26 WIRTSCHAFT 30. JANUAR 2020 DIE ZEIT No 6
Die Serie verlässt Frankfurt Hauptdarstellerin Paula Beer
Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz; kleine Bilder: Letterbox Filmproduktion/ZDF; Fabrizio Maltese/ZDF (v. l.)
»Ich habe kein erotisches Verhältnis zu Geld«
Die »Bad Banks«-Produzentin Lisa Blumenberg über Banker in Hoodies,
die Angst vor der zweiten Staffel und darüber, warum jetzt die beste Zeit für Serienmacher ist
DIE ZEIT: Die zweite Staffel von Bad Banks han-
delt von Start-ups und von Banken, die sie schlu-
cken wollen. Frau Blumenberg, wie legen Sie Ihr
Geld an: in Fintechs oder auf der Bank?
Lisa Blumenberg: Ich bin da ein ganz schlechtes
Vorbild. Ich bin nämlich überhaupt keine Anlege-
rin. Ich habe kein erotisches Verhältnis zu Geld.
Klar, eine private Altersvorsorge, so etwas ganz
Spießiges, habe ich. Aber ich fürchte, von mir
kann man sich keine fancy Anlagetipps holen.
ZEIT: Die erste Staffel von Bad Banks spielte im In-
vestmentbanking mitten in der Krise. In der zwei-
ten Staffel ist das out, und alle wollen nach Berlin
zum »Inkubator«, wo die Bank mit hippen Fintechs
zusammenarbeitet. Wie kam es zu der Idee?
Blumenberg: Die Idee ist von Oliver Kienle, dem
Drehbuchautor. Wir haben zusammen mit unse-
ren Partnern vom ZDF überlegt: Wie kann man
nach dem großen Erfolg der ersten überhaupt eine
zweite Staffel machen? Man will ja das erhalten,
was toll war: die Figuren, die Welt, die wir erschaf-
fen haben. Und man will sie trotzdem weiterent-
wickeln. Unter dem Begriff Fintech konnte ich
mir damals kaum was vorstellen. Aber die Digita-
lisierung der Bankenwelt war die Entwicklung, die
uns am spannendsten erschien. Das hat auch mit
unseren Experten zu tun. Wir hatten in der ersten
Staffel vier Fachberater aus der Bankenbranche.
Drei von vier sind seither vom Investmentbanking
in die Fintech-Branche gewechselt. Wolf-Alexis
Puttfarken, der in der zweiten Staffel konzeptio-
nell mitgearbeitet hat, hat genau diesen Karriere-
wechsel gemacht und arbeitet jetzt beim Berliner
Fintech-Unternehmen Raisin.
ZEIT: Was reizt Sie an der Start-up-Welt? Ist das
nicht viel langweiliger als Investmentbanking, weil
beim Programmieren so wenig passiert?
Blumenberg: Die Fintech-Menschen sehen viel-
leicht ein bisschen anders aus, sind jung und ha-
ben Hoodies an. Aber sie sind genauso hochgebil-
det und schnell im Kopf wie die Investment-
banker. Vielleicht sind sie sogar noch vielseitiger.
Wir haben bei den Recherchen einen Fintech-
Gründer kennengelernt, der ist eigentlich Inge-
nieur, hat im Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt gearbeitet und das erste marktreife
Elektroauto mitentwickelt und dann die Branche
gewechselt und sich neu erfunden.
ZEIT: Gibt es etwas, das Sie besonders wichtig
fanden für die zweite Staffel?
Blumenberg: Dass die Beziehungen der Figuren
sich weiterentwickeln. Es geht zunehmend ans
Eingemachte. Welche Konsequenzen es hat, wenn
man einmal eine Grenze überschritten hat, wird in
der zweiten Staffel noch viel deutlicher. Dazu
kommen die unterschiedlichen Bündnisse, auch
wechselnde Bündnisse, die man eingehen muss.
