Regina Krieger Rom
I
talien steht für mindestens einen Monat still,
um die erschreckend schnelle Ausbreitung
des Coronavirus in den Griff zu bekommen.
Im ganzen Land gilt ein Reiseverbot. Wer
sich dennoch fortbewegen will, muss das be-
gründen. Premier Giuseppe Conte weitete am Mon-
tagabend die Beschränkungen auf das ganze Land
aus, die er erst in der Nacht zuvor für die Lombardei
und 14 Provinzen im Norden festgelegt hatte. „Es gibt
keine rote Zone mehr, sondern nur noch das ge-
schützte Italien“, sagte er. Die ökonomischen Aus-
wirkungen und die Neuverschuldung Italiens sind
kaum zu kalkulieren.
Italien geht im Kampf gegen Covid-19 weiter als je-
des andere Land in Europa. Schon ist von der „Wu-
han-Lösung“ die Rede, benannt nach der Stadt in
China, in der das Virus zuerst ausbrach und die her-
metisch abgeriegelt wurde. Grund für die italieni-
sche Strenge ist der starke Anstieg von Infizierten.
Der Zivilschutz sagte am Montagabend vor Contes
Auftritt, 7 985 Menschen seien mit dem Coronavirus
infiziert, 724 geheilt und 463 gestorben.
„Diese Zahlen sagen uns, dass wir einen großen
Anstieg von Menschen auf der Intensivstation haben
und leider auch bei den Toten“, sagte Conte. „Des-
halb müssen wir jetzt unsere Gewohnheiten ändern,
jeder muss auf etwas verzichten zum Wohl Italiens.“
Und das müsse sofort geschehen.
Das Dekret schränkt die Bewegungsfreiheit der 60
Millionen Einwohner in der drittgrößten Volkswirt-
schaft der Euro-Zone drastisch ein. Die Bestimmun-
gen gelten zunächst bis zum 3. April. Man darf seine
Stadt oder Gemeinde nur verlassen, wenn man drin-
gende Gründe hat, wie den Weg zur Arbeit, Gesund-
heit oder einen Notfall. Im Netz kann man sich ein
Formular für eine Ausnahmeregelung herunterla-
den. Die Regierung verschickte am Dienstag eine
fünfseitige Erklärung, wie genau die Maßnahmen
umgesetzt werden müssen.
Österreich erlässt Einreisestopp
Abgesperrt ist das Land jedoch nicht. Zug- und Flug-
verkehr sind weitgehend intakt, und die Autobahnen
bleiben offen, um den Warentransport zu ermögli-
chen. Doch es gibt Kontrollen. Jeder Reisende, auch
ins Ausland, muss das Formular mit den Gründen
für seine Reise ausfüllen. Diese Regel hatte seit Sonn-
tag schon für die Lombardei gegolten. Immer mehr
Fluggesellschaften hatten ihre Flüge nach Nordita-
lien beschränkt und werden das nun wohl auf das
ganze Land ausweiten.
Nachbar Österreich reagierte sofort. Die Regierung
erließ einen Einreisestopp, der ab Mittwoch gilt.
„Das oberste Ziel ist es, das Einschleppen von Krank-
heiten zu verhindern“, sagte Bundeskanzler Sebasti-
an Kurz (ÖVP). Nur noch Reisende mit einem ärztli-
chen Attest dürfen ins Land. „Wir machen Grenzkon-
trollen. Eine Einreise ist nur mit einem
Gesundheitszertifkat möglich“, kündigte Innenminis-
ter Karl Nehammer (ÖVP) an. Österreich kappt auch
die Verbindungen per Flugzeug und Bahn nach Ita-
lien. Österreichischer in Italien sollen organisiert in
ihre Heimat zurück gebracht werden. Die spanische
Regierung hat ab Mittwoch alle Flüge zwischen Ita-
lien und Spanien bis zum 25. März verboten, um das
Ansteckungsrisiko zu reduzieren. In beiden Ländern
gelten Vorschriften ähnlich wie in Italien: Sport ohne
Publikum, keine Massenveranstaltungen. In Deutsch-
land untersagt Nordrhein-Westfalen Veranstaltungen
mit mehr als 1000 Teilnehmern. Griechenland
schließt Schulen, Universitäten und Kindertagestät-
ten für zwei Wochen, die Region Madrid ebenfalls.
Italien wird Sperrgebiet
Die Regierung versucht, das Coronavirus mit drastischen Mitteln einzudämmen
und schränkt die Bewegungsfreiheit ein. Die gesamte Bevölkerung soll möglichst
zu Hause bleiben. Auch andere Länder treffen weitreichende Entscheidungen.
Galleria Vittorio
Emanuele II in
Mailand: Das
öffentliche Leben
kommt vielerorts
zum Erliegen.
REUTERS
60
MILLIONEN
Alle Einwohner Ita-
liens sind von den
Sperrmaßnahmen
betroffen.
Wirtschaft
& Politik
MITTWOCH, 11. MÄRZ 2020, NR. 50
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