Frankfurter Allgemeine Zeitung - 18.02.2020

(Jacob Rumans) #1

SEITE 16·DIENSTAG, 18.FEBRUAR2020·NR.41 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


hmk./wmu. BRÜSSEL.DieKritik an dem
KompromissvorschlagvonRatspräsident
Charles Michel zumEU-Budget2021 bis
2027 reißt nicht ab .Indem Vorschlag
gebe es „viel zuwenig modernePoliti-
ken“,sagteBundesfinanzminister Olaf
Schol z(SPD)amMontagvoreinem Tref-
fender Eu ro-FinanzministerinBrüssel.
Wederder Schutz der EU-Außengrenzen
nocheine zukunftsorientierte Technolo-
giepolitik seien hinreichend berücksich-
tigt.Erstrecht geltedas für denvon der
EuropäischenKommission inAngriff ge-
nommenen „Green Deal“ fürden Klima-
schutz.Auchsei nicht zu akzeptieren,
dassMichel dieVerknüpfung der Mittel-
vergabe mit rechtsstaatlichen Prinzipien
abschwäche.Ererkenne im Vorschlag
des RatspräsidentenRückschrittegegen-
über früheren Vorschlägen .„Das kann
man nicht akzeptieren.“ Ähnlichkritisch
äußertesichder niederländischeFinanz-
minister WopkeHoekstra.
Michel hatteamFreitag vorgeschlagen,
das EU-Budget auf 1,074Prozent derWirt-
schaftsleistung zu begrenzen. Das ent-
sprichtrund 1,095 Billionen Euro. Er ging
damitüber dievonÖsterreich, den Nieder-
landen, Schweden und Dänemarkgefor-
derte Obergrenze voneinem Prozent hin-
aus. Die EU-Kommission hatte1,114 Pro-
zent vorgeschlagen,wasdie meisten ande-
renStaaten unterstützen. DerVorschlag
warauf beiden Seiten auf teilweise heftige
Kritikgestoßen. Die Staats- undRegie-
rungschefssollen auf einem Sondergipfel
Ende derWochedarüber beraten. Dabei
geht es nicht nur um die Höhe des Bud-
gets, sondernauchumdessen Aufteilung.
Michel hatteindem Kompromissvor-
schlag mehr Geld als dieKommission für
die Bauern, dafür aberweniger für moder-
ne Aufgabenvonder Digitalisierung bis
zum Grenzschutzvorgesehen.
Scholz bezeichnete eine Grundsatzeini-
gung dabei als unwahrscheinlich.Über die
konkreteHöhe des Budgetsund „über die
Aufteilung da und dort“werdeesnoch
„viele Diskussionengeben“, derenStreit-
punktenicht einfachzulösen seien.
Deutschland sei bereit, für die EU mehr
Geld als bisher bereitzustellen. „Damit ist
nochnicht gesagt, wasesgenau mehr ist.“
Er wolle jedenfalls nicht „so tun, als ob
wir nicht wüssten, dassesuns mehrkos-
tenwirdals bisher“. Die spanische Außen-
minis terinArancha González sagtein

Brüssel, derVorschlag sei nicht ehrgeizig
genug. Er sei auchunfair :„Er löst nicht
das Problem derUnterschiede innerhalb
der EuropäischenUnion, die sichseit der
Krise von2008 entwickelt haben.“ Das Eu-
ropaparlament drohteabermals mit einer
Blockade. „Wenn derRatimRahmen der
bisherigen Diskussionen bleibt, wirddas
EuropäischeParlament den Finanzrah-
men ablehnen“, sagteder Abgeordnete
Rasmus Andresen (Grüne).Esgebe einen
fraktionsübergreifendenKonsens imParla-
ment, dass die bisherigenVorschlägeinak-
zeptabel seien, sagtedie CSU-Abgeordne-
te MonikaHohlmeier.Das Parlament
muss demFinanzrahmen zustimmen. Al-
lein dieKommission bezeichnete denVor-
schlag Michels als „gutenAusgangspunkt“
für das am Donnerstag beginnende Gipfel-
tref fen. Positiv sei, dass25Prozent des
Haushalts für den Klimaschutz reserviert
werden sollten und „frisches Geld“ für
den Klimaschutz-Übergangsfondsvorgese-
hen sei.