Das interessiert mich sehr. Es geht hier um Macht-
verhältnisse in den Arbeitsbeziehungen. Bad Banks
ist ja im Kern eine Arbeitsplatz-Story. Da gibt es
ganz viel Wiedererkennungswert auch für Men-
schen, die nicht in Banken arbeiten.
ZEIT: Die Staffel ist ziemlich kurz: sechs Folgen.
Warum?
Blumenberg: Der Trend geht zu kürzeren Staffeln,
auch international. Als Zuschauer ist es doch ge-
nau das, was man will: Wenn es einen packt, kann
man sich das an einem Tag am Wochenende an-
schauen. Für uns ergibt das den guten Zwang, dass
man sehr konzentriert erzählt. Also was in den
sechs Folgen alles passiert!
ZEIT: Genau, es würde auch für zwölf Folgen
reichen.
Blumenberg: Ja, aber dann hätte es nicht das Tem-
po. Wir sind zudem ziemlich an der Grenze der
Geldmenge, die man aus Deutschland heraus fi-
nanzieren kann: knapp zehn Millionen Euro. Da-
von kommen schon knapp zwei Millionen von
unserem luxemburgischen Co-Produzenten. Für
mehr Folgen in der Qualität, die wir wollen und
benötigen, würde das nicht ausreichen.
ZEIT: Manche Serien im Ausland haben ein Viel-
faches an Budget. Ihr Regisseur der ersten Staffel,
Christian Schwochow, hat jetzt bei der aktuellen
Staffel von The Crown Regie geführt, eine ungleich
teurere Produktion. Macht Sie das traurig?
Blumenberg: Nein, das ist doch toll, dass Christian
es dorthin geschafft hat. Und es hat sicher auch
mit seiner exzellenten Arbeit bei Bad Banks zu tun.
Wir haben mit Christian Zübert jemanden gefun-
den, der hervorragend aufbauen kann auf das, was
sein Vorgänger begonnen hat.
ZEIT: Sind Sie als Produzentin nicht neidisch auf
Produktionen wie The Crown, die für jede Folge so
viel Budget haben wie Sie für eine Staffel?
Blumenberg: Neidisch? Ich weiß nicht. Das Un-
gleichgewicht ist eher, dass wir auf dem interna-
tionalen Markt mitspielen und damit verglichen
werden, aber gleichzeitig immer noch mit deut-
schen Verhältnissen umgehen müssen – sprich:
mit weniger Geld.
ZEIT: Woran liegt das? An der deutschen Sprache?
Blumenberg: Kann sein. Klar ist: Es werden auch
von den internationalen Playern nur die in
Deutschland marktüblichen Preise bezahlt.
ZEIT: Müsste sich das nicht durchs Streaming än-
dern? Wenn man plötzlich Produktionen aus aller
Welt überall schaut?
Blumenberg: Der Markt hat sich durch die neuen
Spieler extrem verändert. Es ist eine tolle Zeit, um
Produzentin zu sein. Wir sind in einem Riesen-
Umbruch. Wir haben mehr mögliche Partner. Da-
durch werden die Verhandlungen auch kompli-
zierter, aber viel mehr Konstellationen der Finan-
zierung sind möglich. Ich glaube, man kann noch
gar nicht sagen, wohin das führt.
ZEIT: Ihr Job scheint Spaß zu machen gerade.
Blumenberg: Total. Durch die neuen Verbreitungs-
wege, Streaming und Mediatheken, gibt es auch ein
völlig anderes Zuschauerverhalten. Die klassischen
Sendeplätze im linearen Fernsehen sind ja oft for-
matiert, auf einen spezifischen Geschmack eines be-
stimmten Publikums zugeschnitten. Das nicht li-
neare Schauen verändert das: Es können wieder
andere – auch jüngere – Zuschauer erreicht werden,
die das lineare Programm schon verloren hatte.
ZEIT: Reizt es Sie mal, nach Amerika zu gehen, wo
die Budgets viel höher sind?
