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erge sind für die innere Uhr eine Heraus-
forderung: Sauerstoffmangel und kühlere
Temperaturen bringen sie aus dem Takt.
Generell gilt: Jeder Impuls von außen, der
die Zell uhren auf den 24-Stunden-
Rhythmus einstellt, kann sie genauso gut
auch verstellen. Machen wir die Nacht zum Tag und
umgeben uns mit künstlichem Licht, bleibt das period-
Gen aktiv und produziert weiterhin Eiweiße. Der Feed-
back-Zyklus wird verlängert, wir gehen später ins Bett
und stehen auch später auf als gewohnt. Halten wir uns
dagegen tagsüber hauptsächlich drinnen auf und meiden
das Licht, schwächen wir diesen Zeitgeber und verlang-
samen die innere Uhr. Besonders im Winter kommen
einige deshalb nur schwer aus den Federn.
Nahrung beeinflusst den zirkadianen Rhythmus
ebenfalls. Ein Forscherteam um die Biologin Olga Ramich
vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in
Potsdam fand heraus, dass Fette die innere Uhr ver-
stellen. Für die Studie nahmen Probanden sechs Wo-
chen lang ausschließlich kohlenhydratreiche Nahrung
und anschließend ebenso lange nur fettreiche Kost zu
Auf zum Gipfel
Jetzt wird es zugig: Diese Theorie
müssen Sie meistern, um auf
der Höhe der Zeit anzukommen
und die dritte hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Sie
bewegte sich planlos zwischen Wachen und Schlafen.
Außerdem stellte Ronald Konopka fest, dass die drei
mutierten Drosophila-Exemplare ihr wirres Bewegungs-
verhalten an ihre Nachkommen vererbten. Damit stießen
der Genetiker und sein Doktorvater auf die genetischen
Grundlagen der inneren Uhr.
Das Gen, das den Tag der Fliegen strukturiert und
bei drei Tieren mutiert war, nannten sie period. Ein
knappes Jahrzehnt später gelang es drei US-amerikani-
schen Wissenschaftlern, das period-Gen zu isolieren.
2017 erhielten die Chronobiologen Jeffrey Hall, Michael
Rosbash und Michael Young dafür den Medizin-Nobel-
preis. Was genau macht das period-Gen? Gene enthalten
Anleitungen zur Herstellung von Eiweißen. Deren Auf-
gaben richten sich danach, was im jeweiligen Bauplan
- dem genetischen Code – steht. Das Protein, das nach
dem Bauplan des period-Gens gebildet wird, wiesen die
Forscher nicht nur in Fliegen und Mäusen nach, son-
dern auch im menschlichen Körper. Es setzt dort eine
raffinierte Rückkopplung in Gang.
Jeden Morgen schalten Aktivatorproteine das
period- Gen im Zellkern an. Dieses gibt den Befehl, das
zugehörige period-Protein im Zellplasma herzustellen.
Die Konzentration des Proteins steigt an, und im Laufe
des Nachmittags wandern die Proteine auch in die Zell-
kerne. Dort blockieren sie die Aktivatorproteine und
schalten das period-Gen wieder aus. So verhindern
period- Pro tei ne, dass weitere Proteine ihrer Art herge-
stellt werden. Die Zahl der period-Proteine geht darauf-
hin so stark zurück, dass die Blockade der Aktivator-
proteine aufgehoben wird. Diese sind gegen Morgen
wieder frei und starten die nächste Runde der Gen-
Aktivierung. Insgesamt gibt es an die 20 sogenannte
Uhren gene, von denen period das bedeutendste ist. Als
Zahnrädchen eines Uhrwerks arbeiten sie eng zusammen.
Der Feedback-Zyklus findet millionenfach im Körper
statt, denn in jeder Körperzelle tickt eine Uhr. Daher
behalten Zellen sogar außerhalb des Körpers, aufbe-
wahrt in einer Petrischale in einem dunklen Raum, bis
zu sieben Tage lang ihren Rhythmus bei.
Die Hauptuhr sitzt im Hypothalamus, einem Teil
des Zwischenhirns. Zwei Fingerbreit hinter der Nasen-
wurzel befindet sich der suprachiasmatische Nukleus,
kurz SCN, eine Ansammlung von rund 20.000 mit ein-
an der verknüpften Nervenzellen. Hamster, denen man
den SCN chirurgisch entfernt hatte, verloren ihren Tag-
Nacht-Rhythmus. Die Erklärung: Der SCN ist mit den
Augen verbunden und bekommt Si gna le von den Licht-
sinneszellen der Netzhaut. Die Hauptuhr ist dadurch
mit der Außenwelt synchronisiert. Sie gibt die von den
Augen empfangene Information über das periphere
Nervensystem an jede Körperzelle weiter. Auf diesem
Weg erfahren auch Organe wie Leber, Niere und Herz,
ob es draußen hell oder dunkel ist. Die Uhr im Gehirn
koordiniert das Zusammenspiel aller Körperzellen. Als
Dirigentin eines großen, heterogenen Orchesters gibt
sie den Takt vor. Empfängt sie Lichtreize, lässt sie einer-
seits die Körpertemperatur ansteigen und erteilt anderer-
seits den Befehl zur Hormonausschüttung. Je nachdem,
ob das Schlafhormon Melatonin oder das Stresshormon
Cortisol freigesetzt wird, wissen auch Bauchspeichel-
drüse und Darm, ob sie Gene aktivieren und Verdau-
ungsenzyme bilden sollen.