Glas aus dem 3D-Drucker
Die additive Fertigungeröffnetdem
ural tenStoffganz neue Möglichkeiten

MORGEN IN NATUR


UND WISSENSCHAFT


GroßeErwartungen
Die geplante TUNürnberg soll die
Universität in dieZukunftführen

Kostenloses Probeabo:
069 7591-3359; http://www.faz.net/probeabo

D


ie EuropäischeUnion wirkt
im digitalenWettbewerb mit
den VereinigtenStaaten und
China oftwie das berühmte
Kaninchenvorder Schlange. Die EU
streitet über Urheber rechtsreformen,ver-
sucht sichinDigitalsteuernund anderen
nationalen Alleingängen, lässt sichfür
Datenschutzregeln loben und beobachtet
ansonsten mitStaunen, wie sie immer
weiter zurückfällt. Auf 190 Milliarden
EuroimJahr beziffert die Europäische
Kommission die Investitionslücke.Auf
1,1 ProzentWachstum verzichtet sie da-
mit.KommissionspräsidentinUrsula von
der Leyenhat deshalb die Digitalisierung
neben dem Klimaschutz zum zweiten
Kernthema ihrer Amtszeitgemacht.Am
Mittwochdieser Wochelegt dieKommis-
sion eine ArtGrundsatzpapier dazuvor.
Neun Zieleruft die Kommission in dem
Papier auf, die die EU–die Strategie
„Made in China 2025“ lässt grüßen –bis
2025 erreichen soll.
Drei Schwerpunkte setzt die EU-Kom-
mission dabei:Wettbewerbsfähigkeit, die
Rolle der Digitalisierung für die Men-
schen undNachhaltigkeit.Umiminterna-
tionalen Wettbewerb aufzuholen, soll
sichdie Zahl derUnternehmenverdreifa-
chen, dieKünstliche Intelligenz nutzen;
die Unternehmen sollenstärkermit gro-
ßen Datenmengen („Big Data“) arbeiten.
Vorallem aber sollen alle Krankenhäu-
ser,Schulenund Unte rnehmen schnelles
Internet mitÜbertragungsratenvon1Gi-
gabit je Sekunde und alle Haushalte
Megabit bekommen. 70 Prozent der Be-
völkerung statt wie bisher 57 Prozentsoll
digitales Basiswissen haben, eine halbe
Million Arbeitnehmer sollen zu IT-Spe-
zialis tenausgebildetwerden ,und dieVer-
trauenswürdigkeitvonInternetinforma-
tionen sollstei gen. Schließlichsollen alle
EuropäerZugang zu elektronischen Ge-
sundheitsdaten haben; IT soll die
CO 2 -Emissionen der EU um 10 Prozent
senken undTelekommunikationsunter-
nehmen sollen bis 2030vollkommen kli-
maneutral sein.
An ehrgeizigen Zielen herrschtbei den
beidenZuständigen in derKommission,
Binnenmarktkommissar ThierryBreton
und Vizepräsidentin Margrethe Vestager,
also kein Mangel. Zu ihrerUmsetzung
kann die EU allein allerdingsnur teilwei-
se beitragen. Das fängt schon bei denFi-
nanzenan. Ratspräsident Charles Michel
zumindesthatin seinemKompromissvor-
schlag für das EU-Budget 2021 bis 2027
fürden am Donnerstag beginnendenSon-
dergipfeldie für die Digitalisierung vorge-
sehenenAusgabenstarkgekürzt.Aber

auchunabhängig davonfehlen derKom-
mission etwa in der Bildungspolitik
schlicht dieKompetenzen,weshalb der
Satz „DieKommission wirdalle ihrever-
fügbaren legislativen und nicht-legislati-
venMittel nutzen“, um diese Ziele zu er-
reichen, in demPapier auchschon bei-
nahe wie ein „Disclaimer“ wirkt, sprich
als Entschuldigung dafür,wenn es doch
nichts wird.
Handelnkann und will dieKommissi-
on bei der StandardisierungvonDaten,