Blumenberg: Ich war im November für eine Wo-
che in Los Angeles als Mitglied einer Film de le ga-
tion. Wir haben dort alle möglichen Führungs-
kräfte der Filmindustrie getroffen. Das heißt, ich
schaue schon rüber. Gleichzeitig möchte ich lokale
Geschichten erzählen. Und auch der Bedarf dafür
ist groß. Die Streamingdienste suchen ja von uns
keine Co-Produktionen mit Amerika. Die wollen
lokale Inhalte haben. Die Blase ist so groß, dass
alle händeringend nach Inhalten suchen. Und wir
produzieren in Deutschland auf hohem Niveau.
ZEIT: Was ist das für eine Blase?
Blumenberg: Es wird weltweit wahnsinnig viel
neues Programm produziert. Viel mehr, als die
Leute wirklich schauen können. Es gibt mehr An-
bieter, die brauchen Inhalte. Disney+ kommt jetzt
nach Deutschland, Apple TV+ und so weiter. Der
Kampf der Streamingdienste um die Zuschauer
sorgt für eine riesige Nachfrage. Es geht um Markt-
führerschaft. Das wird sicher noch ein paar Jahre
andauern, aber es wird sich auch irgendwann wie-
der regulieren.
ZEIT: So lange ist der Wettstreit gut für die Zu-
schauer.
Blumenberg: Und für die Produzenten. Der
Kampf um die Kreativen ist extrem groß. Es ist
eine spannende Zeit.
ZEIT: Bei deutschen Inhalten sind es am Ende
aber oft noch die Nazi- oder Stasi-Themen, die
sich international verkaufen, oder?
Blumenberg: Bei Spielfilmen haben Sie recht. Aber
das verändert sich bei Serien gerade. Bad Banks hat
sich in Amerika behauptet, obwohl es um Banker
geht. Das ist keine spezifisch deutsche Geschichte.
Babylon Berlin ist auch weltweit verkauft worden,
und es zeigt das Deutschland der 1920er-Jahre.
Dark ist eine Mystery-Serie. Und Borgen aus Däne-
mark, wo es um Machtspiele in der Politik geht, hat
vielleicht als erste europäische Serie bewiesen, dass
kein Land auf eine Rolle festgelegt ist.
Das Gespräch führte Lisa Nienhaus
E
rste Folge, erste Szene: Jana Liekam ist nackt
und zieht sich an, eine leicht transparente
Bluse. Mit einem Eisen glättet sie ihre Haare.
Dann roter Lippenstift. Das Businessoutfit ist eine
Rüstung. Banking ist Krieg. Und die Heldin eine
Kriegerin. Für das Gute? Oder für das Böse? Der
Clou dieser zweiten Staffel von Bad Banks besteht
darin, dass Jana ihre Rüstung ablegen will. Raus aus
Frankfurt, rein nach Berlin. Raus aus der anonymen
Großbank, rein ins Start-up. Raus aus den Loafern,
rein in die Sneaker. Raus aus dem rücksichtslosen
Kampf, rein ins Geschäft mit dem guten Gewissen.
Das klappt natürlich nicht. Aus dieser Spannung
versucht die Serie, Profit zu schlagen.
In der ersten Staffel arbeitete sich die 25-jährige
Investmentbankerin Jana Liekam, gespielt von Paula
Beer, von ganz unten nach ganz oben. Das Setting:
Die Deutsche Global Invest, eine an die Deutsche
Bank angelehnte Großbank in Frankfurt. Jana will
mitmachen beim großen Intrigenkarussell, am Schluss
fährt sie die gesamte Bank vor die Wand, spielt der
Finanzaufsicht geheime Dokumente zu, während in
Frankfurt der aufgebrachte Mob Autos anzündet und
ihr Chef in den Knast muss. Das alles war so schnell
und kompromisslos erzählt, so aufgepumpt mit
Selbstbewusstsein, so kühl abgefilmt, dass es einem
die Sprache verschlug. Diese Eska la tions logik wird
der zweiten Staffel leider zum Problem.
Es geht also weiter, sechs Monate nach dem Crash.
