Der Spiegel - ALE (2022-01-08)

(EriveltonMoraes) #1
Auftrag gegeben, inzwischen haben wir eine
entsprechende Betriebsvereinbarung.
Tobias: Lasst uns noch über einen anderen
Aspekt sprechen. Die Feministin Svenja Flaß-
pöhler hat kritisiert, dass die #MeToo-Bewe-
gung ein patriarchales Geschlechterbild fort-
schreibe: die Frau als braves, wehrloses Opfer.
Auch manche Feministin der Generation Alice
Schwarzer war befremdet von der Debatte.
Wer jahrzehntelang darum bemüht gewesen
ist, Stärke zu zeigen und sich als Frau zu er-
mächtigen, der wundert sich, dass Frauen ihr
Opfersein nun betonen.
Simone: Aber es gehört jede Menge Mut und
Stärke dazu, von sexueller Belästigung oder
einer Vergewaltigung in der Öffentlichkeit zu
berichten, um die bestehenden Strukturen
aufzubrechen. Außerdem wird es immer so
sein: Die oder der eine fühlt sich von einem
Spruch angegriffen, der für jemand anders
kein Problem ist. Wir müssen in der #MeToo-
Debatte eine gewisse Pluralität zulassen.
Susanne: Über Individuen zu reden ist das
eine. Wir müssen aber auch über Machtstruk-
turen und Abhängigkeiten reden.
Tobias: Das sehe ich so wie du. Die #MeToo-
Berichterstattung vieler Medien sehe ich
trotzdem kritisch, bisweilen auch unsere eige-
ne. Und ich betone, dass das manchen Frauen
im Haus nicht anders geht.
Simone: Wie bei allen Missständen haben wir
auch bei #MeToo-Fällen den klaren Auftrag,
genau hinzuschauen und sie aufzudecken.
Das ist das Kerngeschäft des SPIEGEL.
Tobias: Die Frage ist nicht, ob wir über #Me-
Too-Fälle berichten sollen. Die Frage ist, mit
welchem Gestus, wie selbstgewiss oder wie
zweifelnd.
Simone: Wir diskutieren viel über unsere
#MeToo-Recherchen. Wir sind insgesamt sehr
kritisch miteinander. Das empfinde ich als
Stärke, aber auch als Problem. Zu viel Selbst-
kasteiung kann demotivierend wirken. Ich
will nicht, dass Kolleginnen und Kollegen für
sich den Schluss daraus ziehen, solche Re-
cherchen nicht mehr zu machen.
Susanne: Auch ich war immer dafür, #MeToo-
Fälle investigativ zu recherchieren. Die Kolle-
ginnen und Kollegen, die das tun, verdienen
Respekt und Unterstützung. Dass wir so sehr
darum ringen, liegt daran, dass allein der ge-
äußerte Verdacht eine Existenz vernichten kann.
Simone: Für #MeToo-Recherchen gelten die-
selben journalistischen Standards wie für alle
anderen Recherchen. Und ein besseres Kor-
rektiv als unsere Dokumentation und unsere
Rechtsabteilung kenne ich nicht.
Susanne: Und trotzdem sollten wir Mechanis-
men entwickeln, um verschiedenen Blick-
weisen mehr Raum zu geben. In Geschlechter-
debatten ist es ein Problem, wenn eine Seite
sich engagiert und die andere schweigt.
Simone: Mehr Männer würden den Recher-
chen sicherlich guttun. Im Moment dominie-
ren da eher noch die Frauen. Außerdem sind
gemischte Teams generell erfolgreicher. Das
Bild ist selten schwarz-weiß, es wird grauer,
je genauer man hinschaut. n

Nr. 2 / 8.1.2022DER SPIEGEL 67

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