um den Austauschund die Nutzung
nicht-persönlicher (Industrie-)Daten zu
erleichtern. Dabeigeht es auchdarum,
kleinenund mittelgroßenUnternehmen
Zugang zugroßen Datenmengen z uver-
schaf fen. EineRolle spielen solche Da-
tenzudem,wenn es um die Nutzung
Künstli cher Intelligenzgeht.„Wirmüs-
sen vermeiden, dassKI-An wendungen
auf Basis nicht-europäischer Daten trai-
niert werden“, heißt es in der EU-Kom-
mission.Schließlichhabe daswomöglich

gravierende Auswirkungen auf deren
Entscheidungen. Überhauptlegt die
Kommissiongroßes Gewicht auf einen
europäischenRahmen für die Entwick-
lung vonKünstlicher Intelligenz. Im Mit-
telpunktsteht dabei, dassesbei kriti-
schen Anwendungen–obinder Medizin,
dem Transportoder wo sonstLeben ge-
fährde tsein könnte–eine ausreichende,
menschliche Kontrolle darüber gibt,auf
welcher Grundlagesolche Programme
entscheiden (F.A.Z.vom20. Januar).
Auch die großen Internetplattformen
wie Amazon,Facebook oder Google müs-
sen sichauf neuenGegenwind aus Euro-
pa einstellen.Die Kommission willdie
Be steuerung der Digitalkonzerneforcie-
ren. Zudem prüftsie eineReform des
Wettbewerbsrechts,wie sie auchBundes-
wirtschaftsministerPeter Altmaier
(CDU)fordert. DieKommission lässt al-
lerdings ausdrücklichoffen, ob sie eine
solcheReform vorschlägt.WoPlattfor-
men eine Größe erreicht hätten, die ih-
nen faktischerlaube, den Zugang zu
Markt und Daten zukontrollieren,könne
es ohnehin nötig sein,regulativ einzugrei-
fen, heißt es in demPapier.
Ein solcherVorschlag wäre Teil des für
Jahresendegeplanten „Paktes für digitale
Dienstleistungen“. In diesemwill die
Kommission auchnocheinen anderen
Punkt in Angriff nehmen,indem einiger
Sprengsatzsteckt :die Verbreitung illega-
ler Inhaltevon gefährlichen Produktio-
nen bis Desinformationen. „Was of fline
illegal ist, mussauchonline illegal sein“,
heißt es dazu knapp.Womit wie schon
beim Streit um dasUrheberrecht dieFra-
ge aufgeworfenwäre, ob Internetplattfor-
men künftig Verantwortung für die bei ih-
nen plazierten Inhalteübernehmenund
imExtremfallvordem Hochladen perFil-
terüberprüfenmüssen.