Das Investmentbanking ist tot, Jana und ihre Ver-
bündeten Thao und Adam fühlen sich aufs Abstell-
gleis verfrachtet. Die wirklich großen Summen flie-
ßen mittlerweile in Fintechs, also in Start-ups im
Bankensektor. Das hat auch die Global Invest kapiert
und pumpt viel Geld in einen sogenannten Inkuba-
tor in Berlin, einen Brutkasten für neue Ideen, der
von außen aussieht wie der Todesstern-Nachbau eines
reichen Hobbybastlers. Jana und den beiden anderen
gelingt es, sich nach Berlin versetzen zu lassen und
das Start-up Green Wallet zu kaufen, das sich nach-
haltigen Investitionen verschrieben hat. Rücksichts-
lose Hochfinanz trifft also auf Überzeugungstäter,
Profitgier auf Weltverbesserungsethos. Dass das nicht
gut gehen kann, ist von vornherein klar.
Leider birgt der Umzug von Frankfurt nach Berlin
und damit in die Start-up-Welt ein Problem: Start-ups
sind langweilig. Erstens weil diese Welt noch klischee-
behafteter ist (alle sind tätowiert, tragen Mützen im
Büro und gehen in der Mittagspause auf die Ruder-
maschine) als die traditionelle Bankenwelt. Zweitens
baut so ein nachhaltiges Fintech einzig und allein einen
Algorithmus, der das Geld der Anleger an die richtigen
Fonds verteilt. That’s it. So geht es sechs Folgen lang
darum, den Algorithmus zu programmieren.
Damit steht Bad Banks vor dem Problem, vor
dem schon viele andere Filme und Serien standen:
Wie stellt man spannend dar, dass jemand einen
Code schreibt? Die Lösung: Man sieht permanent
einen Ladebalken, der sich langsam nach vorne
schiebt, drei Prozent, dann sieben Prozent und so
weiter. Der Coder ist letztlich der Einzige, dem man
abnimmt, dass er echte Skills hat. Die anderen wir-
ken meistens überflüssig, vor allem Jana. Außer ein
paar Vorträge zur Teammotivation zu halten, hat sie
im Prinzip keine wirkliche Aufgabe.
Im Grunde wurden alle Figuren der ersten Staffel
vom Code wegrationalisiert, nur so ist zu erklären,
warum die zweite Staffel noch weiter eskaliert und
sich hauptsächlich auf das Privatleben der Figuren
konzentriert. Wo in der ersten Staffel Intrigen waren,
sind in der zweiten Staffel Mordversuche. Wo in der
ersten Staffel der Chef der Bankenaufsicht ein inte-
ressanter, verhuschter Sonderling war, ist er in der
zweiten Staffel ein psychopathischer Frauenquäler.
Sicher: Die Schauspieler sind großartig, Paula Beer
als Jana Liekam und Tobias Moretti als Bankenchef
allen voran. Doch je persönlicher die Serie wird,
desto uninteressanter werden die Menschen, um die
es geht. Je mehr die Figuren ausgeleuchtet werden,
desto hüllenhafter werden sie. Am Ende gesteht Jana,
von der man sich stets gefragt hat, woher ihr Ehrgeiz
kommt, an einer psychischen Krankheit zu leiden.
Es ist die banalste Erklärung, die man ihrer Figur
hätte geben können. So möchte man am liebsten
Adam zustimmen, der in der ersten Folge entnervt
raunt: »Dieses Scheiß-Berlin.« Ja, genau. Wären sie
nur in Frankfurt geblieben.
Bad Banks läuft ab dem 8. Februar im ZDF und ist
ab dem 31. Januar in der Mediathek verfügbar
Die zweite Staffel von »Bad Banks« versucht die Überwältigungsstrategie der ersten zu toppen.
Das ist nur zu einem hohen Preis möglich. Eine Rezension
VON XAVER VON CRANACH
Dieses Scheiß-Berlin
Lisa Blumenberg von der Produktionsfirma Letterbox hatte die Idee zu »Bad Banks«