Der Standard - 17.02.2020

(Nancy Kaufman) #1

Kultur


Schuld &Söhne

Klimatragödie mitMusik

JETZT KARTENSICHERN!
Uraufführung

Text/RegieCHRISTINE EDER
MusikEVAJANTSCHITSCH

DerUS-Präsident fordert in einem Dekret,Bundesgebäude in Zukunft in „klassischem“ Stil zu errichten, und nennt
alsVorbild die Antike. Bestehende Bauten sollten bei Sanierungen rückbehübschtwerden. Experten laufen Sturm.

Wojciech Czaja

Jahrzehnte, die der Immobilien-
tycoon unter „massivem Beton-
brutalismus“ und „chaotischem,
entstelltem“ Dekonstruktivismus
subsumiert. Ganz konkret atta-
ckiert er einige dieser „entstell-
ten“ Regierungsbauten wie etwa
das ökologisch innovative, 2007
errichtete US Federal Building in
San Francisco, das aufgrund sei-
ner Bauweise und Technologie
mit deutlich weniger Strom und
Kühlenergie auskommt.

Autoritäre Machtprobe
All diese Gebäude seien nicht
nur „uninspirierend“ und „inkon-
sistent im Eingehen auf die gebau-
te Umgebung und auf das archi-
tektonische Erbe einer Region“,
sondern oft auch „einfach nur
hässlich“. Es wird nahegelegt, bei
Sanierungen und Renovierungs-
arbeiten zu prüfen, ob im Bereich
der Fassaden ein historisierendes
„Redesignineinemnunbevorzug-
ten architektonischen Stil“ mög-
lich und machbar sei.
Darüber hinaus soll eine unge-
wöhnlich besetzte Jury eingerich-

J


ohn F. Kennedy und sein
Stadtplanungsberater Daniel
Patrick Moynihan haben
1962 eine Richtlinie für Bundes-
und Regierungsbauten erlassen,
in der sie darauf hinweisen, dass
ein offizieller Baustil und über-
triebene Gleichförmigkeit vermie-
den und dafür „den schönsten
zeitgenössischen Architekturge-
danken“ Raum gegeben werden
soll: „In der Gestaltgebung hat
sich die Regierung der Architek-
tur anzupassen, und nicht umge-
kehrt.“ Nun könnte Kennedys
Erbe bald Geschichte sein.
Wie letzte Woche bekannt wur-
de, fordert der US-amerikanische
Präsident Donald Trump nämlich,
staatliche Bauten ab sofort in
„klassischem“ Stil zu errichten,
und nennt als Vorbilder das „de-
mokratische Athen“, das „republi-
kanische Rom“ sowie die beiden
Präsidenten und Architekturlieb-
haber George Washington und
Thomas Jefferson, die für die da-
mals junge Hauptstadt Washing-
ton, D.C., einige prägende Schlüs-
selbauten entwarfen. Das Dekret

unter dem TitelMaking federal
buildings beautiful again,in das
sich die konservative National
Civic Art Society miteingebracht
hat, wurde geleakt und liegt dem
STANDARDals siebenseitige Roh-
fassung vor.
„Die Gründungsväter haben
den Bundesbauten große Bedeu-
tung beigemessen“, heißt es darin.
„Staatsarchitektur sollte Respekt
vermitteln, und nicht Verwirrung
und Abscheu. Klassische und tra-
ditionelleArchitekturstilefördern
genau den Respekt vor der Ver-
waltung. Sie sollten daher stärke-
re Verbreitung finden.“ Der mög-
liche Stilkanon umfasse unter an-
derem griechische und römische
Architektur, Romanik, Gotik,
Renaissance, spanische Kolonial-
architektur sowie den „Mediterra-
nean Style“, wie er in Florida und
im Südwesten der USA vorzufin-
den sei.
Doch mehr noch als eine Lanze
für dorische, ionische und korin-
thische Säulen ist Trumps Dekret
eine Kampfansage an die gebaute
Architekturlandschaft der letzten