VoneinemKonjunkturdämpfer durch
das Coronavirus will man in ItaliensRe-
gierung offiziell nochnicht sprechen.
Denn ItaliensFinanz- und Schatzminis-
terRoberto Gualtieribenötigte schon in
der vergangenenWocheviel Zweckopt i-
mismus,umein weit tiefer reichendes
Konjunktur-und Wachstumsproblem Ita-
liens schönzureden:Fürdieses Jahr äu-
ßerte Gualtieridie Hoffnung, dassIta-
lien die enttäuschenden Daten für das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten
Quartal 2019 mit neuemSchwung nach
oben überwindenkönne.Die vorläufigen
Zahlen sind schlechter als erwartet,mit
einemRückgang des BIP um 0,3 Prozent
gegenüber dem dritten Quartal. Gegen-
über dem vierten Quartal2018 beträgt
das Wachstum überdas gesamteJahr
2019 null. Dierosigen Ankündigungen
für 2019,vorallem vonder Fünf-Sterne-
Protestbe wegung, haben sichendgültig
als Flop erwiesen. DieFünf-Sterne-Mi-
nisterzeigten sichEnde September
jubelnd auf dem Balkon des Amtssitzes
des Ministerpräsidenten.„Wir haben die
Armut abgeschafft“, hieß es da, und nun
werdeItalien dank der beschlossenen
Wohltatenund des höheren Haushaltsde-
fizits richtig in Schwungkommen.
Statt des früher prognostizierten
Wachstums von0,9 Prozent sollteItalien
2019 das realeWachstum des BIP auf 1,
Prozentsteigern.„Wir haben unseren ei-
genen Wegzum Wachstum“, sagteda-
mals Ministerpräsident Giuseppe Conte
immer wieder.Dazu gehöredas Bürger-
geld für arme Italiener,versprochenvon
der Fünf-Sterne-Bewegung,ebensowie
die vonder LegapropagierteRückkehr
zur FrührenteimAlter von62und mit 38
Beitragsjahren. ItaliensRegierungspoliti-
kerhatten 2018 erzählt, dassjeder durch
Frührentefreiwerdende Arbeitsplatz bis
zu drei neue Beschäftigungsverhältnisse

bring eund dassdie Bezieher des Bürger-
gelds mit neu eingestelltenBeraternin
Arbeitgebracht würden. Nichts davonist
eingetroffen. Dochüber Enttäuschung
und Ernüchterung über frühereVerspre-
chen wirdinder Öf fentlichkeit nicht dis-
kutiert. Die seither vergangenen sech-
zehn Monatefühlen sichfür Italiener an
wie eineganze Epoche, immerhin hat die
Regierungskoalition gewechselt.Minis-
terpräsidentConteblieb im Amt, aber In-
nenminister Salvini und die Legahaben
2019 im Sommer dieRegierungverlas-
sen. Die neueKoalitionder Fünf-Sterne-
Bewegung mit den Mitte-linksorientier-
tenDemokraten istvoll beschäftigt mit
neuen Versprechen, dieses Mal aber
ohne rosigeWachstumsprognosen.

Deutschland soll schuld sein
Fürdie Vergangenheit gibt es eine einfa-
cheAusrede: Deutschlandwächst ni cht
mehr,und damitfehle auchder Antrieb
für dasWachstum in Italien. Diese These
verbreiten nun auchdiejenigen, wieetwa
der Vizechefredakteur von„Il Sole 24
Ore“, Sebastiano Barisoni, die bisvorwe-
nigen MonatenGegensätzlichesverbrei-
tete n, mit der Behauptung, Deutschland
wachse mit seinenÜberschüssen au fKos-
tenItaliens.NunwirdinKommentaren
vonPolitikernhervorgehoben, dieWirt-
schaf tinallen europäischen Ländernlau-
fe nicht mehr so gut, ItaliensWachstums-
schwäche sei damitkein Einzelfall mehr.
Noch im mer,wie schon seit Jahren, ist
Italien Europas Schlusslicht mit Blickauf
die Wachstumsp rognosen unddie ef fekti-
venDaten für dasWirtschaftswachstum.
Das vorwiegendeNarrativ,dasssichIta-
lien nun mit demgeschwächten Deutsch-
land in guter Gesellschaftbefinde, blen-
detdie Entwicklung dervergangenen Jah-
re aus. Italienhat nämlichnochimmer

nicht denStand desrealen BIPvorden
jüngstenKrisen erreicht .2019 endete
mit weniger als 96 Prozent desrealen BIP
von2007. Deutschland hat dagegen
schon im Jahr 2011 denVerlustanBIP
ausderRezessionvon2009 hinter sichge-
lassen und 2019 einreales BIP erreicht,
das mehr als 15 Prozent oberhalbdes
Wertes von2007 liegt.
Entgegen der politischen Rhetoriker-
wies sichimvergangenen Jahr,auchim
schlechten viertenQuartal, der Export
als Stütze derKonjunktur.Schwa ch war
dagegen die Binnennachfrage. Schließ-
lichsind öffentliche Investitionen für
mehrals 10 0Milliarden Euroinder Bü ro-
kratie festgefahren. PrivateUnterneh-
mer wurdenvergrault durchunstete För-
derpolitik,die Sonderabschreibungen für
„Industrie 4.0“ zeitweise abschaffte.
Dochdie Regierungsvertreter kündigen
lieberNeuesan.MinisterGualtieriwill
eineEinkommensteuerreform.Und Au-

