Die Zeit - 27.02.2020

(nextflipdebug2) #1

Bundesrepublik Deutschland. Bald darauf ging sie in
die Schweiz, denn dank ihrer Ehe mit dem Sann ya si Urs
Birnstiel besitzt sie bis heute die Schweizer Staatsbürger-
schaft. In Basel lernte sie ein älteres Ehepaar kennen, des-
sen Haushalt sie führte. Dann habe sich die Chance er-
geben, mit öffentlichen Geldern und Spenden die beiden
Pflegegeheime zu gründen – »leider hatte ich die 55 Mil-
lionen Dollar, deren Diebstahl mir Bhagwan unterstellt
hat, nicht als Startkapital«.
Dem Guru ging es juristisch nicht viel besser als seiner
ehemaligen Managerin. Nach Sheelas Abgang und un-
serem Interview übernahm das FBI die Kommune und
suchte sehr gründlich nach Verfehlungen, die man auch
dem Anführer anlasten könnte. So entdeckten sie die vie-
len Schein ehen, mit denen sich Sannya sin ihre Aufent-
haltserlaubnis in den USA erschwindelt hatten. Bhagwan
wurde klar, dass er in diesem Land keine Zukunft mehr
hatte. Um einer Verhaftung zu entgehen, verließ er ohne
Ankündigung die Kommune in einem Privatflugzeug, um
sich in die Karibik abzusetzen. Bei einer Zwischenlan-
dung in North Carolina wurde er jedoch verhaftet. Die
Beamten legten ihm triumphierend und unter den Augen
von zahlreichen TV-Reportern Handschellen an. »Davon
habe ich immer geträumt«, kommentierte der Mystiker
mit einem mysteriösen Lächeln.
Wie Sheela ging auch Bhagwan eine Vereinbarung mit den
Behörden ein: Seine zehnjährige Gefängnisstrafe wurde zur
Bewährung ausgesetzt, unter der Bedingung, dass er die
Vereinigten Staaten nie wieder betrete. Nach einer Odyssee
durch mehrere Länder kehrte er schließlich in sein Geburts-
land Indien zurück. Mit einigen früheren und vielen neuen
Anhängern baute er ab 1987 die alte Kommune wieder auf



  • ein Poona-Revival. Die Utopie Raj neesh pu ram in Oregon
    aber zerfiel ohne ihren Meister und seine Vertraute; schon
    wenige Wochen nach dem Abgang der beiden hatten die
    letzten Sann ya sin ihre Stadt verlassen.


Mitte der Neunzigerjahre kehrte ich für eine Reportage
in den neuen, alten Aschram in Poona (inzwischen Pune
geschrieben) zurück. Auf den ersten Blick war es dort
nicht viel anders als früher: Meditationshalle, Swimming-
pool, »Zorba the Buddha«-Bistro, alles vielleicht sogar ein
wenig mehr herausgeputzt. Und doch war die große Lee-
re spürbar, die ein zentraler Verlust ausgelöst hatte – der
Guru war gestorben.
Er hatte zuletzt zunehmend verwirrt und rätselhaft gewirkt,
wollte ab Ende 1988 nicht mehr Bhagwan genannt wer-
den und ließ seine Jünger Namensvorschläge einreichen;
schließlich akzeptierte er den japanischen Zen- Meister-
Titel »Osho«. Sein Tod am 11. Januar 1990 war sehr über-
raschend gekommen, im Alter von 58 Jahren. Nur sein
Leibarzt Swami Devaraj, der sich nun Swami Amrito nann-
te, war bei ihm, und er teilte später mit, es habe sich um
Herzversagen gehandelt. Die Leiche wurde innerhalb we-
niger Stunden verbrannt, die Asche im Beisein weinender
und lachender Sann ya sin im Aschram beigesetzt.
Ich durfte seine bizarre letzte Ruhestätte besuchen, das
Samadhi. Ein Schrein auf dem Aschram-Gelände, mit viel
Marmor, heruntergekühlt auf 18 Grad, bei dieser Tem-
peratur fühlte er sich zu Lebzeiten immer am wohlsten. An
einer Vorhalle vorbei, wo, von einem Jünger bewacht, der
Lieb lings- Rolls- Royce des Meisters zur letzten Ruhe abge-
stellt war, vorbei an der Privatbibliothek, dem persönlichen
Zahnarztstuhl, dem blitzblank geputzten Bad des Gurus.

Bhagwan forderte von seinen Jüngern »Spenden«,
von denen er sich Dutzende Rolls-Royce
und diamantenbesetzte Luxusuhren leistete

Ma Anand Sheela in Oregon, in den
Achtzigerjahren. Sie war damals Präsidentin der
Rajneesh Foundation International

Fotos

Jay Ullal

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