Die Zeit - 27.02.2020

(nextflipdebug2) #1

REISE


W


ährend draußen vor dem
Fenster Touristen über
den Broadway ziehen,
dampft vor mir auf dem
Tresen schwarzer Kaffee
in einem Pappbecher. Die Bedienung
stellt einen Teller daneben, und was da-
rauf liegt, sieht seltsamerweise gar nicht
mal so appetitlich aus: ein Donut mit
durchsichtiger Glasur.
Der karamellbraune Ring wirkt nackt
und unfertig – definitiv langweilig, wenn
ich mich so umgucke. An der Wand des
Diners leuchten in mintgrüner Neonschrift
zwei Wörter: »Fresh donuts«. In der Auslage
hinter der Theke liegen zwei, vier, sechs ...
bei zwanzig Donut-Sorten höre ich zu
zählen auf. Sie sind verziert mit lila, roten
oder grünen Streuseln, mit weißer, blauer
oder roter Glasur, mit Marsh mal low- Creme
und manchem mehr.
Ich bin hier, um die Urform zu finden,
den Goldstandard, den Donut 101. In der
Dorfbäckerei meiner Jugend gab es keine
Donuts, bloß mit Erdbeermarmelade gefüll-
te und mit Puderzucker bestreute Berliner,
die einen ähnlichen, in heißem Fett geba-
ckenen Teig hatten. Einmal biss ich in einen,
der mit Senf vollgepumpt war. Karnevals-
humor. Den ringförmigen Donut, wie man
ihn aus Amerika kennt, sah ich jahrelang nur
im Fernsehen: Ich liebte die Simpsons, und
Homer Simpson liebte Donuts. Eigentlich
müsste ich Homer fragen, wie ein richtiger
Donut schmeckt. Andererseits würde ich
wetten, dass es für ihn keinen falschen
Donut im richtigen Leben gäbe.
»Probier immer die einfachste Variante,
die ein Laden anbietet«, sagt Buzzy Geduld
und zeigt auf meinen Teller. »Wenn sie die
versauen, stimmt was nicht.« Buzzy Geduld
ist Gründer und Besitzer von The Donut
Pub, dem Diner, in dem ich gerade sitze.
1964 eröffnete er seinen ersten Donut-
Laden. Anfangs stand er im Morgengrauen
selbst in der Backstube, heute lässt er backen
und kümmert sich ums Geschäftliche. Der
Donut mit Honigglasur vor mir sei der
zweitpopulärste bei seinen Kunden, sagt er.
Die dünne Glasur zersplittert, als ich ein
Stück abbreche. Der Teig hat kleine Luft-
löcher, die noch kleiner werden, als ich den
Happen zwischen meinen Fingern zusam-
mendrücke, und wieder größer werden, als
ich loslasse. Die Rezeptur will Geduld nicht
verraten – außer dass Eier, Zucker, Mehl,
Butter und Hefe verwendet werden, was
zusammen mit Milch und Gewürzen Stan-
dard für einen Donut ist. Wichtig sei, den
Teig zweimal gehen zu lassen, bevor er aus-
gestochen werde, damit die Hefe ausrei-
chend gären könne. Entsprechend weich ist
die Konsistenz. Die Honigschicht hat einen
fast blumigen Nachgeschmack.

Donut


Es gibt Gerichte, die um die Welt gehen. Wir reisen dahin, wo sie
herkommen. Diesmal nach New York VON DANIEL C. SCHMIDT

