und will damit
zur Entstigmatisierung beitragen.
Im Laufe eines Jahres hat jeder
fünfte Mensch in Österreich eine
psychische Erkrankung wie De-
pression oder Angststörung, zei-
gen wissenschaftliche Umfragen.
Und jeder kennt im Umfeld je-
manden, der erkrankt ist.
Der für die Gesprächsrunde ur-
sprünglich reservierte Raum war
mit zehn Sitzplätzen zu klein, der
Andrang größer als erwartet. Es ist
die erste Gesprächsrunde dieser
Art und soll der Auftakt für eine
ReiheähnlicherTerminesein.Der
Gesprächsleitfaden mit dem Titel
„Lass uns reden“ wurde bisher vor
allem Betrieben vorgestellt, um in
Personalabteilungen Beschäftigte
dazu zu befähigen, psychische Er-
krankungen zu thematisieren.
In der Mitte der zusammenge-
rückten Tische, „auf Höhe der
Biscuitroulade“, die sich eine
Dame zum Kaffee gönnt, hat An-
die im Flugzeug geltende Regel,
bei Druckabfall zuerst die eigene
Sauerstoffmaske aufzusetzen und
erst dann anderen zu helfen.
Zuvor haben sich Mach und die
Teilnehmenden allgemein ans
Thema psychische Gesundheit
herangetastet. Wie verbreitet psy-
chische Erkrankungen sind, wie
wenig darüber geredet wird, was
Stigmatisierung ist und wo es
mögliche Anlaufstellen für Betrof-
fene gibt. Mach nennt etwa die
Nummer des PSD für Hilfe in psy-
chischen Notlagen (01/313 30).
Zum Schluss versucht sie, Be-
rührungsängste mit Psychothera-
pie abzubauen. Eine Frau in ge-
streifter Bluse kritisiert: „Da geht
man heraus, und das Problem hat
man immer noch.“ Ihre Sitznach-
barin–blondiertes, schulterlan-
ges Haar–erzählt, ein Therapeut
habe ihr ganz lapidar geraten, ein-
fach positiv zu denken.
Die Dame wird nach Ende der
Gesprächsrunde resümieren, sie
habe wenig aus alldem mitneh-
men können. In den rund einein-
halb Stunden wurden viele The-
men nur gestreift. „Mein Problem
kam nicht zur Sprache“, sagt sie.
Seit 19 Jahren habe sie immer wie-
der Suizidgedanken. Sie erhalte
Hilfe bei einer Ärztin, habe sich
hier aber trotzdem tiefergehende
Gespräche erwartet.
Mach gibt zu, dass die Runde
größer war, als es optimal wäre.
Die Dame, die sich selbst den
Tisch schön deckt, fand das Tref-
fen wiederum bereichernd. „Man
muss reden, reden, reden“, ist sie
überzeugt. Mach und ihr Kollege
ließen für dieses Vorhaben einige
Gesprächsleitfäden im Pensionis-
tenklub liegen. Sie hoffen, dass
die Fragekarten dabei helfen, dass
psychische Krisen und Krankhei-
ten mehr zur Sprache kommen.
DerLeitfaden„Lassunsreden“sollhelfen,dasSchweigenüberpsychischeGesundheitzubrechen.NunwurdeerineinemSeniorentreffausprobiert–mitgemischtenReaktionen.
Foto: PSD Wien
/Tatjana Gabrielli
Tabus brechen im Pensionistenklub
Gudrun Springer
StaatsanwaltschaftzeigtVerteidigerTomanek an
Korneuburger Behördewandte sichwegenPlädoyers an Rechtsanwaltskammer
Michael Möseneder
Wien–Werner Tomanek ist laut
Eigendefinition ein Ottakringer
Gemeindebaukind, das es zum
Anwalt und Verteidiger gebracht
hat. Mit seiner vorstädtischen
Herkunft kokettiert er durchaus.
Besonders wenn er sich an Laien-
richter wendet, findet er klare
Worte. Einige von diesen haben
ihm nun eine Disziplinaranzeige
bei der Standesvertretung einge-
bracht–erstattet von der Staats-
anwaltschaft Korneuburg.
Am 7. Juni 2019 langte das
Schreiben bei der Rechtsanwalts-
kammer Wien ein. Karl Schober,
Leiter der Korneuburger Anklage-
behörde, prangert darin Toma-
neks Wortwahl in einem im Jahr
2017 begonnenen Betrugsprozess
an. Als Beleg wird auch ein
STANDARD-Artikel angeführt, in
dem zu lesen ist, dass der Vertei-
diger in seinem Eröffnungsplädo-
yer die Anklage gegen seine Man-
danten als „Frechheit“ und „in-
fam“ bezeichnet.
Durchaus korrekt verweist
Schober im Brief auf den Duden,
wonach „infam“ die Bedeutung
Auf die STANDARD-Anfrage,
obesüblichsei,dassStaatsanwalt-
schaften Jahre nach der Äußerung
Verteidiger anzeigen, sagt Scho-
ber, dass es „gewisse Umgangsfor-
men und ungeschriebene Spielre-
geln gibt. Wenn wir der Meinung
sind, dass diese Umgangsformen
nicht gewahrt werden, wird es zur
Anzeige gebracht.“
Wie oft Anklagebehörden
Rechtsvertreter disziplinarrecht-
lich anzeigen, ist nicht einfach zu
eruieren. Weder beim Österreichi-
schen Rechtsanwaltskammertag
noch bei der Rechtsanwaltskam-
mer Wien liegen dazu Daten vor.
„Es gibt keine Auswertung, wer
aus welchen Gründen Anzeigen
erstattet“, sagt Pressesprecherin
Julia Kent für die Rechtsanwalts-
kammer Wien.
Abgeschlossen ist das Diszipli-
narverfahren gegen Tomanek
noch nicht, im Falle eines Schuld-
spruchs würde ihm wohl eine
Geldstrafe drohen. Die Gerichte
haben sich seiner Kritik dagegen
zumindest inhaltlich angeschlos-
sen: Tomaneks Mandanten sind
mittlerweile rechtskräftig freige-
sprochen.
Es istein Mädchen!
Der Name Knut als etwaige Reminiszenz an den Zoo-Eisbären, der in
den2000er-Jahren die Herzen der Berliner eroberte, fällt schon ein-
mal aus. Denn das dreimonatige Eisbärli im Tiergarten Schönbrunn,
das erst seit wenigen Tagen ins Außengehege darf, ist ein Mädchen.
Das gab Direktor Stephan Hering-Hagenbeck am Mittwoch bekannt.
Vorschläge für Namen können per E-Mail unter [email protected]
eingereicht werden. Die Entscheidung treffen die Tierpfleger, am
- Februar, dem Welteisbärentag, wird „getauft“.
Foto: APA
/D
aniel Zupanc
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