ßenministerLugiD iMaio will 300 Millio-
nen Eurofür die Exportförderung ausge-
ben –die grundlegendenEntscheidun-
genfür dieNeuordnungder zuständigen
Behörde sind aber fünf MonatenachDi
Maios Antritt nochnicht getrof fen.

Nüchte rneVoraussagen für 2020

UnterItaliens Ökonomen istdie Stim-
mungeher skeptisch. Derregierungskriti-
sche Kommentator und Analyst MarioSe-
minerio meint:„Die Versprechen derRe-
gierung zeigen, dassdie Italiener sehr gut
darin sind,sichIllusionenhinzugeben.“
Die angekündigte Einkommensteuerre-
form werdeamEnde auchnur Rezessi-
onseffekteund Verarmung umverteilen.
„Italienwächst immerweniger als der
Rest der Eurozone, undwenn die Eurozo-
ne stagniert, istItalien in derRezession“,
kommentiertLuca Gerotto vonder Uni-
versità Cattolica in Mailand.„Abgesehen
vonden Ef fekten des Coronavirus, hätte
Italien alle Voraussetzungen für einen
Konjunkturaufschwung“, sagt Stefania
TomasinivomBologneser Institut Prome-
teia. Die niedrigen ZinsenkönntenKon-
sum und Investitionen begünstigen. Es
gebe Förderung fürunternehmerische In-
vestitionen und eine leichteTendenz zur
Umverteilung über die SteuerninRich-
tung ärmererFamilien,wasden Konsum
fördere. Dochdem gegenüber stehen
nüchterne Voraussagen für 2020: Das
vomParlament eingerichtete unabhängi-
ge Bürozur Beurteilung derWirtschafts-
und Haushaltsfragen errechnetals reprä-
sentativen Durchschnitt der wichtigsten
Wachstumsprognosen für 2020 nur noch
dürftige0,2 Prozent.Für den Schatz- und
Finanzminister Roberto Gualtierisind
das schlechteNachrichten. Denn er
braucht einWachstum vonmindestens
0,6 Prozent, um seine Haushaltsverspre-
chen für diesesJahr zu erfüllen.

Modell Deutschland
Der HistorikerTony Nicholls erklärte
den Engländerndie Bundesrepublik

Italiens Wachstumshoffnung verpufft


Scher ezum Rest Europas wirdgrößer /Politiker denken trotzdem anWahlversprechen /VonTobias Piller,Rom


Vorbildlich?Überall schießen–wie hier in Hamburg–Zentren fürKünstliche Intelligenz aus dem Boden. Fotodpa

dpa-AFX.BERLIN. Elter nvon Früh-
chen sollenkünftig einen Monat länger
Elterngeld erhalten,wenn das Kind min-
destens sechsWochen vordem errechne-
tenGeburtstermin zurWelt geko mmen
ist. Mütter undVäter, die Elterngeld bezie-
hen, aber schon wieder inTeilzeit arbei-
ten, dürfeninZukunftzudem 32statt wie
bisher 30Stunden proWoche arbeiten,
ohne ihren Elterngeldanspruchzuverlie-
ren. Außerdemwerden dieRegeln für den
sogenannten Partnerschaftsbonus gelo-
ckert. Das geht aus einemEntwurffür
eine Elterngeldreformhervor, der vergan-
gene Wocheindie Abstimmung zwischen
den Ministerien gegeben wurde. Der Ent-