WIE SCHMECKT DAS EIGENTLICH WIRKLICH? Besondere an diesem Gebäck: dass man den
einfachen Teig nach Gusto verzieren, be-
legen oder füllen kann. Entworfen, erzählt
Steven Klein stolz, werden seine Hingucker-
Donuts von einer Konditorin. Sie sehen
tatsächlich wie kleine Kunstwerke aus (kos-
ten aber auch mehr als vier Dollar). Der
Zuckerguss glänzt dermaßen, dass man sie
als busy New Yorker in der U-Bahn zur Not
als Spiegel verwenden könnte, um sich auf
dem Weg zur Arbeit noch zu frisieren.
Aus einem ganz ähnlichen Grund wur-
den Donuts in den USA beliebt. Nach dem
Zweiten Weltkrieg musste eine Arbeiter-
schaft in den Städten versorgt werden, die
früh aufstand und keine Zeit hatte zu früh-
stücken. Donuts waren leicht herzustellen
und ließen sich aus der Hand essen.
In Europa und Asien hatte man Süß-
speisen schon lange in heißes Fett geworfen.
Vermutlich brachten Siedler aus den Nieder-
landen oder Großbritannien die Rezepte auf
den Kontinent mit. Wer den Begriff Donut
erfunden hat, weiß heute keiner mehr.
Schriftlich tauchte das Wort doughnut erst-
mals 1809 auf. Weil die Küchlein ungleich-
mäßig ausbackten und innen oft noch roh
waren, wurden sie mit Nüssen oder Marme-
lade gefüllt. Bis 1847 angeblich ein Kapitän
die Bällchen auf sein Holzsteuerrad spießte,
um sie auf See griffbereit zu haben, und
ihnen so die Ringform verpasste. Ab 1920
wurden sie mit Maschinen massenprodu-
ziert – und das Klischee des schwerfälligen,
Donut essenden US-Cops in Film und
Fernsehen machte sie dann weltberühmt.
Der Peter Pan Donut & Pastry Shop
hat mehr als die vergangenen 60 Jahre
dieser Geschichte miterlebt. Er liegt an
einer unscheinbaren Einkaufsstraße in
Greenpoint, Brooklyn, und sieht innen
immer noch aus wie zu seiner Entste-
hungszeit: Filterkaffee, Kännchen mit
Kondensmilch und Zuckerstreuer; neben
der überschaubaren Auswahl an Donuts
gibt es Blechkuchen in der Auslage.
Ein Kaffee kostet einen Dollar, ein
Donut 25 Cent mehr. Ich entscheide
mich für Homer Simpsons Lieblingssor-
te: Erdbeerglasur mit Zuckerstreuseln.
Der Teig ist fest und flauschig. Leider ist
mir die Glasur zu süß. Sorry, Homer!
Ich hätte irgendwie gerne noch etwas
Besseres. Allerdings spült die junge Bedie-
nung gerade gelangweilt und ignoriert
mich. Da taucht das Gütesiegel für Donut-
Qualität in der Tür auf – zwei uniformierte
Beamte des NYPD. Sie werden freundlich
begrüßt, bestellen Donuts mit Zartbitter-
schokoladenglasur und gehen drei Minuten
später mit zwei Papiertüten und Kaffee-
bechern wieder aus dem Laden.
Ich weiß, was ich zu tun habe. Bedie-
nung, I’ll have what they’re having.


  1. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 67


Im vergangenen Jahr war ich an 174 Tagen nicht
zu Hause. Das bot Einbrechern ungezählte
Chancen, in Ruhe das Türschloss zu knacken.
Rohre hätten unbemerkt bersten, Kabelbrände
hätten sich ausbreiten können. Es gibt unzäh-
lige Dinge, die einer Wohnung zustoßen
können, während die Bewohner im Urlaub
sind. Die Sorge, dass zu Hause gerade etwas
passiert, gehört daher auch zu den größten
Ängsten vieler Reisender, egal, ob sie privat oder
für den Job unterwegs sind.
Ich habe diese Angst irgendwann abgelegt,
dank eines mehrstufigen Sicherheitsplans. Der
erste Schritt war ein elektronisches Türschloss.
Vor rund zwei Jahren habe ich es gekauft, einfach
auf den Schlosszylinder gesteckt und einen
guten Teil meiner Sorgen beseitigt. Das »Smart
Lock«, wie so ein Schloss oft auch genannt wird,
meldet nun per Push-Nachricht auf meinem
Mobiltelefon, wenn die Haustür geöffnet wird,
offen steht oder aufgebrochen wird.
Wenn ich wollte, könnte ich das Schloss
sogar mit einer Webcam verbinden, die im
Falle eines Einbruchs ein Video macht. Bis-
her habe ich keine solche Webcam installiert,
aber dafür sogenannte Smart-Home-Lampen.
Die können azyklisch an- und ausgeschaltet
werden und simulieren so ein bewohntes
Haus. Das bringt außer Sicherheit auch Spaß:
Besondere Freude bereitet es mir, diese Lam-
pen, egal von wo auf der Welt, selbst an- und
auszuschalten.
Meine Lieblingserfindung ist die TV-
Lampe, sie flackert wie ein Fernseher. Auf
diese Weise denken Diebe, jemand ist zu
Hause (die Nachbarn vermuten bei zu häufi-

