Flugrevue April 2017

(Barré) #1
Normales LTE funktioniert wegen
der nach unten gerichteten Antennen le-
diglich am Boden und auch nur bei
Fahrzeuggeschwindigkeiten bis maximal
300 km/h. Für das EAN musste also
eine neue Infrastruktur entworfen wer-
den, zuständig dafür ist der Netzwerk-
ausrüster Nokia. Die Arbeiten daran
begannen 2009 mit einer Forschungs-
kooperation von Nokia (damals noch
Alcatel-Lucent) mit Airbus und der Te-
lekom. 2011 fand der erste Testflug mit
dem System über Norddeutschland
statt. Doch die Frequenzverhandlungen
mit den 28 EU-Staaten, der Schweiz und
Norwegen zogen sich hin. Schließlich
gelang es, in allen Ländern zwei
15-MHz-FDD-Lizenzen (Frequency Di-
vision Duplex, dabei laufen Up- und
Downlink auf verschiedenen Kanälen)
im MSS-Band (Mobile Satellite Service)
zu erhalten. Wegen der zwei Lizenzen ist
auch nur ein Hybrid aus Satellit und
Bodennetz für den Betrieb des EAN
möglich, auch wenn einige Airlines
schon den Wunsch nach einer reinen
LTE-Lösung geäußert haben sollen.

DER PILOTBETRIEB SOLL
IM SOMMER STARTEN
In ganz Europa werden für das Boden-
netz rund 300 Basisstationen aufgebaut,
begonnen wurde damit im vergangenen
Jahr in Südengland. Das Kernnetz steht
in Frankfurt bei der Telekom. „LTE ist
die Basistechnologie, aber wir haben für
das EAN einige Eigenschaften verän-
dert“, sagt Dr. Michael Ohm, der bei No-
kia das Projekt betreut. Beispielsweise
muss der Dopplereffekt bei den hohen
Fluggeschwindigkeiten berücksichtigt
werden: Bewegt sich ein Flugzeug auf ei-
nen Sendemast zu, erhöht sich die Fre-
quenz und umgekehrt. Um diese Fre-

quenzverschiebungen zu kompensieren,
hat Nokia spezielle Algorithmen in den
LTE-Standard integriert. Zudem sind die
Funkzellen mit 150 Kilometern Durch-
messer mehr als zehnmal so groß wie bei
normalem LTE. Dennoch beträgt die
Zeitverzögerung im Signal höchstens 60
bis 80  ms, bei einem Satelliten sind es
bis zu 800 ms. Jede Basisstation erhält
drei nach oben geneigte Antennen. Das
Frequenzspektrum ist für Smartphones
nicht direkt zu empfangen, das Signal
wird in der Kabine über WLAN ausge-
spielt. Die Antennen und das Bord-
equipment für die Flugzeuge hat der
Technologiekonzern Thales entwickelt.
Die kleinen, 300 Gramm leichten LTE-
Antennen sind unten am Rumpf ange-
bracht, während sich oben auf dem
Rumpf das Sende- und Empfangstermi-
nal für den Satelliten befindet. Es ist im
Vergleich zu herkömmlichen Ka-Band-
Lösungen nach Angaben der Telekom

rund 200 kg leichter, was dem Treib-
stoffverbrauch zugutekommt.
Wenn der Pilotbetrieb wie geplant im
Sommer startet, sammelt Nokia zu-
nächst Daten, beispielsweise wo und in
welcher Höhe am häufigsten geflogen
wird. „Die Kapazität kann geografisch
genau angepasst werden“, sagt Ohm. Sei
es durch Nachjustierung der Antennen
mittels Stellmotoren oder dadurch, dass
eine Station mehr als drei Sektoren be-
dient, oder schließlich durch das Auf-
stellen von zusätzlichen Sendemasten.
Künftig könnten auch große Mengen an
Telemetriedaten vom Flugzeug zur Erde
gesendet werden. Ebenso ist eine Expan-
sion des Bodennetzes nach Russland und
in die Türkei aus Sicht der Telekom
denkbar. Doch erst einmal soll das EAN
zeigen, dass es Passagieren auf Europa-
flügen einen zuverlässigen und schnellen
Internetzugang bieten kann.

Fotos: Deutsche Telekom; Infografik: Harald Hornig


ULRIKE EBNER

Mit einer Dassault Falcon 20 wurden Ende 2016 Testflüge in England absolviert.

In Stuttgart wurden die EAN-Antennen
mit Versuchsfahrzeugen am Boden sowie
im Labor getestet.

Das EAN besteht aus einem S-Band-Satelliten und 300 LTE-Bodenstationen. Der
Satellit springt beispielsweise bei Routen über dem Meer ein. Auch bei niedrigen Flughöhen
ist mit dem LTE-Bodennetz aus regulatorischen Gründen keine volle Abdeckung möglich.

So funktioniert das European Aviation Network (EAN)


FR

3000 Meter

Landmasse Meer

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