Spektrum der Wissenschaft - Oktober 2017

(Tuis.) #1
Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft. Nach dem Vor-
trag kam er zu mir und sagte: »Herr Danzmann, Sie kom-
men nach München und machen dort Gravitationswellen-
forschung.« Vier Monate später habe ich angefangen.

Wie groß war denn allgemein der deutsche Beitrag
an der Entdeckung der Gravitationswellen?
Heinz Billing, mein Vorgänger in der Max-Planck-Gesell-
schaft, gehörte weltweit zu den Pionieren. Er wäre sicher
für den Nobelpreis in Frage gekommen, ist aber leider
im Januar 2017 verstorben. Seine Gruppe hat bis Ende der
1980er Jahre alle Empfindlichkeitsrekorde in der Laser-
interferometrie gehalten. Damals arbeitete man allerdings
noch mit vergleichsweise kleinen Interferometern, die
allenfalls einige Dutzend Meter groß waren – und daher
keine Chance hatten, die Erschütterungen der Raumzeit
nachzuweisen. Das waren aber letztlich essenzielle Vor-
arbeiten für LIGO.

Wieso ist das Riesen-Interferometer dann nicht in
Deutschland gebaut worden?
Uns kam die Wiedervereinigung dazwischen. Danach
fehlte für viele Jahre auf Bundesebene das Geld für Groß-
projekte in der Grundlagenforschung. Wir haben 1995 mit
dem Land Niedersachsen, der Volkswagenstiftung und der
Max-Planck-Gesellschaft in Ruthe bei Hannover immerhin
den 600 Meter langen Gravitationswellendetektor GEO600
gebaut. Er dient vor allem dazu, Technologie zu testen.
Eigentlich alles, was wir in Hannover entwickelt haben,
kommt heute in Advanced LIGO zum Einsatz.

Wie sicher waren Sie und Ihre Kollegen im Vorfeld
der Inbetriebnahme , dass man mit dem Instrument
tatsächlich Gravitationswellen auffangen würde?
Es war klar, dass wir die Wellen irgendwann finden wür-
den. Aber wann, das konnte niemand wissen. Uns hat vor
allem überrascht, dass es so schnell ging. Insgesamt
hatten wir großes Glück: Advanced LIGO hatte im Sep-
tember 2015 erst ein Drittel seiner angepeilten Empfind-

lichkeit erreicht. Und dann trafen wenige Tage, nachdem
wir den Detektor angeschaltet hatten, enorm starke Gravi-
tationswellen die Erde. Mit solch einem Signal hatten wir
auch deshalb nicht gerechnet, weil wir die zugehörigen
Quellen nicht kannten.

Aber Schwarze Löcher sind doch seit Jahrzehnten
bekannt.
Ja, das schon. Die Gravitationswellen vom 14. September
gingen allerdings auf die Kollisionen zweier gigantischer
Exemplare zurück, deren Masse wir auf das 36- bezie-
hungsweise 29-Fache unserer Sonne schätzen. Solche
ungeheuren Objekte dürfte es gemäß der Standardtheorie
der Sternentwicklung eigentlich gar nicht geben.

Wieso nicht?
Nach dem, was wir sicher über den Kollaps schwerer
Sterne wissen, entstehen dabei vermutlich keine Schwar-
zen Löcher mit einer Masse von mehr als 15 Sonnen-
massen. Alle stellaren Schwarzen Löcher, die Astronomen
vor der Inbetriebnahme von Advanced LIGO mit Telesko-
pen entdeckt haben, sind leichter. Denn sobald ein Stern
so massiv ist, dass er am Ende seiner Lebenszeit ein
derartiges Monstrum hervorbringen könnte, kollabiert er
nicht. Stattdessen explodiert er, bevor die Materie unter
ihrer eigenen Schwerkraft zusammenstürzt.

Wie sind LIGOs Schwarze Löcher dann entstanden?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, die auch heiß
dis kutiert werden. Vielleicht gibt es im All sehr dichte
Sternencluster, in denen kleinere Schwarze Löcher häufig
verschmelzen – und so Objekte mit den von uns beobach-
teten Massen bilden. Oder es existieren noch irgendwo
Taschen mit ursprünglicher Materie, die direkt nach dem
Urknall entstanden ist. Sterne in diesen Regionen würden
nur aus Wasserstoff und Helium bestehen. Sie könnten –
anders als später entstandene Sterne, in denen es auch
schwerere Elemente gibt – in sich zusammenfallen und in
einem sehr massiven Schwarzen Loch enden.

Gravitations-
welleneekt

Ruhe-
zustand

Signal
sichtbar

kein
Signal

Detektor Detektor

~10–18 m
Verschiebung

Laser

Spiegel

Spiegel

Licht-
detektor

Gravitationswellendetektoren
arbeiten nach dem Prinzip eines
Michelson-Interfero meters:
Zwei Laserstrahlen laufen senk-
recht zueinander zwei Mess-
arme entlang und werden an de-
ren Enden von Spiegeln reflek-
tiert. Zurück am Ausgangspunkt
überlagern sich die beiden
Strahlen und ergeben ein Signal
bestimmter Helligkeit. Passiert
eine Gravitationswelle den De-
tektor, staucht und dehnt sie den
Raum im Interferometer. Die
Laserstrahlen treffen dann in ei-
ner anderen Phase aufeinan-
der, wodurch sich die Helligkeit
des Ausgangs signals ändert.

NIK SPENCER/NATURE;


CASTELVECCHI, D., WITZE, A.: EINSTEIN‘S GRAVITATIONAL


WAVES FOUND AT LAST. NATURE NEWS, 11. FEB. 2016 (AUSSCHNITT)
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