gem Gebrauch allerdings Arbeitslosigkeit).
Wer nicht in einer Wohnung, sondern in
einem Haus wohnt, kann sein Sicherheits-
konzept noch ohne technische Hilfsmittel
erweitern. Es reicht, vor jedes Fenster Kreuz-
dorn zu pflanzen. Der ist besonders pflege-
leicht und wegen seiner langen Stacheln ein
Nato-Draht der Natur.
Um weitere Sicherheitslücken zu schlie-
ßen, brechen Sie am besten einfach selbst mal
in Ihre Wohnung oder Ihr Haus ein. So
wissen Sie, wo die Schwachstellen sind. Und
wenn Sie es schaffen, schafft ein Dieb es
vermutlich auch.
Kommen wir nun noch zu den Dingen, die
man nicht tun sollte. Urlaubsfotos in den sozia-
len Medien posten zum Beispiel, sodass Fremde
im Internet sehen können, dass man weit weg
ist. Auch die Wohnung mit selbst gebastelten
Fallen zu bestücken ist keine gute Idee, sondern
illegal: Sollten Sie einen Einbrecher mit so einer
Kevin allein zu Haus-Falle verletzen, kann der
Sie sogar verklagen! Außerdem wollen Sie ja
nicht, dass möglicherweise ein Polizist oder
Feuer wehrmann, der Ihre Wohnung in helfen-
der Absicht betritt, durch eine Ihrer Bastelar-
beiten zu Schaden kommt.
Meine absolute Geheimwaffe ist übrigens
mein Nachbar. Ein rüstiger Rentner, der nicht
nur die Schlüssel zu meiner Wohnung hat,
sondern auch bei jedem Geräusch eine Whats-
App- Nach richt an mich schickt. Neben bei
holt er meine Post aus dem Briefkasten, gießt
die Blumen – und das Beste ist: Wenn ich
wieder zu Hause bin, will er wissen, wie meine
Reise war.

Wie sichere ich mein


Zuhause aus der Ferne?


REISEWISSEN

Thilo Mischke ist 150 Tage im Jahr unterwegs. Hier gibt er in loser Folge
und im Wechsel mit Stefan Nink seine Tipps und Erfahrungen weiter

Illustrationen: Oriana Fenwick für DIE ZEIT


Meine nächste Station liegt in einer Seiten-
straße der Fifth Avenue: Dough Doughnuts
hat unverputzte Betonwände und einen rusti-
kalen Holztisch in der Mitte. In einer Vitrine
sehe ich wieder um die zwei Dutzend Sorten:
Geröstete Kokosnuss, Blut orange mit kandier-
ten Fruchtstückchen, Passionsfrucht mit Ka-
kaostreuseln, Irish Coffee mit Whiskeyglasur ...
Der Chef des Hauses, Steven Klein, setzt
sich neben mich auf einen der Hocker vor dem
Fenster. Er kann es kaum abwarten, mir den
Instagram-Feed seiner kleinen Donut-Kette
mit vier Filialen zu zeigen: »Da, schau mal: eine
Sonderanfertigung zum Super Bowl! Und eine
zum Independence Day mit blauer Glasur,

roten Streifen und weißen Zuckersternen!«
Dann ist da plötzlich ein Bild mit einem längs-
seits aufgeschnittenen Donut. Ist das etwa – ein
Donut-Sandwich mit Schinken, Salat und
Tomate? »Ja«, sagt Klein, »manche Kunden
benutzen die Donuts auch für french toast oder
als Hamburgerbrötchen.«
Kleins Läden verwenden eine ähnliche
Rezeptur wie The Donut Pub. Nur nehmen
sie mehr Eier und Butter, damit ein Brioche-
Teig entsteht, luftig wie ein Federkissen. Und
bei der Menge ist Klein großzügiger. Seine
Donuts sind so hoch, dass ich mir das Stück
aus dem Donut mit Hibiskusglasur, den ich
als Erstes probieren will, lieber herausschneide,

als abzubeißen. Beim ersten Bissen fällt mir
auf, wie fluffig der Teig ist, dann meldet sich
der süßsäuerliche Blütengeschmack. Mehr als
zwei Happen gehen nicht: Klein will mich
noch weitere Sorten probieren lassen. Während
sie frisch zubereitet werden, greift er mit einer
Zange nach zwei winzigen Pralinen in einer
Schale neben der Kasse: »Das sind die Löcher
in den Donuts«, sagt er, »die verkaufen wir
auch.« Bestreut mit Zimt und Zucker, schme-
cken sie fein ausbalanciert, herb und süß.
Anschließend koste ich noch den Dulce-
de-Leche-Donut mit gerösteten Nüssen und
den Key-Lime-Pie-Donut, der im Abgang
dank Limette schön frisch ist. Das also ist das

The Doughnut Project
Winziges Café im West
Village mit schrägem
Geschmack: Hier gibt es
Donuts mit Olivenölglasur
und schwarzem Pfeffer oder
mit Rote-Bete-Glasur und
Ricotta-Füllung. Und ja –
die sind lecker!
10 Morton Street,
thedoughnutproject.com

Dun-Well Doughnuts
Der Laden in Brooklyn
verkauft ausschließlich
vegane Donuts. Blind
verkostet wären sie kaum
von nicht veganen zu
unterscheiden.
222 Montrose Avenue,
dunwelldoughnuts.com

Doughnuttery
In der Filiale am Chelsea
Market kann man bei der
Zubereitung der Mini-Donuts
zusehen. Danach hat man
die Wahl unter zwei
Dutzend Zuckerguss-
Geschmacksrichtungen.
425 West 15th Street,
doughnuttery.com

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