tet werden, die über die künftigen
Projekte entscheidet. Im Dekret
heißt es: „Dieses Komitee soll kei-
ne Künstler, Architekten, Inge-
nieure, Kunst- und Architektur-
kritiker oder Mitglieder der Bau-
industrieenthalten.“Wassichwie
ein größenwahnsinniger Tag-
traum Trumps anhört, könnte
schon bald Wirklichkeit werden,
fürchten Experten. Innerhalb des
nächsten Monats, so dieNew York
Times,könnte Trumps Papier im
Weißen Haus beschlossen und
unterschrieben werden. Um das
zu verhindern, hat das American
Institute of Architects (AIA) eine
Onlinepetition gestartet.
„Trump fordert, was in den
westlichen Demokratien seit dem
Zweiten Weltkrieg nicht mehr
existierte, nämlich die Festlegung
gestalterischer Regeln durch die
Regierung oder durch einen Auto-
kraten“, sagt der deutsche Archi-
tekturpsychologe Riklef Rambow.
„Der sogenannte klassische Stil ist
nicht nur Ausdruck von Demokra-
tie, sondern auch fast sämtlicher
Diktaturen der letzten hundert

Jahre wie etwa des Faschismus,
des Staatssozialismus und des Na-
tionalsozialismus. Die Wiederein-
führung eines solchen Regie-
rungsstils ist ein massiver Affront
und eine Machtprobe.“
Mark Gilbert, Professor für
Architekturtheorie an der TU
Wien, bezeichnet die nun geäu-
ßerte Vorliebe für klassische
Architektur als „perfektes seman-
tisches Puzzlestück“ in dem
paternalistischen Regierungsstil
Trumps. Und die Wiener Archi-
tektin und Kulturwissenschafte-
rin Gabu Heindl meint: „Trumps
Re-Beautification-Programm
bringt seinen autoritären Populis-
mus auf den Punkt–mit klassizis-
tischer, respekteinflößender Im-
perial-Architektur zurück in die
Zeit vor den antirassistischen, ba-
sisdemokratischen und emanzi-
patorischen Bewegungen.“ Noch
deutlicher formuliert es Sydney
Franklin, Herausgeberin desAr-
chitect’s Newspaper:„Ein diktato-
rischer Akt. Hitler und Stalin ha-
ben auf gleiche Weise gehandelt,
wie es nun Trump vorhat.“

Tagtraum eines Tyrannen? Künftig soll eine Jury über neue Architekturprojekte entscheiden–indieser dürfen aber keine Künstler, Architekten oder Bauexperten sitzen.

Foto: renaschild/iStock, Gage Skidmore

Korinthische Säulenauf Kommando

Vier Gradmehr undkeineInfrastruktur:


Die Klimakatastrophe wirdimVolkstheater Realität.


„SCHULD UND SÖHNE“

EineWeltmeisterin kämpft


fürden Galopprennsport.


DAS WURDE AUS

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MO., 17.FEBRUAR2 020 13


Kultur


Foto: APA


Britische Regierung
drohtBBCmit Reform
London–Die britische Regierung
solldieAbschaffungderLizenzge-
bühren der öffentlich-rechtlichen
Sendeanstalt fordern. Nach wo-
chenlangen Spannungen wird die
BBC laut Sunday Timesnunzu
einemAbonnentenmodellmitPay-
wall gezwungen. Folglich könnten
mehrere Fernseh- und Radiosen-
der geschlossen werden. (red)

KURZGEMELDET


PeterHandkeerhielt
hohen serbischen Orden
Belgrad–AmSamstag wurde der
Literaturnobelpreisträger Peter
Handke mit dem Karadjordjevo-
Orden mit Stern erster Klasse aus-
gezeichnet. Die Begründung: Er
habe einen außerordentlichen
Einsatz für Serbien und die Ser-
ben geleistet. Bei der Verleihungs-
zeremonie war der Autor aller-
dings nicht anwesend. (APA, red)

FührungvonCésar-
Akademie trat zurück
Paris–Nach dem Streit um den
Filmregisseur Roman Polański hat
die Führung der Akademie des
französischen Filmpreises César
ihren kollektiven Rücktritt be-
kanntgegeben. Nach neuen Verge-
waltigungsvorwürfen kam es be-
reits während der Premiere seines
nun mehrfach nominierten Films
J’accusezu Protesten. (APA, red)
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