Focus - 22.02.2020

(Sean Pound) #1
BLINDBLIND

Foto: Simon Koy für FOCUS-Magazin

28 FOCUS 9/2020

M


adeleine Albright er-
scheint zum Gespräch im
Hotel „Bayerischer Hof“
mit einer überdimensio-
nalen goldenen Brosche
an ihrer Anzugjacke: Es
ist ein Friedensengel
auf einer Weltkugel. Eine Brosche, eine
Botschaft. „Wenn ihr wissen wollt, wie
der Kurs der US-Politik heute ist, schaut
auf meine Brosche“, erklärte die frühere
UN-Botschafterin und US-Außenministe-
rin einst einem Gesprächspartner. Sie hat
inzwischen zig solcher Preziosen gesam-
melt, die Kollektion soll einmal an ein
staatliches Museum gehen. An ihrer Seite
ist David Miliband, ehemaliger britischer
Außenminister und nun Präsident des
International Rescue Committee (IRC).
Die Organisation rief Albert Einstein 1933
ins Leben, um Menschen in Not zu hel-
fen. Sie ist in 40 Ländern aktiv und hat
nicht nur Albright als Unterstützerin, son-
dern auch andere Prominente wie Henry
Kissinger oder Liv Ullmann.

Sie kommen beide aus Flüchtlings-
familien. Was geht Ihnen durch den
Kopf, wenn Sie die Bilder von Tausen-
den Flüchtlingen heute sehen?
Albright: Dass es grausam ist und man
etwas tun muss. Vor allem was in den USA
passiert, regt mich auf, weil dort immer
weniger ins Land gelassen werden. Die
Freiheitsstatue weint.
Miliband: Ich denke jedes Mal, wenn ich
jemanden sehe, der aus Myanmar nach
Bangladesch flieht oder von Jordanien
Richtung Europa, das könnten auch mei-
ne Eltern vor 80 Jahren sein. Wir haben
nun mehr Mauern zwischen Staaten als
zu Zeiten des Kalten Krieges: 1990 waren
es zehn, heute sind es 70.
Aber warum braucht es Ihre Organi-
sation? Schließlich gibt es eine riesige UN,
die humanitäre Hilfe leistet.
Miliband: Aus dem gleichen Grund wie
in den Dreißigern. Einstein gründete das
IRC damals, weil Regierungen nicht ihren
Verpflichtungen nachkamen. Würden sie
ihren Job machen, ihre Hilfsinstrumente

anpassen und die Krise der Diplomatie
angehen, bräuchte es keine Nichtregie-
rungsorganisationen. Wir sehen uns als
Reformer des internationalen Hilfesys-
tems. 87 Prozent unserer Gelder gehen an
die Front. Wir konzentrieren uns auf Hilfe
in Städten, denn die meisten Flüchtlinge
leben dort und nicht in Lagern. Die Hälfte
davon sind Kinder. Deshalb wird Bildung
immer wichtiger.
Albright: Ich war immer eine große Ver-
fechterin der UN, aber sie kann nicht mehr
tun. Es sind private Organisationen nötig,
die sich nicht mit 193 Ländern auseinan-
dersetzen müssen.
Ist die Finanzierung ein Problem?
Miliband: Ja. Drei Viertel unserer Gelder
kommen von Regierungen, auch vom deut-
schen Außenministerium. Wir sind dessen
strategischer Partner. Deutsche Steuergel-
der kommen zum Beispiel Kriegsopfern
im Jemen zugute. Aber Regierungsgelder
sind mehr oder weniger fix, während der
Bedarf wächst. Deshalb müssen wir mehr
Geld von Stiftungen und Unternehmen
einwerben.
Macht es nicht mehr Sinn, die Gründe für
Migration und Flucht anzugehen und Ihre
außenpolitische Expertise zu nutzen?
Albright: Wir machen beides. Aber die
Zeiten sind hoch kompliziert geworden.
Mit wem soll man reden? Angesichts von
vielen nicht staatlichen Akteuren und Län-
dern, die nur auf ihre Souveränität pochen.
Diplomatie ist eine sehr alte Kunst. Mit
bestimmten Regeln. Man spricht auch mit
denjenigen, mit denen man nicht überein-
stimmt, und versucht, eine Art von Zusam-
menarbeit zu finden.
Präsident Trump zerstört sogar diplomatische
Erfolge wie den Atomdeal mit dem Iran.
Albright: Wir brauchen mehr Koopera-
tion, nicht weniger. Meine Eltern sind
damals aus der Tschechoslowakei und
dem Londoner Exil in die USA gekommen.
Mein Lieblingsjob ist es heute, US-Neu-
bürgern Einbürgerungsurkunden zu über-
reichen. Als ich das 2000 erstmals getan
habe, habe ich einem von ihnen gesagt:
„Ist das nicht unglaublich, dass ein Flücht-
ling Außenministerin werden kann?“ Das
ist das Amerika, an das ich glaube, und
nicht das Amerika, das Ausländer fürchtet,
Mauern baut und Kooperation verweigert.
Gibt es eine Lösung für die sich wieder
verschärfende Migrationskrise?
Miliband: Man sollte vor allem die fragi-
len Nachbarstaaten, in die die Menschen
flüchten, unterstützen. Und die reichen
Staaten müssen den richtigen Weg vor-
geben. Der Fairness halber muss man
sagen, dass Deutschland innerhalb von
zwei Jahren 1,5 Millionen Asylanträge

Die Ex-Außenminister Madeleine Albright und David


Miliband über Flüchtlinge, Trump und die Krise der Diplomatie


„Es ist kompliziert geworden“


Auf Augenhöhe
(trotz Größenunter-
schied): Die Demo-
kratin Madeleine
Albright, 82, war 1997
die erste Frau im
US-Außenamt,
Labour-Politiker David
Miliband, 54, 2007 der
jüngste Außenminister
Großbritanniens

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