Flugrevue April 2017

(Barré) #1
Am 31. Oktober 2014 erlitt Virgin Galactic den bisher größten Rückschlag im
Entwicklungsprogramm seines Raketenflugzeugs: Aufgrund eines Pilotenfehlers
zerbrach die VSS Enterprise 13 Sekunden nach der Triebwerkszündung.

FR

dator findet keine Verbrennung mehr
statt, wodurch das Triebwerk gesteuert
werden kann. Der feste Treibstoff iso-
liert zudem die Metallwände von den
Temperaturen im Inneren der Brenn-
kammer, und mit nur einem Stoff wird
auch die Einspritzung viel einfacher.


WER SCHAFFT DEN ERSTEN
BEMANNTEN SUBORBITALFLUG?


Aber das Hybridtriebwerk hat auch
Nachteile. Die langgezogene Brennkam-
mer ändert beim Abbrennen ständig ihre
Geometrie. Je größer das Triebwerk ge-
baut wird, desto schneller kommt es da-
durch zu instabiler Verbrennung. Um die
Verbrennung zu stabilisieren, sah sich
Virgin Galactic gezwungen, zusätzliche
Tanks zur Einspritzung von Methan und
Helium einzubauen. Dazu kommt der
Oxidator. Anstelle von extrem kaltem
flüssigem Sauerstoff kommt Lachgas
zum Einsatz, das unter hohem Druck
auch bei Zimmertemperatur flüssig wird.
Lachgas ist aber weniger effizient. Expe-
rimente mit Vinyl als Brennstoff zur Stei-
gerung der Leistung erwiesen sich als
Fehlschlag, und so kehrt Virgin Galactic
beim neuen SS2 zum gummiartigen
HTPB zurück, das in herkömmlichen
Feststoffraketen auch als Bindemittel für


den restlichen Treibstoff verwendet wird.
Lachgas hat aber noch mehr Probleme.
Wenn es in Kontakt mit Fetten, Ölen
oder ähnlichen Substanzen kommt, ent-
zündet es sich spontan. Zudem ist es bei
sehr hohen Temperaturen instabil. Wenn
eine Schockwelle durch Lachgas hin-
durchzieht, wird es stark aufgeheizt und
zerfällt. Solche Schockwellen können
zum Beispiel in Treibstoffleitungen ent-
stehen, wenn Ventile zu plötzlich ge-
schlossen werden oder Lachgas mit Ver-
unreinigungen in der Leitung in Kontakt

kommt. Mit katastrophalen Folgen: Der
gesamte Tankinhalt kann explodieren.
Genau das geschah auf einem Teststand
im Jahr 2007. Die Explosion kostete drei
Ingenieure das Leben.
Wegen all der Probleme bei Entwick-
lung und Erprobung kann man inzwi-
schen davon ausgehen, dass ein anderes
Unternehmen die ersten Weltraumtou-
risten befördern wird. Blue Origin will
mit seiner Passagierkapsel auf einer
New-Shepard-Rakete 2018 erstmals be-
mannte Suborbitalflüge durchführen.

Raketengetrieben soll die VSS Unity
einmal bis in 100 Kilometer Höhe
fliegen und sechs Touristen Platz bieten.

http://www.flugrevue.de FLUG REVUE A pr i l 2017^79

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