wurfaus dem Bundesfamilienministeri-
um sieht außerdemvor,dassPaaremit
mehr als 300 000 EuroJahreseinkommen
künftig keinen Anspruchmehr auf Eltern-
geld habensollen. Bisher liegt die Grenze
bei 500 000 Euro. Elterngeld bekommen
Paare, wenn sie nachder Geburtdes Kin-
des nicht odervorerstnur wenig arbeiten
wollen. DerStaat unterstützt das mit min-
destens 300 und maximal 1800 Euroim
Monat–abhängigvomNetto-Verdienst
vorder Geburtdes Kindes. Das Eltern-
geld wirdmaximal 14 Monate lang ge-
zahlt,wenn sichbeide an der Betreuung
beteiligen. DieZahlungsdauerkann auch
weiter gestreckt werden (ElterngeldPlus).

Mark Zuckerber gplädiertdafür,In-
ternet-Plattformen wie Facebook
mehr als bislanggesetzlicheinzuhe-
gen, dabei aber einen neuenRegu-
lierungsansatz zuverfolgen.„Am
wichtigstenist uns ein neuerRah-
men für freie Meinungsäußerung
online, der einbezieht, dassdas In-
ternet und soziale Medien sichvon
der bisherexistierenden analogen
Industrien unterscheiden“, sagte
der Gründer undVorstandsvorsit-
zende desgrößten sozialenNetz-
werksder Welt während eines Pres-
segesprächs in Brüssel. Es sei
falsch, Facebook wie eineZeitung
zu behandeln undquasi Redakteu-
re einzufordern, um sichumdie In-
haltedortzukümmern.Das sei ei-
nerseits angesichts der schieren

Mengeantäglic hneu hinzukom-
menden Inhaltentechnischnicht
möglich, andererseits hobZucker-
bergdarauf ab, dassFacebookdie-
se Inhalte nicht selbstherstellt.
Der Unternehmer schlägt demge-
genüber einenRegulierungsansatz
vor, der sozialenNetzwer keneiner-
seits abverlangt, Infrastrukturvor-
zuhalten, die HassimNetzein-
grenzt undregelmäßigexternüber-
prüftwerdenkönnen soll.Zudem
regt er an, politisch-regulatorisch
Zielgrößen festzulegen dafür,wie
umfangreichentsprechende Inhal-
te in welcher Zeit entdeckt und be-
seitigtwerden sollten. Dabei sei zu
berücksichtigen, wie sichdie Mög-
lichkeiten derKünstlichen Intelli-
genz weiterentwickeln. ala.

ppl. LONDON.Die Einschlägekommen
näher für die British Broadcasting Corpo-
ration (BBC). Einflussreiche Kräfte in
der britischenRegierungwollen den öf-
fentlich-rechtlichenRundfunkreformie-
renund beschneiden.Zumeinen soll der
Medienkonzerndeutlichverkleinertwer-
den. Zumanderen gibt es dieradikalere
Idee, das bisherigeModell derRundfunk-
gebühr („LicenceFee“) abzuschaffenund
durch ein Abomodell zu ersetzen wie es
etwa vondem StreamingdienstNetflix be-
kanntist.PremierministerBoris Johnson
hat Sympathien für einen solchen Schritt
durchblickenlassen. Der neueStaats-
ministerimKulturministerium, JohnWit-
tingdale, gilt als GegnerderRundfunk-
gebühr.
Die Konservativen stören sichanzwei
Dingen:Viele bezichtigen die BBC, eine
politischlinkeSchlagseitezuhaben.Zu-
mindestinfrüherenZeiten warder Rund-
funkkonzerneine weitgehend rote Me-
diendomäne, obwohl während der jüngs-
tenWahl auch Klagen der LabourParty
aufkamen, dasseinigeProgramme zure-
gierungsnah seien. Generellfinden viele
Tories denKonzernaufgebläht und die
Gebührenfinanzierung nicht mehr zeitge-
mäß. Schnelle Änderungen der Grund-
struktur wirdeszwarkaum geben, denn
die aktuelle „RoyalCharter“ (eine Art
Rundfunkvertrag) für die BBC läuftnoch
bis zum Jahr 2027.Aber jetztwerd en die
Weichen für dieZukunftgestellt.AmWo-
chenende titeltedie „SundayTimes“, dass
ranghohe Quellen am Regierungssitz
DowningStreet 10 dieRundfunkgebühr
beerdigenwollen. „Wir bluffennicht“, zi-
tierte das Blatt ein Quelle.
Die Gebühr beträgt 154,50 Pfund (um-
gerechnet185 Euro) im Jahr–also etwas
weniger als die 210 Eurodes Rundfunk-
beitrags für die Öffentlich-Rechtlichen in
Deutschland.Vorkurzem hat die John-
son-Regierung eineKommission einge-

setzt, die prüfen soll, ob die Nicht-Zah-
lung „entkriminalisiert“werden soll.Wer
nicht zahlt, wirdderzeitvorGerichtver-
klagt und bekommt eineStrafe vo nbis zu
1000 Pfund. Im Jahr 2018 landeten
130 000 Nichtzahler vorGericht, fünf
chronische Nichtzahler musstensogar ins
Gefängnis.
Die strafrechtlicheVerfolgung istum-
stritten, denn sie trifft vorallem Bürger
mit geringem Einkommen. Die BBC
warnteschon,eineEntkriminalisierung
führezuEinnahmeausfällenvon200 Mil-
lionen Pfund. EinStreitpunkt istauch, ob
die über 75 Jahrealten Bürger, die bislang
nicht zahlen mussten, ab diesem Jahr
auchzur Kassegebetenwerden. Die BBC
hat dasvor. Insgesamt bringt die „Licence
Fee“ dem öffentlich-rechtlichen Rund-
funk im Jahrrund 3,6 Milliarden Pfund
Einnahmen, das sindetwa 75 Prozent sei-
nes Gesamtbudgets. Siefinanziertdamit
eine große Vielfalt an Sendernund be-
schäftigt 24 000 Vollzeit-Mitarbeiter,
dazu nochTausendeFreie.
Die traditionsreiche, schon im Jahr
1922 gegründete BBC genießt ingroßen
Teilen der Öffentlichkeit nochimmer viel
Vertrauen, dochsind die Einschaltquoten
für viele Programme starkgesunken.Vor
allem unter den Jungenverliertdie BBC
rapide Zuschauer und Hörer.Eine Unter-
suchung derAufsichtsbehörde Ofcom er-
gab, dassnur nochknapp die Hälfte der
jungen Erwachsenen in einer normalen
WocheBBC-Fernsehen schaut.Nur die
Älteren halten der BBC dieTreue. Der
BBC-Vorsitzende David Clementiwarnte
voreiner Woche, ein Ende der Gebühr
würde dieFähigkeit der BBC schwächen,
„das Land zusammenzubringen“.Auch
aus derTory-Par teiäußertensichnach
dem Artikel in der „SundayTimes“Politi-
ker, die voreinemFrontalangriff auf die
BBC warnten. Der frühereInnenminister
Dami an G reenwarnt evor einemkulturel-
len Kahlschlag.

Die EU willdigital aufrüsten


Neue Regeln für das Elterngeld


Spitzenverdiener sollenkeinen Anspruchmehr haben


WiesichMarkZuckerberg


digitaleRegulierungvorstellt


Für den britischen


RundfunksenderBBC wirdeseng


Regierung Johnson will auf einAbomodell umstellen


EU-Budget in der Schwebe


FinanzministerScholz: Einigung unwahrscheinlich


Die EU hat vor, bis


2025 dieLücke zu


Chin aund Amerikazu


verringer n–und legt


sich dafü rauchmit den


Internetgiganten an.


VonHendrikKafsack,


Brüssel


Italien fällt beim

Wachstum weiter zurück

200720112009 20 13 201520172019

Entwicklung des realenBIP,2007=100Prozent1)

Deutschland
EU-
Frankreich
Italien

115,
112,
111,

95,

1) Für2019 provisorische Werte von Eurostat und nationalen
Statistikämtern. Quelle: Eurostat/F.A.Z.-Grafik fbr.

90

95

100

105

110

115
Free download pdf